Finanzen

Doppelbesteuerung bei der Rente droht? Was Sie jetzt tun können, um es zu vermeiden

Wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2002 musste die Besteuerung von Renten überarbeitet werden.

Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2002 musste die Besteuerung von Renten überarbeitet werden. Durch die Überarbeitung kann es aber zu einer unberechtigten doppelten Versteuerung kommen.

Warum wurde eine Neuregelung zur Besteuerung der Renten notwendig?

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit der Klage eines Beamten auseinandersetzen müssen, der auf eine niedrigere Steuer geklagt hatte. Während Beamte ohne eigene Beitragsleistung später ihre Versorgungsbezüge erhalten und diese deshalb voll versteuern müssen, wurde bei gesetzlichen Rentnern nur ein geschätzter Kapitalertrag aus den eingezahlten Beträgen der Besteuerung unterworfen. Dieses sei eine Ungleichbehandlung, fand der Beamte und die Verfassungsrichter folgten dieser Ansicht. Zwar stellten sie nicht fest, dass der Beamte nun weniger Steuern bezahlen müsste, aber dass die anderen gesetzlichen Rentner zukünftig einen höheren Betrag zu versteuern hätten. Unberücksichtigt blieb aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts dabei ausdrücklich auch, dass Beamte mit bis zu 71,75 Prozent der letzten Bezüge eine vielfach höhere Altersversorgung haben als gesetzliche Rentner. Eine deshalb gerechtfertigte niedrigere Besteuerung der gesetzlichen Rentner wäre zwar möglich, aber nicht erkennbar vom Gesetzgeber umgesetzt.

Um eine Doppelbesteuerung bei der Rente zu vermeiden, sollte man handeln.

Wie wurde die Rentenbesteuerung neu geregelt?

Die Neuregelung der Rentenbesteuerung sah nun vor, dass gesetzliche Renten grundsätzlich der vollen Besteuerung unterliegen sollten. Das ist aber nur dann möglich, wenn die Beiträge zur Rente vorher von der Steuer abgesetzt werden dürfen, denn sonst würde eine Doppelversteuerung vorliegen. Nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer den Beitrag aus versteuertem Geld bezahlt hätte und dann die Rente noch einmal in voller Höhe versteuern müsste. Deswegen sah die Neuregelung der Besteuerung der gesetzlichen Rente einen Übergang vor. Seit 2005 wurden Renten mit 50 Prozent des Rentenbetrags versteuert. Dieser Anteil sollte jedes Jahr um weitere 2 Prozent bis zum Jahr 2020 ansteigen und danach jährlich um 1 Prozent, bis zum Jahr 2040 eine volle Besteuerung der Rente erreicht würde. Gleichzeitig wurde der abzugsfähige Anteil der eigenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erhöht. Ab dem Jahr 2012 durften 74 Prozent der selbst getragenen Beiträge von der Steuer abgesetzt werden. Dieser Prozentsatz stieg jährlich um 2 Prozent, bis im Jahr 2025 die völlige Abzugsfähigkeit erreicht werden sollte.

Wie kann es zu einer mehrfachen Besteuerung kommen?

An sich ist es schlichte Mathematik, auszurechnen, ob letztlich tatsächlich nur Rentenbeträge versteuert werden, die vorher auch keiner Besteuerung unterlagen. Das Problem dabei ist, dass man erst im Falle des Ablebens einer Person genau berechnen kann, ob dies der Fall wäre. Expertenberechnungen zufolge wird die Wahrscheinlichkeit einer Doppelbesteuerung ab dem Renteneintrittsjahr 2040 aber immer größer. 

Dabei hat die Finanzverwaltung zuerst versucht, eine Doppelbesteuerung rechnerisch auszuschließen, indem sie einen Trick angewendet hat. So hat sie den sogenannten Grundfreibetrag, der jedem Steuerpflichtigen, also auch Pensionsbeziehern, zusteht, als steuerfreien Rentenbezug gerechnet. Diese Rechenweise hat aber nicht einmal der Bundesfinanzhof durchgehen lassen, der sich bereits erneut mit der Rentenbesteuerung befassen musste. Er hat klargestellt, dass eine Doppelversteuerung hinsichtlich der konkreten Beträge ausgeschlossen sein muss und nicht über eine Freistellung, die allen Steuerpflichtigen zusteht, erreicht werden kann.

Wie hat die Bundesregierung reagiert?

Nachdem der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 19.5.2021 (X R 33/19) auch Grundlagen für eine Berechnung aufgestellt hat, wie eine Doppelbesteuerung geprüft werden soll, hat die Bundesregierung die Stellschrauben zur Abzugsfähigkeit der Beiträge zur Rentenversicherung geändert. Bereits ab dem Jahr 2023 sind die selbst entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung voll von der Steuer abzugsfähig. Auch wurde die spätere volle Besteuerung der Rente zeitlich gestreckt, sodass erst ab 2060 die Renten voll versteuert werden müssen und der Anstieg des steuerpflichtigen Teils gedämpft wird.

Was muss ich unternehmen, um einer Doppelbesteuerung zu entgehen?

Zwar wurden Maßnahmen von der Bundesregierung ergriffen, um einer Doppelbesteuerung entgegenzuwirken, dennoch ist davon auszugehen, dass in vielen Fällen eine teilweise Doppelbesteuerung weiterhin droht. Gegen diese kann man sich aber erst wenden, wenn der Rentenbezug beginnt. Bis dahin wird sicher auch das Bundesverfassungsgericht ein weiteres Mal über die Rentenbesteuerung geurteilt haben, da das Urteil des Bundesfinanzhofs den Kläger nicht zufriedenstellte und er Klage dagegen eingereicht hat. Eine grundsätzliche Problematik bleibt dabei aber immer am Steuerpflichtigen hängen. Es ist nämlich so, dass ein Steuerpflichtiger später nachweisen muss, dass eine Doppelbesteuerung vorliegt. Dabei wird nicht nur eine umfangreiche Rechenleistung nötig sein, sondern schlicht die Tatsache, dass er beweisen muss, welche Beiträge er überhaupt geleistet hat und wie diese steuerlich berücksichtigt wurden. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige für diese Überprüfung sämtliche Steuerbescheide vorlegen muss. Das Finanzamt hebt diese nicht auf und wurde dazu bisher auch nicht verpflichtet. Ohne die Vorlage aller betreffenden Steuerbescheide wird ein Vorgehen gegen eine Doppelbesteuerung aber nicht möglich sein. Es ist also dringend anzuraten, alle Steuerbescheide über sämtliche Jahre gut aufzubewahren.

Rentenmärchen: „Die Rente kommt doch automatisch“ – neun Mythen, die über das Gehalt im Ruhestand kursieren

Zu sehen sind mehrere Senioren, die auf einer Bank sitzen.
Wenn die Rente bevor steht, dann kommen viele Fragen auf. Wie lange muss man gearbeitet haben? Wie wird die Rente versteuert? Das sind nur wenige Fragen, die Sie sich vielleicht stellen. Hier bekommen Sie die Antworten.  © Imago
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Mythos 1: Die Rente kommt automatisch. Das ist nicht der Fall. Man muss die Rente bei der gesetzlichen Rentenversicherung frühzeitig schriftlich beantragen.  © Birgit Reitz-Hofmann/Imago
Ein Senior verdient sich neben seiner Rente etwas dazu.
Mythos 2: Neben der Rente darf man unbegrenzt dazuverdienen. Das stimmt nicht, eine Grenze gibt es. Wer früher in Rente geht oder erwerbsunfähig ist, kann bis zu 6300 Euro im Jahr dazuverdienen. Verdient man mehr, kann das auf die Rente angerechnet werden.  © Imago
Zu sehen ist eine Tastatur mit einer Tastatur und einem grünen Post-It. Darauf steht „Mein letzter Arbeitstag“.
Mythos 3: Die Höhe der Rente setzt sich aus den letzten Arbeitsjahren zusammen. Das stimmt so nicht. Die Rentenhöhe berechnet sich aus dem gesamten Versicherungsleben.  © O. Diez/Imago
Zu sehen ist ein älterer Mann auf einer Sportmatte. Er sitzt und neben ihm liegen Kurzhanteln.
Mythos 5: Ein Reha-Aufenthalt mindert die Rente. Dieser Mythos stimmt nicht. Das Gegenteil ist der Fall. In der Rehabilitation werden die Pflichtbeiträge zu 80 Prozent des vergangenen Bruttolohns von der Rentenversicherung gezahlt. Das erhöht den späteren Rentenanspruch.  © Hodei Unzueta/Imago
Zu sehen ist ein Antrag auf Hinterbliebenenrente, darauf liegt Geld.
Mythos 6: Nur Frauen haben Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Das stimmt nicht. Zwar ist die Witwenrente bekannter, aber auch Männer erhalten Witwerrente. Seit 1986 sind Männer und Frauen in der Rentenversicherung gleichberechtigt.  © Sabine Brose, Frank Sorge/Imago
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Mythos 7: Nach 45 Jahren im Beruf kann man schon mit 63 Jahren in Rente gehen. Das stimmt nur zum Teil. Wer so lange im Berufsleben war, der kann grundsätzlich früher in Rente gehen. Allerdings verschiebt sich das Renteneintrittsalter je nach Geburtsjahr nach hinten.  © Imago
Zu sehen ist jemand, der am PC arbeitet.
Mythos 8: Einen Rentenanspruch hat erst jemand, der 15 Jahre gearbeitet hat. Das ist falsch. Die Mindestversicherungszeit für die Regelaltersrente beträgt fünf Jahre.  © Rüdiger Wölk/Imago
Zu sehen ist eine alte Frau, die ein Heft vor sich liegen hat. Sie schaut ihre Katze an.
Mythos 9: Die Rente muss nicht versteuert werden. Das ist falsch. Grundsätzlich muss eine Einkommens- bzw. Lohnsteuer auf die Rente gezahlt werden. Das Geld wird derzeit nicht voll versteuert. Der Prozentsatz ist abhängig vom Renteneintritt.  © Imago
Zu sehen ist eine Deutschlandkarte, darauf sind Balken zu sehen.
Mythos 10: Wenn man Ostrente bezieht und in den Westen umzieht, bekommt man Westrente. Das stimmt nicht. Die Altersrente wird einmal anhand der Entgeltpunkte errechnet, die am Beschäftigungsort erworben wurde. Der Wohnsitz spielt dabei keine Rolle. Auch für Rentenerhöhungen ist der Wohnortswechsel unerheblich.  © Imago

Was sagt die Politik zu dieser Vorgehensweise?

Das hier bereitete Chaos wurde von der Politik und der Finanzverwaltung sehenden Auges herbeigeführt. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zur geänderten Rentenbesteuerung gab es zahlreiche Expertenmeinungen, die von einer möglichen Doppelbesteuerung der Rente ausgingen, worauf der Bund der Steuerzahler verweist. Kein Wunder also, dass es viele Bürger als unanständig empfinden, dass dem Steuerpflichtigen doppelt in die Tasche gegriffen werden könnte. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und ausgebildete Steuerberater, Markus Herbrand, formulierte in einer Stellungnahme seine Entrüstung am deutlichsten: „Es ist aus Sicht von uns Freien Demokraten eine Unverschämtheit, dass die Rentnerinnen und Rentner den Beweis einer Doppelbesteuerung erbringen müssen und nicht vonseiten der Behörde nachgewiesen werden muss, dass ebendiese verfassungswidrige Doppelbesteuerung nicht vorliegt.“

Auf Anfrage erklärte ein Sprecher des FDP-geführten Bundesfinanzministeriums: „Die Vermeidung und Beseitigung einer ‚doppelten Besteuerung‘ von Renten aus der Basisversorgung ist ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wurde bereits die erste diesbezügliche Vereinbarung im Koalitionsvertrag umgesetzt, der Entfall der prozentualen Begrenzung des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen ab dem Jahr 2023. Derzeit werden die weiteren erforderlichen Anpassungen konzipiert. Leitgedanke ist dabei, auf eigeninitiatives Tätigwerden sowie Darlegungserfordernisse seitens der Steuerpflichtigen weitestgehend zu verzichten.“

Bis aber vielleicht einmal eine Änderung erfolgt, bleibt die klare Empfehlung, alle Steuerbescheide aufzubewahren. 

Rubriklistenbild: © Maskot/Imago

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