Ökosystem

E-Scooter gefährden die Wasserqualität

Schmetterlinge der Meere werden die Nacktschnecken genannt. Grund sind ihre oftmals bunten Farben. Phyllodesmium ist ein eher farbloser Vertreter.
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Schmetterlinge der Meere werden die Nacktschnecken genannt. Grund sind ihre oftmals bunten Farben. Phyllodesmium ist ein eher farbloser Vertreter.

Was haben Meeresnacktschnecken mit E-Scootern im Rhein zu tun? Die Antwort steht im Text.

Von Alexandra Dulinski

Wwuppertal. Was haben Meeresnacktschnecken mit E-Scootern im Rhein zu tun? Die „Schmetterlinge der Meere“, wie die Tiere vielfach aufgrund ihrer bunten Farben genannt werden, können Einblicke in den Zusammenhang von Ökosystemen geben – die E-Scooter maßgeblich beeinflussen können.

Doch zunächst einmal zur Grundlage: Die Zoologen an der Bergischen Universität forschen an der Symbiose von Schnecken, Algen und Korallen. Eine Symbiose ist das Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Arten, die sich gegenseitig nutzen. So leben beispielsweise Korallen in einer Symbiose mit Algen. „Unser grobes Ziel ist es, zu verstehen, wie die Schnecken es geschafft haben, in Symbiose mit photosynthetischen Organismen zu leben und welche Vorteile sie daraus ziehen“, erklärt Gregor Christa, Vertretungsprofessor für Evolution und Biodiversität der Tiere. Diese Organismen betreiben Photosynthese in der Schnecke – das können zum einen einzellige Algen sein, zum anderen andere Korallen, deren Symbionten Photosynthese betreiben. „Bei Korallen weiß man, dass sie den Algen Nährstoffe wie Ammonium und Kohlendioxid liefern“, erklärt Christa. „Die Algen bedanken sich mit Zucker.“

Die Meeresnacktschnecken, die Gregor Christa und sein Team untersuchen, ernähren sich von ebenjenen Korallen – und nehmen dabei ihre Symbionten auf. „Die Schnecken sind quasi kleine Kleptomanen, diebische solarbetriebene Schnecken.“ Die Forscher wollen untersuchen, ob der Nährstoffaustausch bei den Schnecken genauso funktioniert wie bei den Korallen. „Und wir wollen wissen, wie lange sie ohne Nahrung überleben.“ Untersucht werden in der Hungerphase dann unter anderem Bakterienstämme. „Sie sagen viel über den Gesundheitszustand der Schnecke aus“, erklärt Doktorandin Corinna Sickinger.

Bis die Forscher mit den Tieren überhaupt arbeiten können, dauert es. Denn zunächst müssen es die Schnecken  in das Labor nach Wuppertal schaffen. „Zu Beginn heißt es: Ab ins Feld und Schnecken sammeln. Wir wissen, was wir suchen, wir wissen, was die Schnecken fressen, suchen erst die Nahrung und finden dann die Schnecken.“ Die Grüne Samtschnecke (Elysia viridis) stammt beispielsweise aus der Ostsee. Die Art Phyllodesmium briareum ist in den Tropen zu finden, beispielsweise in Indonesien. „Unsere Exemplare stammen aber aus einem Aquaristikgeschäft, wo sie als blinder Passagier angekommen sind“, erklärt Gregor Christa lachend.

Gregor Christa und Corinna Sickinger arbeiten im Labor mit Meeresnacktschnecken.

Bisher konnten die Biologen bereits Unterschiede zwischen den einzelnen Schneckenarten feststellen. „Die Art Berghia verdaut die Symbionten. Bei Phyllodesmium vermuten wir eine Art Schalter, der umgelegt wird, um Nährstoffe auszutauschen“, erklärt Gregor Christa. Dann würden Phyllodesmium Ammonium und Kohlendioxid an den Symbionten abgeben – genau wie die Koralle. „Das ist Evolution“, sagt Christa. Die Vermutung müssen die Biologen im Labor noch bestätigen.

Wie wirken sich Metalleauf Schnecken aus?

Und was haben die Symbionten nun mit den E-Scootern im Rhein zu tun? Corinna Sickinger untersucht den Einfluss von Metallen auf die Schnecken. Ihre Forschung ist Bestandteil des Projektes „Nachhaltige Chemie für Mensch und Umwelt“, an dem mehrere Fachgruppen beteiligt sind (siehe Kasten). Ihren Fokus hat die Doktorandin dabei auf Nickel und Cobalt gelegt. „In den Akkus von E-Scootern sind Nickel und Cobalt. Immer mal wieder landen die Scooter im Rhein. Wir wollen herausfinden, was passiert, wenn die beiden Stoffe im Wasser austreten“, erklärt sie. Im Labor stellen sie reale Bedingungen nach, legen Schnecken in Cobalt- beziehungsweise Nickelsalzlösungen ein. „Cobalt ist deutlich gefährlicher für die Tiere“, fasst Corinna Sickinger ein Ergebnis zusammen. Aber auch Nickel ende tödlich – wenn auch erst ein paar Tage später. Betroffen sind vor allem die Eier der Meeresnacktschnecken. „Die Entwicklung ist verlangsamt, mitunter schlüpfen die Tiere gar nicht“, erklärt sie. Bei Korallen sei bekannt, dass Nickel die Kalzifizierung, also die Ablagerung von Kalk, fördere. Bei der Schnecke könnte der Symbiont Grund für die bessere Verträglichkeit gegenüber Nickel sein.

Die Erkenntnisse aus dem Labor lassen sich auch auf andere Tierarten anwenden. „Bei Fischen wird es auch so sein, dass die erwachsenen Tiere Nickel und Cobalt besser wegstecken können“, sagt Sickinger. Und ergänzt: „Wenn schon Wirbellose mit geringen Konzentrationen Schwierigkeiten bekommen, wird das bei höheren Lebewesen auch der Fall sein.“ Aufmerksamkeit zu schaffen, sei das Ziel. „Niemand möchte einen nickelverseuchten Fisch essen“, fasst Corinna Sickinger zusammen.

In Zukunft wollen die Zoologen mithilfe fluoreszierender Stoffe nachvollziehen können, wohin die Metalle im Körper der Schnecke wandern – in den Symbionten, in ein Organ oder sie werden  ausgeschieden.

Projekt

An dem Projekt „Nachhaltige Chemie für Mensch und Umwelt“ sind neben den Zoologen auch die Botaniker, die Mikrobiologen, die Chemiker und Lebensmittelchemiker beteiligt. Die Forschung an Organismen wie diesen ist nur einer von drei Schwerpunkten des Projektes. Mehr dazu unter:

https://t1p.de/vhg2x

„Die Schnecken sind quasi kleine
Kleptomanen.“

Gregor Christa, Professor für Evolution und Biodiversität

Gregor Christa und Corinna Sickinger arbeiten im Labor mit Meeresnacktschnecken.

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