Wirtschaft
IHK-Präsident: Halbe Milliarde Investitionen auf Eis
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Unternehmen wollen eine halbe Milliarde Euro investieren - können aber wegen langer Bearbeitungszeit von Bauanträgen nicht starten. IHK-Präsident erzürnt - in Remscheid und Solingen sei es nicht besser.
Von Bernhard Romanowski
Wuppertal. Fehlendes Personal, unzureichende Digitalisierung und unvollständige Unterlagen der Antragsteller: Das sind laut Stadtverwaltung Wuppertal die Hauptgründe für die lange Bearbeitungszeit von Bauanträgen in Wuppertal. Das Thema stand mehrfach auf der Tagesordnung der zuständigen Ausschüsse des Stadtrats, in denen die Stadtverwaltung dazu Stellung nahm. Doch regt sich offenbar weiterhin Unmut darüber, dass man in Wuppertal für Bauanträge aller Art einiges an Geduld aufbringen muss.
„Es gibt eine ganze Reihe großer Wuppertaler Unternehmen, die bereit, willens und in der Lage sind, große Investitionen im Baubereich zu tätigen“, sagt etwa Henner Pasch, der Präsident der Bergischen Industrie- und Handelskammer (IHK). Der Solinger nennt keine Namen, definiert die Unternehmen aber als mittelständische, familiengeführte Betriebe. Das Investitionsvolumen beziffert Pasch schätzungsweise auf eine halbe Milliarde Euro insgesamt.
Pasch: In Remscheid und Solingen läuft es auch so
„Die Unternehmen bekunden ihren Willen zu bauen, reichen die Bauanträge ein, und dann vergeht erst einmal viel Zeit. Währenddessen steigen die Baukosten um 20 bis 30 Prozent“, kritisiert Pasch. Wobei er ergänzt, dass es in Remscheid und Solingen genauso laufe.
„Man hat es offenkundig mit verwaltungstechnischen Unzulänglichkeiten, gepaart mit einer Laissez-faire-Haltung nach dem Motto ,Ja, dann ist es halt so‘, zu tun. Was ist das für ein Selbstverständnis als dienstleistende Organisation? Für mich ist das ein Offenbarungseid“, sagt Pasch hörbar erzürnt im Gespräch mit unserer Zeitung.
„In der Unternehmerschaft brodelt es jedenfalls.“
Das wirtschaftliche Fortkommen der Städte werde auf diese Weise behindert, und die laut Pasch durchaus vorhandene Bereitschaft, in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren, werde auf eine harte Probe gestellt. Pasch kommt auch auf das Bauaktenarchiv zu sprechen, das noch nicht digitalisiert ist. Der IHK-Präsident sieht es als notwendig an, das Archiv schnellstmöglich für alle, also auch für die Bürger, zugänglich zu machen.
„In der Unternehmerschaft brodelt es jedenfalls, und es ist mir unbegreiflich, wie die Politik das einfach so hinnehmen kann.“
Warten auf Baugenehmigungen: Was sind die Gründe?
Dazu hat unsere Zeitung auch Ludger Kineke angesprochen, der der Wuppertaler CDU-Fraktion im Stadtrat und dem Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Nachhaltigkeit vorsitzt. „Der CDU-Fraktion ist diese Angelegenheit sehr wichtig. Deshalb hat sie im letzten Quartal mehrere aufeinander aufbauende Anfragen zu der Thematik gestellt.“ Die CDU-Fraktion sei im Analyseprozess und wolle das Thema in Zukunft weiter zielführend voranbringen.
„Aus unserer Sicht ist eine deutliche Verbesserung der Abläufe unbedingt erforderlich. Für die Bürger ist es nicht zumutbar, auf derart lange Verfahrensdauern verwiesen zu werden. Sicherlich spielt hier auch die aktuelle Personalproblematik, die wir in vielen Teilen der Stadt wahrnehmen, eine nicht zu unterschätzende Rolle.“ Die Personalfrage werde in den anstehenden Haushaltsverhandlungen deshalb einen entsprechenden Raum einnehmen.
Wuppertals FDP-Fraktionschef Alexander Schmidt sieht erste ernsthafte Bemühungen der Verwaltung, die Mängel zu beheben: „Die Stadt stellt eigens zwei Leute ein, die eine Zugangsprüfung der Bauanträge machen und sofort rückmelden, wenn noch Unterlagen beizubringen sind.“ Allerdings müsse die Stadt eine Vertretungsregelung für krankheitsbedingt ausfallende Mitarbeiter finden. Schmidt: „Die Bearbeitung der Bauanträge ist noch nach Bezirken gegliedert. Wenn etwa der Ronsdorf-Bearbeiter krank ist, bleibt so ein Antrag schon mal vier Wochen liegen.“
SPD-Mitglied Servet Köksal ist Vorsitzender im Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen. „Es wäre eine Vereinfachung, die Zuspitzung vorrangig auf die ausbaubedürftige Personalkapazität zu reduzieren“, sagt er. Er sieht ein anderes ursächliches Problem. „Ein großer Mangel besteht bei der Interaktion der Vielzahl von Beteiligten im Genehmigungsverfahren. Hier ist Führung und Stringenz gefragt, die ich leider in Wuppertal vermisse“, so Köksal.
Und weiß er auch, wie Abhilfe zu schaffen wäre? „Ein guter Anfang wäre eine ideologiefreie und kritische Selbstreflexion der Verwaltungsspitze, damit sie ihr Handeln im Baubereich so ausrichtet, dass wirtschaftliche Interessen mit den Bedürfnissen der Menschen und den Klimaschutzzielen zeitgemäß in Einklang gebracht werden“, sagt Köksal und berichtet: „Leider erhalten wir regelmäßig Beschwerden, dass die Notwendigkeit hierfür nicht im Verwaltungshandeln sichtbar ist.“ Dies durch klare Zielsetzungen zu ändern, sei Aufgabe des Oberbürgermeisters und des zuständigen Beigeordneten, so Köksal. „Sofern der Wille da ist.“
114 Tage Warten - das sagt die Stadtverwaltung
Die Nettobearbeitungszeit für die Bauanträge betrage im Schnitt 114 Tage, und zwar im vereinfachten Verfahren wie auch im Vollverfahren, so die Antwort der Fachabteilung auf eine der Fragen der CDU-Fraktion. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Zahl der Alt-Vorgänge mit Bearbeitungszeiten zum Teil deutlich über einem Jahr die durchschnittliche Nettobearbeitungszeit beeinflusse.
Problem: Uralt-Akten aus Preußen oder mit Reichsadler
Das Problem sei die Altaktendigitalisierung, wie der Beigeordnete Arno Minas zuletzt im Bauausschuss sagte. Akten mit Reichsadler oder preußischen Insignien seien keine Seltenheit, so Minas zur Datenlage. Außerdem seien weniger als 50 Prozent der eingereichten Bauanträge im ersten Anlauf vollständig, so Bauressortleiter Jochen Braun im Oktober.
In der Wuppertaler Denkmalschutzabteilung wird laut deren Leiter Florian Schrader wegen der vielen historisch bedeutsamen Liegenschaften die dreifache Menge an Fällen bearbeitet.