Der DFB verkündete im September, die WM filmisch zu begleiten. Nach dem Vorrunden-K.o. könnte die Doku zum Trauerspiel mutieren – oder ganz ausfallen.
München/Frankfurt – Gemeinsam mit Amazon Original wollte der Deutsche Fußballbund (DFB) eine Dokumentation kreieren. Die sollte den Weg vom Tiefpunkt, dem Vorrundenaus bei der WM 2018, zurück an die Fußballspitze zeigen. Da der Fußball allerdings keinem Drehbuch folgt, sondern seine eigenen Geschichten schreibt, stellt sich die Situation nun gänzlich anders dar. Statt der Rückkehr an die Weltspitze ist auch bei der WM 2022 schon in der Vorrunde Schluss.
Doppelter Tiefpunkt, statt große Jubelszenen also. Nun stellt sich die Frage, ob die geplante Doku-Reihe überhaupt erscheinen wird. Denn es wäre nicht die erste Fußball-Doku, die am Ende doch noch gecancelt wird.
WM 2022: DFB-Team scheitert wie vier Jahre zuvor schon in der Vorrunde – Doku-Reihe vor dem Aus?
Die Dokumentation im Amazon Prime Format „All or Nothing“ soll sich über sechs Episoden erstrecken und ihren Beginn im Ausscheiden bei der WM 2018 in Russland nehmen. „Exklusive Einblick in unsere Abläufe“ hat Bundestrainer Hansi Flick versprochen und beim DFB ging man bei der Verkündung der Zusammenarbeit noch von einem erfolgreicheren Abschneiden in Katar aus. Nun gibt es zumindest die perfekte cineastische Klammer, von einem Vorrunden-Aus zum nächsten.
Philip Pratt, Leiter Deutsche Amazon Originals bei Prime Video, hatte den Fans versprochen, dass sie sich „auf eine aufregende Reise mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft freuen“ dürfen. Dabei hatte er wahrscheinlich anderes im Sinn, als den frühen K.o. in der Gruppenphase. „Es wird herausfordernd, emotional und am Ende hoffentlich erfolgreich“, verbriefte Hansi Flick seine Erwartungen an das Projekt. Herausfordernd und emotional wird es für die Fans allemal, wenn sie die erfoglose Reise der Nationalmannschaft nochmal Revue passieren lassen wollen.
WM-Doku über DFB-Team: Wird es Einblicke in die „One Love“-Diskussion geben?
Man darf den Planern der Serie unterstellen, dass sie wohl mit einem Fokus auf den sportlichen Erfolg geplant haben. Daraus wird nach dem enttäuschendem Aus in der Vorrunde in Katar aber wohl nichts. Und so stellt sich die Frage nach anderen, spannenden Einblicken. Möglicherweise können die Zuschauer tatsächlich Einblicke in die teaminternen Abstimmungen rund um die Diskussion der „One Love“-Binde oder den Blickwinkel der Mannschaft auf die Katar-WM im Allgemeinen erhalten.
Wünschenswert wäre ein solcher Einblick durchaus, denn mit einem sportlichen Fokus der Dokumentation wird wohl kein Fan vor den Bildschirm zu locken sein. Hoffnung darauf macht die Aussage von Marc Lepetit, zuständiger Produzent, der sich schon im September „über die Offenheit und das Vertrauen des Teams“ gefreut hat. Man kann den Produzenten allerdings nur die Daumen drücken, dass das bislang gesammelte Filmmaterial für die angedachten sechs Folgen reichen wird, bei der WM selbst dürfte nicht viel hinzugekommen sein.
Interesse des DFB an Dokumentation könnte erloschen sein – Bundesligist Hertha stoppte ähnliches Projekt
Neben der Frage, wer eine Dokumentation über das maximale Scheitern überhaupt sehen wollen würde, gesellt sich die Frage hinzu, ob der DFB überhaupt noch an einer Ausstrahlung interessiert ist. Ein Stopp, selbst wenn gewünscht, durch den DFB steht aber wohl außer Frage. Die Verträge mit dem Streaming-Anbieter sind schließlich geschlossen und Amazon wird die abschließende Produktion in eine Richtung lenken können, die die nötigen Abrufe herbeiführt. Zu sehen sein soll das Ganze übrigens ab Frühjahr 2023.
Das machen die DFB-Stars vom Sommermärchen 2006 heute
Der ein oder andere wird sich an eine geplante Dokumentation über Hertha BSC erinnern, deren Veröffentlichung gestoppt wurde. Dort hatte allerdings der damalige Investor Lars Windhorst vertraglich alle Zügel in der Hand und konnte damit die wohl für ihn ungünstige Produktion stoppen. Bei der DFB-Doku wiederum wird man sich jetzt für eine der vielen möglichen Schlussszenen entscheiden müssen. Möglicherweise wäre das schmallippige Bierhoff-Interview nach dem WM-Aus die plakativste Option. (sch)