Wuppertal
Wie kann Bewegung bei Schmerzen helfen?
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Forscher der Bergischen Uni möchten die Lebensqualität vieler Patienten verbessern.
Von Alexandra Dulinski
Wuppertal. Schmerz und Bewegung sind unweigerlich miteinander verbunden. Die Menge macht’s, weiß Fabian Tomschi. Er ist Arbeitsgruppenleiter der Gruppe Schmerz und Bewegung am Wuppertaler Lehrstuhl für Sportmedizin unter Leitung von Thomas Hilberg. Dort erforscht die Arbeitsgruppe, wie Bewegung und Schmerz zusammenhängen und wie Bewegung eingesetzt werden kann, um Schmerzen entgegenzuwirken.
Um zu verstehen, welche Art von Bewegung die beste ist, um das Schmerzerleben zu lindern, muss man verstehen, dass Schmerz immer ein subjektives Empfinden ist. „Daher versuchen wir, Schmerz über verschiedene Methoden zu objektivieren“, erklärt Fabian Tomschi. So messen die Wissenschaftler die Schmerzsensitivität und Schmerztoleranz. Mithilfe eines Druckalgometers üben sie mechanischen Druck auf eine bestimmte Körperstelle aus, der sich sekundenweise erhöht.
„Schmerzsensitivität ist der Zeitpunkt, an dem das Druckgefühl erstmalig in ein Schmerzerleben übergeht. Die Schmerztoleranz hingegen ist der Zeitpunkt, an dem der Schmerz subjektiv nicht mehr aushaltbar ist“, erklärt der Sportwissenschaftler. Gleiches könne auch über thermische Reize gemessen werden.
Bewegung kann Empfindsamkeit für Schmerz herabsetzen
Wie Bewegung die Schmerzsensitivität herabsetzen kann, erforschen die Wissenschaftler in verschiedenen Studien. So wird die Sensitivität vor und nach einem Belastungstraining gemessen. „Je intensiver die Belastung ist, desto höher scheint der Effekt auf die Schmerzsensitivität zu sein“, erklärt Tomschi. Sprich: Je größer die Anstrengung, desto schmerzunempfindlicher ist der Mensch unmittelbar im Anschluss an das Training.
Das Warum wird momentan noch erforscht. „Wir wissen aber, dass der Körper eigene Opioide produziert“, sagt Tomschi. Es sei davon auszugehen, dass der Körper bei größerer Anstrengung mehr „körpereigene Schmerzmittel“ ausschütte. Ein anderes Konzept lautet „Schmerz hemmt Schmerz“. Wenn beim Radfahren die Oberschenkel oder beim Laufen die Lunge brennen, werde die Aufmerksamkeit durch neuen Schmerz abgelenkt. Das Zwacken im Rücken wird zur Nebensache.
Was wird an der Bergischen Uni untersucht?
Der Lehrstuhl untersucht an der Bergischen Uni aber nicht nur das Schmerzempfinden, der Fokus liegt auch auf dem Einfluss von Bewegung und Sport auf seltene Erkrankungen, speziell die Hämophilie (Bluterkrankheit). Bei betroffenen Patienten ist die Blutgerinnung gestört: Blut gerinnt deutlich langsamer, Wunden schließen sich nur verzögert.
Es besteht aber ein weiteres Problem: „Bei unerwarteten Bewegungen, beispielsweise, wenn ein Patient umknickt, kann es zu Einblutungen in den Gelenken kommen“, erklärt Tomschi. Betroffen sind vor allem das Sprunggelenk, das Knie- und das Ellenbogengelenk.
Die Folge: Durch das Eisen im Blut kommt es zu Entzündungen – Knorpel, Knochen und Gelenkschleimhaut können angegriffen werden. „Diese Gelenkschädigungen führen zu Bewegungseinschränkungen und chronischen Schmerzen“, weiß der Sportwissenschaftler. Sport werde von den Patienten kaum noch gemacht, schon alltägliche Bewegungen wie das Wegbringen von Müll werden gemieden.
Was wollen die Wissenschaftler herausfinden?
Die Wissenschaftler wollen deshalb herausfinden, welche Art von Bewegung Hämophilie-Patienten helfen kann, wieder in Bewegung zu kommen und so die Lebensqualität zu verbessern. Dabei helfen unter anderem 3D-Bewegungsanalysen. Bei dieser Methode können die Wissenschaftler das Gangbild und die Haltung der Wirbelsäule untersuchen.
Auf einem Laufband werden dem Patienten Marker auf den Rücken geklebt, die eine Kamera erkennt. Sie filmt den Patienten beim Laufen. „Das Gangmuster vergleichen wir dann mit dem eines gesunden Menschen“, erklärt Tomschi. So könne unter anderem der Winkel zwischen Wirbeln und einzelnen Wirbelsäulenbereichen gemessen werden.
Das Ergebnis: Gangmuster und Haltung der Wirbelsäule weichen bei Hämophilie-Patienten ab, sagt Tomschi. Das könne durch eine Kompensationshaltung des Körpers geschehen, da schmerzhafte Bewegungen gemieden werden. Ebenso können durch zurückgebildete Muskeln Abweichungen bei Gang und Haltung auftreten. Eine ähnliche Analyse ist auch für den Fußdruck beim Abrollen des Fußes möglich.
Je mehr, desto höher ist die Gefahr für Einblutungen.
Die Sportwissenschaftler versuchen, den Sport für den Patienten so zu gestalten, dass er die Übungen sicher ausführen kann, ohne die bestehende Problematik zu verschlimmern. Denn Sport sei bei Hämophilie-Patienten ein zweiseitiges Schwert: Zwar sei Sport mit all seinen gesundheitsfördernden Effekten zu empfehlen, doch kann er bei unüberlegter Ausführung den Gelenken auch schaden. „Je mehr, desto höher ist die Gefahr für Einblutungen“, sagt Fabian Tomschi.
Eine Erkenntnis haben die Wuppertaler Wissenschaftler dabei schon gewonnen: „Wenn wir Druck bei Hämophilie-Patienten auf die Gelenke anwenden, reagieren sie deutlich sensibler“, sagt Tomschi. Die Forscher wollen ein Trainingsprogramm erstellen, das den Gang der Patienten wieder normalisiert. „Dann kompensieren sie weniger, bewegen sich mehr, haben weniger Schmerzen und die Lebensqualität erhöht sich“, fasst Tomschi das Ziel zusammen.