Babiš sorgt sich um Zeman

Zwei Populisten - ein unwahrscheinliches Team: Tschechien erlebt vor der Wahl Turbulenzen

Miloš Zeman und Andrej Babiš bei einem gemeinsamen Auftritt im Jahr 2019.
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Miloš Zeman und Andrej Babiš bei einem gemeinsamen Auftritt im Jahr 2019.

Kurz vor der Wahl in Tschechien ist Präsident Zeman erkrankt. Er könnte eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung bekommen - auf für Außenstehende überraschende Weise.

  • Tschechiens Staatspräsident Miloš Zeman ist am 14. September in ein Prager Krankenhaus eingeliefert worden.
  • Zeman fiel in der Vergangenheit durch seine prorussischen Aussagen auf. Nach der Parlamentswahl am 8./9. Oktober könnte er erheblichen Einfluss auf die Regierungsbildung nehmen.
  • Der Präsident unterhält ein für ausländische Betrachter womöglich überraschendes Bündnis mit dem Rechtspopulisten Andrej Babiš.

Prag - Nicht nur Deutschland wählt im Herbst ein neues Parlament*: Auch im Nachbarland Tschechien* steht ein Urnengang an. Dabei geht es nicht zuletzt um das Schicksal des Rechtsaußen-Regierungschefs Andrej Babiš. Und ausgerechnet jetzt, drei Wochen vor dem Wahltag, kämpft ein wichtiger Protagonist der tschechischen Politik mit gesundheitlichen Problemen.

Der seit 2013 amtierende tschechische Präsident Miloš Zeman wurde am Dienstag, den 14. September in das zentrale Militärkrankenhaus in Prag eingeliefert. Zeman, der am 28. September 77 Jahre alt wird, leidet unter einer Neuropathie der unteren Gliedmaßen. Aufgrund der Erkrankung nutzt er auch seit Anfang 2021 einen Rollstuhl. Die Sprecherin des Krankenhauses, Jitka Zinke, bestätigte tschechischen Medien die Einlieferung Zemans, gab aber keine Auskunft über die gesundheitlichen Hintergründe der Behandlung. Das Büro des Präsidenten gab mittlerweile bekannt, dass Zeman im Krankenhaus untersucht wurde und wahrscheinlich in wenigen Tagen wieder seinen Pflichten nachgehen kann. Warum aber ist Zeman so wichtig für die Wahl?

Tschechien erlebt vor der Wahl turbulente Tage: Präsident Zeman erkrankt - ein hoch umstrittener Politiker

Miloš Zeman, der einer kleinen Linkspartei (SPOZ) angehört, die sich 2009 von den tschechischen Sozialdemokraten abgespalten hat, ist der erste direkt gewählte Präsident des Landes, seit 2013 eine Reform in Kraft getreten ist. Zuvor war der Staatspräsident von den beiden Kammern des tschechischen Parlaments gewählt worden. Die Befugnisse des tschechischen Staatsoberhaupts sind ausgesprochen umfangreich und beinhalten neben der Oberbefehlsgewalt über die Streitkräfte auch exekutive Aufgaben.

In der tschechischen Politik ist Zeman kein Unbekannter, da er bereits von 1998 von 2002 tschechischer Premier war. Damals gehörte er noch den Sozialdemokraten an. Schon zu Anfang seiner Amtszeit im Jahr 2014 hatte Zeman viele Tschechen und auch ausländische Beobachter irritiert: Er wertete den Konflikt in der Ukraine nicht als russische Invasion, sondern als Bürgerkrieg zwischen zwei Gruppen von Ukrainern.

„Wenn Sie den Bürgerkrieg in der Ukraine meinen, dann ist es vor allem notwendig, ihn wahrheitsgemäß zu benennen und ehrlich zu sagen, dass es sich wirklich um einen Bürgerkrieg handelt. Natürlich könnte es auch zu einer russischen Invasion kommen, aber in diesem Stadium ist es ein Bürgerkrieg zwischen zwei Gruppen von Ukrainern“, sagte Zeman im September 2014. Auch Russland hat übrigens gerade erst gewählt.

Tschechien: Präsident Zeman erkrankt - Amtsenthebungsverfahren im Frühjahr

Doch nicht nur diese, sondern auch andere eigenmächtig gemachte außenpolitische Aussagen des Präsidenten haben für Unruhe gesorgt. Zeman bat etwa im März 2021 um die chinesische Coronaimpfung in Peking. Vorher hat der Präsident schon bei den russischen Herstellern angefragt. Wie sich herausstellte, war der damalige Gesundheitsminister Jan Blatný zu diesem Zeitpunkt strikt gegen die Anwendung der Präparate, da sie noch keine Zulassung von der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hatten.

Doch auch wenn Zeman in seiner ersten Amtszeit als Präsident zumindest in den Augen der Politikexperten und Beobachter nicht gut abgeschnitten hat, so gelang ihm doch die Wiederwahl im Jahr 2018. Seine zweite Amtszeit wird regulär im Jahr 2023 enden.

Im Frühjahr hatte der tschechische Senat eine Amtsenthebung Zemans auf den Weg gebracht. Die Kommission für auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Sicherheit in der Zweiten Parlamentskammer warf dem Präsidenten vor, die Sicherheit des tschechischen Staates zu gefährden. Der für eine prorussische Haltung bekannte Zeman hatte zuvor öffentlich infrage gestellt, dass 2014 russische Agenten hinter der Explosion im Munitionsdepot in Vrbetice steckten. Russland-Beziehungen eines Vertrauten brachten Zeman zuletzt offenbar sogar ins Visier des eigenen Geheimdienstes. Zugleich ist er ein politischer Anker für Premier Babiš.

Tschechien-Wahl: Wäre ohne Zeman ein Premier wie Babiš überhaupt möglich?

Denn der Präsident und der ebenfalls dem Populismus zugeneigte Premierminister Andrej Babiš sind ein ungewöhnliches politisches Gespann der tschechischen Politik. „Die Beziehung zwischen Präsident Miloš Zeman und Premierminister Andrej Babiš ähnelt eher einer Abhängigkeit als einer Zusammenarbeit und es scheint, dass Premierminister Babiš mehr vom Präsidenten abhängig ist und ihn mehr braucht als umgekehrt”, meint Szczepan Czarnecki vom Institute of Central Europe.

Zeman hat auch mehrfach politischen Druck auf Babiš ausgeübt. Auf diese Weise erreichte er zum Beispiel die Entlassung des Gesundheitsministers Jan Blatný, der das russische Vakzin Sputnik V nicht einsetzen wollte. „Ich denke jetzt sehr viel an Präsident Zeman und wünsche ihm alles Gute, möge er bald gesund, voller Kraft und Tatkraft sein“, twitterte Premier Babiš nach Bekanntwerden der Gesundheitsprobleme. Ob die guten Wünsche auf Höflichkeit, Verbundenheit oder politische Abhängigkeit schließen lassen bleibt offen. Klar scheint aber, dass Miloš Zeman auch nach den Wahlen am 8. und 9. Oktober Babiš gerne an der Spitze der Regierung sehen würde.

Tschechien: Erkrankter Präsident Zeman ist Babišs Rettungsanker - Genesungswünsche verwundern nicht

Die tschechische Piratenpartei und eine Koalition mit den Freien Wählern und Bürgermeistern (STAN) schnitt im Frühjahr und Sommer in den Umfragen gut ab und drohte die Partei des Premiers, ANO, fast zu überholen. Zum Herbst hin sieht es für Babiš zwar besser aus, aber er hat keine Chancen auf eine Mehrheit im Parlament. Das ist aber wohl nicht von Nachteil - denn der Präsident sagte bereits im Vorfeld, dass er nur den Vorsitzenden einer einzelnen Partei und nicht einer Parteienkoalition mit der Regierungsbildung beauftragen wird.

Glück für Babiš, denn seine größeren Konkurrenten sind durchweg Parteienkoalitionen, die zusammen bei der Wahl antreten. Es wundert daher kaum, dass sich Babiš mehr denn je um die Gesundheit seines politischen Gönners sorgt und eilig herzliche Genesungswünsche twittert. (af) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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