Moschee-Neubau
„Uns wird nichts aus der Türkei ins Ohr geflüstert“
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Wuppertal. Ersin Özcan und Mustafa Temizer vom Ditib-Vorstand äußern sich zum geplanten Moschee-Neubau in Wuppertal.
Das Gespräch führten Lothar Leuschen und Anne Palka
In den vergangenen Wochen wurde viel über den geplanten Moschee-Neubau an der Gathe diskutiert. Die Ditib-Gemeinde will das Gelände auf der anderen Straßenseite ihrer jetzigen Moschee entwickeln, die Räume sind zu klein geworden. „Es war manchmal schwierig, weil alle über Ditib gesprochen haben, aber niemand mit uns“, sagt der Vorsitzende Ersin Özcan. Er informiert zusammen mit Vorstandsmitglied Mustafa Temizer über den aktuellen Stand des Projekts.
Fangen wir mit dem Thema Ditib an. Sie ist eine staatsnahe Organisation. Wie ist das Verhältnis der Wuppertaler Ditib zur Türkei?
Ersin Özcan: Die Ditib in Wuppertal existiert schon seit 1981. Die Freitagsgebete werden alle hier in Deutschland verfasst. Da wird uns aus der Türkei nichts ins Ohr geflüstert. Zur Dachorganisation in Deutschland gehören circa 870 Moscheegemeinden. Dass der Vorstand vom Diyanet (Religionsbehörde in der Türkei, Anmerkung der Redaktion) kommt, ist uns allen klar, aber da sind auch Leute aus Deutschland ehrenamtlich tätig. Dass die Imame aus der Türkei bezahlt werden, ist uns auch klar, aber wir suchen da nach Lösungen. Die Ditib versucht, die Imam-Ausbildung in Deutschland zu platzieren. Wir reden über Theologie, das kann man nicht von heute auf morgen umsetzen. Wir hoffen, dass Imame, die in Deutschland ausgebildet wurden, in fünf, zehn Jahren in den Moscheegemeinden sind.
Mustafa Temizer: Die Imame sprechen auch ausschließlich theologische Themen an. Da wird nicht über Politik geredet, da wird nicht über Geld geredet, da wird keiner bespitzelt – das ist ja auch ein Vorwurf.
Özcan: Wenn der Imam kein Deutsch kann, wird das auf einer Leinwand übersetzt und durchgelesen. Wir haben nicht nur Leute, die aus der Türkei kommen.
In der Diskussion wurde zuletzt immer wieder angesprochen, dass auch innerhalb der Wuppertaler Gemeinde unterschiedliche Auffassungen gelten.
Temizer: Wir haben ungefähr 600 Mitglieder. Sie kommen nicht alle aus der Türkei, sondern auch aus Bosnien, dem Kosovo, Pakistan, Äthiopien.
Özcan: Unter den Leuten aus der Türkei haben wir AKP-Anhänger, also Erdogan-Anhänger, CHP-Anhänger, Kemalisten, Atatürk-Anhänger, welche, die sagen, sie möchten mit Politik gar nichts zu tun haben. Wären wir zu nah an Erdogan, würden wir diese Vielfalt von einem Tag auf den anderen verlieren.
Temizer: Es gibt einen Gebetsraum, da ist Politik tabu. Da hat weder Herr Erdogan noch Herr Scholz etwas in den Gesprächen zu suchen. Dann gibt es einen Vereinsraum, eine Etage darüber. Da wird über Politik gesprochen, über Sport, über aktuelle Themen.
Wie finanzieren Sie mit 600 Mitgliedern eine Investition von 30 Millionen Euro?
Temizer: Wir möchten ein Moscheegebäude haben, das nur als Moscheegebäude genutzt wird. Es wird vermutlich 3,5 bis 4 Millionen Euro kosten. Das soll über die Gemeinde finanziert werden. Die Finanzierung über Spenden läuft in Moscheegemeinden in ganz Europa identisch ab. Sobald der erste Bagger dort rollt, fangen sie an, die Werbetrommel zu rühren. Die Ditib-Moscheegemeinden in Deutschland klappert man ab, europaweit gibt es knapp 1200, dann erweitert man den Kreis. Die Grundstücke und Häuser, die wir schon gekauft haben, haben wir über zinslose Darlehen unserer Gemeindemitglieder finanziert. Manche haben ihren Jahresbeitrag freiwillig erhöht.
Özcan: Mit dem Bau wird sich auch die Spendenbereitschaft erhöhen. Wir mussten den Mitgliedern 14 Jahre lang erzählen: Bald. Nein, es dauert noch. Nächstes Jahr. Da hat man Euphorie verloren. Mit dem Zielbeschluss sieht man jetzt ein Licht am Ende des Tunnels. Von der Diyanet gibt es keinen Cent Unterstützung. Jeder Cent, der bei uns reinfließt, wird quittiert.
Temizer: Alle anderen Aktivitäten sollen in separaten Gebäuden neben der Moschee untergebracht werden: ein Kindergartenhaus, ein Studentenwohnheim, betreutes Wohnen, ein Ärztehaus. Wir haben uns Betreibermodelle angeschaut und mit Firmen gesprochen, die sich eine Investition vorstellen können. Die Pläne müssen aber weiterentwickelt werden, wir haben derzeit Entwürfe.
Wenn Sie einen Kindergarten und betreutes Wohnen anbieten, sind sie konfessionell gebunden?
Özcan: Da kann jeder hin. Wenn Caritas oder Diakonie dort investieren wollen, sind sie herzlich willkommen.
Temizer: Wir haben uns klar dafür entschieden, dass wir einen stadtteilbezogenen Kindergarten haben wollen, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Glauben. Da wird es ein ganz normales Anmeldeverfahren geben. Zum betreuten Wohnen haben wir so viele Anfragen, dass wir sie gar nicht decken können.
Özcan: Elternteile in einem Altersheim unterzubringen, passt nicht zu unserem Glauben. Aber wir müssen ganz ehrlich sein: Viele sind berufstätig und haben nicht die Zeit, die sie brauchen. Da ist betreutes Wohnen angebracht. Aber es soll nicht nur für Muslime sein. Jeder, der sich in dem Stadtteil wohlfühlt, ist herzlich willkommen.
„Im Gebetsraum haben weder Herr Erdogan noch Herr Scholz etwas in den Gesprächen zu suchen.“
Das Autonome Zentrum ist für Sie ein Problem: nur wegen des Gebäudes, das Sie brauchen, um Ihre Pläne umsetzen zu können, oder weil das AZ das AZ ist und die Menschen sind, wie sie sind?
Özcan: Wir haben mit dem AZ und den Personen, die sich da aufhalten, kein Problem. Das Grundstück brauchen wir. Wir reden über eine Religionsausübung, und daneben wird Party gefeiert. Das passt irgendwie nicht zusammen. Wenn wenigstens ein Abstand da wäre, wie heute, wäre das kein Problem. Wenn wir damit Probleme hätten, hätten wir unsere Räume, die ein paar Meter weiter liegen, nicht angeboten, als Gespräche geführt wurden.
Temizer: Die Gespräche waren sehr weit fortgeschritten. Die Gemeinde hat selbst ein Schallgutachten bezahlt. Das Problem war: Direkt daneben war ein Haus angebaut. Das schien ein Dorn im Auge zu sein. Die Gespräche waren 2017, irgendwann sind sie abgebrochen.
Die Moschee ist ein für Deutschland ungewöhnlicher Bau.
Temizer: Wir wissen, dass die Gathe in den letzten 30 Jahren leider einen Wandel erlebt hat von einer Ausgeh- in eine Spielhöllen-Meile. Aktuell sieht die Lage leider nicht so rosig aus. Die Klientel, die eine Gemeinde besucht, ist eine ganz andere als eine, die eine Spielhalle besucht. Teil des Neubaus soll eine kleine Einkaufsstraße sein. Das verdrängt hoffentlich diese Spielhallen. Dann ist die Hoffnung, dass dieses kriminelle Drumherum auch verschwindet. Es soll Wohnungen geben. Die Hoffnung ist natürlich, dass das Preisniveau der Mieten auf die Nachbarhäuser überspringt, dass Eigentümer investieren, dass dieser positive Effekt sich fortsetzt Haus für Haus.
Özcan: Es geht um unseren Stadtteil, in dem wir leben. Wir wollen dort weiterkommen.
Der Stadtrat hat den Zielbeschluss mehrheitlich befasst, aber das lokale Gremium, die Bezirksvertretung Elberfeld, hat dagegen gestimmt. Es gibt noch Zweifler. Wie wollen Sie die ins Boot holen?
Özcan: Indem wir im Gespräch bleiben. Wir werden Einladungen aussprechen, auch während der Bauphase werden wir den aktuellen Stand kommunizieren. Die Bezirksvertretung hat sich schon einmal damit beschäftigt. Beim zweiten Mal waren wir sehr überrascht. Nach den Gesprächen mit allen demokratischen Parteien haben wir ein positives Ergebnis erwartet.
Wenn jetzt alles läuft, wann steht die Moschee?
Temizer: Die nächste Aufgabe der Gemeinde ist es, einen Beirat aufzustellen. Wir wollen vor den Sommerferien klären, wie er sich zusammensetzt. Da soll Politik rein, von der Gemeinde Leute, Nachbarn. Damit jeder seine Ideen einfließen lassen kann. Und damit jeder erkennt, dass es ein tolles Projekt ist.
Özcan: Ich denke, dass es keine weiteren 14 Jahre dauern wird. Wir hoffen, dass wir Ende 2024 eine Baugenehmigung in der Hand haben.
Projekt
An der Gathe will die Ditib-Gemeinde eine Moschee mit soziokulturellem Zentrum bauen. Vor gut einer Woche hat der Stadtrat einen Zielbeschluss gefasst: Politik und Verwaltung stimmen dem Projekt im Grundsatz zu und wollen es weiter begleiten. Ein Konfliktpunkt ist die Suche nach einem Standort für das Autonome Zentrum.