Umstrittener Beschluss
Verfassungsschutz bekommt mehr Kompetenzen: Messenger-Dienste dürfen künftig überwacht werden
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Trotz viel Kritik aus der Opposition: Der Verfassungsschutz bekommt mehr Rechte eingeräumt. Im Einzelfall sollen Kommunikationen über Messenger-Dienste überwacht werden dürfen.
Berlin - Nun ist es offiziell: Der Inlandsgeheimdienst bekommt mehr Rechte zum Zugriff auf die Telekommunikation. Die entsprechende Novelle des Verfassungsschutzgesetzes passierte an diesem Donnerstag (10. Juni) den Bundestag. Es gab 355 Ja-Stimmen, 280 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen. Vertreter von Union und SPD verteidigten die Pläne gegen scharfe Kritik der Opposition.
Im Klartext bedeutet, das, dass der Verfassungsschutz künftig Kommunikation über WhatsApp und andere verschlüsselte Messenger-Dienste mitlesen darf - falls eine entsprechende Anordnung im Einzelfall erteilt wird. Der Verfassungsschutz, das Bundesinnenministerium und die Innenpolitiker der Unionsfraktion hatten argumentiert, damit wäre der Inlandsgeheimdienst mit seinen Möglichkeiten bloß wieder auf dem Stand angekommen, auf dem er vor der Erfindung von Internet und Mobilfunk war. Damals genügte es, Festnetztelefone abzuhören.
Verfassungsschutz bekommt mehr Kompetenzen: „Extremisten telefonieren nicht mehr“
„Extremisten und Terroristen telefonieren nicht mehr miteinander, schreiben sich keine SMS-Nachrichten, sondern kommunizieren verschlüsselt über Messenger-Dienste“, sagte der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte erst am Vortag per Twitter deutlich gemacht, dass sie die Reform ablehnt.
Die Reform war in der Koalition sehr umstritten. Ein erster Entwurf war den anderen Ministerien bereits im März 2019 zur Stellungnahme übersandt worden. Damals sah er für die Geheimdienste auch noch die Erlaubnis für „Online-Durchsuchungen“ vor. Darunter versteht man den verdeckten Zugriff auf Computer, Smartphones und andere IT-Geräte, deren Daten dann ausgelesen werden können. Dieser Passus wurde auf Druck der SPD gestrichen.
Umstrittener Beschluss: Opposition sieht weitreichenden Eingriff in die Bürgerrechte
Oppositionsvertreter kritisierten die Reform als zu weitreichenden Eingriff in Bürgerrechte. André Hahn von der Linken nannte die Neuerungen verfassungswidrig, Konstantin von Notz (Grüne) „hochproblematisch“. Scharfe Kritik gab es insbesondere an der Nutzung von IT-Sicherheitslücken, sogenannten Staatstrojanern. „Ihre Sicherheitspolitik ist selbst ein Sicherheitsrisiko“, sagte der FDP-Politiker Stephan Thomae dazu. Kriminelle könnten diese Schwachstellen nutzen, um Firmen zu erpressen und Identitäten zu stehlen, und auch ausländische Nachrichtendienste könnten damit spitzeln.
Durch die Reform werden zudem die Hürden für die Beobachtung von Einzelpersonen durch den Verfassungsschutz gesenkt. Damit zieht die Bundesregierung Konsequenzen aus den rechtsextrem motivierten Terroranschlägen in Halle und Hanau. Beide Anschläge waren von Tätern verübt worden, die nach bisherigen Erkenntnissen keiner Gruppierung angehörten. (nema mit dpa)
In Sachsen weitet sich unterdessen ein Verfassungsschutz-Skandal aus. Es sollen illegal Informationen über Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) gespeichert worden sein.