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Betrug mit Fernwärme? Wuppertaler Stadtwerke reagieren auf schwere Vorwürfe
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Wuppertal. Nach einem Bericht des ARD-Magazins „Plusminus“ ist die Berechnung des Fernwärme-Preises in Wuppertal illegal.
Von Anne Palka
Der Fernwärmepreis der Wuppertaler Stadtwerke steht in der Kritik. Anwalt Werner Dorß, spezialisiert auf Energierecht, sagt im ARD-Magazin Plusminus, dass es „deutliche Verdachtsmomente in Richtung von gewerbsmäßigem Betrug“ gebe, „vor dem Hintergrund der staatlichen Förderung aus Steuermitteln zeigt die Richtung in den Verdacht Subventionsbetrug“. Er bezieht sich auf die Preisbremse, mit der die Bundesregierung den Preis für eine Kilowattstunde Fernwärme rückwirkend ab Januar auf 9,5 Cent deckelt. Die Wuppertaler Staatsanwaltschaft prüfe nun, ob ein Anfangsverdacht für diese Tatvorwürfe vorliegt, sagt Sprecher Wolf-Tilman Baumert.
Die Wuppertaler Stadtwerke weisen die Vorwürfe zurück. Die Gesetzgebung und Rechtsprechung seien beachtet worden, als die Formel für den Fernwärmepreis festgelegt wurde, sagt Andreas Brinkmann, der den Geschäftsbereich Absatzmanagement Geschäftskunden leitet. Mehrere namhafte Fachjuristen hätten die WSW beraten.
Der Preis wird auf der Grundlage von Gas berechnet
Der Wuppertaler Thomas Brix hat für die Fernwärme seines größeren Miethauses früher etwa 9000 Euro Fernwärme gezahlt, für das Jahr 2023 rechnet er – ohne den Preisdeckel – mit rund 50.000 Euro. Der Fernwärmepreis setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Der Arbeitspreis ist innerhalb von zwei Jahren, von Januar 2021 bis Januar 2023, von gut 4 auf 46,35 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Weil die Bundesregierung den Preisdeckel auf 9,5 Cent festgesetzt hat, wird die Differenz von 36,85 Cent übernommen – für 80 Prozent des Verbrauchs des Vorjahres. Für sein Haus schätzt Thomas Brix die Subvention auf 30.000 Euro. „Ich bin Steuerzahler, ich muss das mittragen und mitbezahlen, kann aber in keinster Weise nachvollziehen, ob diese Preisdifferenz wirklich gerechtfertigt ist.“
Energie-Anwalt Werner Dorß sagt, dass es der Fernwärme-Verordnung und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerspreche, dass die Stadtwerke in der Preisformel zu 100 Prozent einen Börsenpreis für Gas verrechnen, während sie 90 Prozent der Fernwärme aus dem Müllheizkraftwerk kommen. Außerdem sei der Gaspreisindex intransparent und schwierig verständlich. Auch das widerspreche der Verordnung. Die ARD-Journalisten fassen zusammen: „Ein sehr teurer Wärmepreis, den der Staat subventioniert. Errechnet mit Verstößen gegen die Fernwärme-Verordnung und einem Brennstoff, der schwerpunktmäßig gar nicht eingesetzt wird.“
Die Preisformel sei in einer Zeit entwickelt worden, in der der Gaspreis niedrig war, erklärt Jeannine Böhrer-Scholz, Leiterin der WSW-Konzernkommunikation. Ein sinkender Preis konnte schnell an die Kunden weitergegeben werden. „Die Formel war über Jahre ein großer Vorteil, jetzt ist sie ein extremer Nachteil. Das ist uns bewusst, und wir arbeiten daran, das zu ändern.“ Als erste Maßnahme haben die WSW im dritten Quartal 2022, bevor die Preisbremse kam, selbst einen Rabatt gewährt. Und Anfang 2024 soll es eine neue Preisformel geben. Es werde diskutiert, neben dem Gaspreis auch andere Indizes zur Berechnung zu nutzen, und den Rhythmus der Neuberechnung zu ändern.
Bei den WSW wird der Preis immer zum 1. Januar und 1. Juli neu berechnet. Derzeit sei schon grob absehbar, dass eine Kilowattstunde in der zweiten Jahreshälfte rund 23 Cent kosten wird. Damit sinkt die Differenz zum Preisdeckel von 9,5 Cent. In die Berechnung fließen die Gaspreise der Monate November bis April ein, sodass die Fernwärme noch teurer ist als vor dem Krieg, obwohl Gas mittlerweile wieder auf diesem Niveau angekommen ist. Bleibt das so, wird sich das bei der folgenden Berechnung auch beim Preis der Fernwärme zeigen.
Die jetzige Formel mit dem sechsmonatigen Rhythmus habe den Vorteil, dass der Preis nun auch relativ schnell wieder sinkt, erklärt Andreas Brinkmann. Dass sie nun geändert wird, sei der Wunsch von Kunden. Je nach Zusammensetzung der Formel und der Marktlage, die schwierig vorherzusehen ist, kann sich das im Vergleich zu anderen Varianten positiv oder negativ auswirken. Es sei nicht sinnvoll gewesen, die Formel nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine schneller zu verändern, sagt Jeannine Böhrer-Scholz, um den Preis nicht auf einem höheren Niveau festzusetzen.
Die Stadtwerke hätten Informationen zu den Preisen und ihrer Berechnung auf ihrer Internetseite, außerdem einen Mustervertrag, sagt Andreas Brinkmann. Wenn sich der Preis nach sechs Monaten ändert, werde das in einem Anschreiben an die Kunden erklärt. Den Vorwurf der Intransparenz weist er zurück.
Wie viel staatliche Energie-Subvention letztlich nach Wuppertal fließt, lasse sich noch nicht sagen, so Andreas Brinkmann. Es werde schon ein großer Betrag sein – den die Stadtwerke aber auch benötigten, um ihre Kosten zu decken. „Sogenannte Übergewinne entstehen bei uns nicht. Das wird man auch im Jahresabschluss sehen.“