„One-Love“-Debatte
Völler im Bundestag: Die Idee „war ja trotzdem gut“
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Die neue DFB-Spitze gastiert im Bundestag. Im Sportausschuss geben Präsident Neuendorf und Bierhoff-Nachfolger Völler Einblick in die „One-Love“-Debatte.
Berlin – Ungewöhnliche Gäste im Sportausschuss des Deutschen Bundestags. Am Mittwoch (1. März) standen im Berliner Paul-Löbe-Haus DFB-Präsident Bernd Neuendorf und der neue Nationalmannschaftsdirektor Rudi Völler Rede und Antwort. Im Fokus: Die sportliche Aufarbeitung der Katar-WM sowie die politischen Begleiterscheinungen rund um die „One-Love“-Binde.
DFB-Präsident gibt Einblick in „One-Love“-Hickhack: „Die Situation spitzte sich zu“
Die beiden neuen starken Männer des Deutschen Fußball-Bundes hatten viel zu sagen. Ausschusschef Frank Ullrich (SPD) musste mehrmals an den vorgegebenen Zeitplan erinnern. Mehrere Politiker hielten sich nicht an die Sprechzeiten. Auch Neuendorf überzog in seinem Eingangsstatement bereits deutlich, als er vor allem über die politischen Dimensionen der WM sprach. So stellte er klar, dass es sich um eine gemeinsame Entscheidung „aller europäischen WM-Teilnehmer“ gehandelt habe, ein Zeichen zu setzen.
Schon im September 2022 sei die Entscheidung der Fifa kommuniziert worden. Der Weltverband habe jedoch auch auf Nachfrage nicht reagiert. Je näher der Anstoß der WM rückte, desto unruhiger wurde demnach die Fifa. „Die Situation spitzte sich zu.“ Die Fifa untersagte das Tragen der Binde schließlich mit Verweis auf das Verbot von „politischen Botschaften“.
Es war ein Zeichen gegen die Fifa und kein Affront gegen die Arabische Welt.
In Deutschland entbrannte daraufhin eine Debatte über das „One-Love“-Verbot. Hätte der DFB auf das Tragen beharren sollen? „Wir waren bereit, eine Geldstrafe zu akzeptieren“, sagte Neuendorf. „Allerdings keine sportliche Strafe.“ Am Tag des Eröffnungsspiels seien jedoch „Sanktionen über Geldstrafen hinaus angedroht“ worden. „Die Fifa hat ganz klargemacht, dass die Binde in jedem Fall verboten ist und es sportliche Sanktionen gibt.“ Gegenüber dem englischen Verband sei von „unlimited sanctions“ die Rede gewesen. „Wir wussten nicht, wie weit das Strafmaß gehen wird.“ Spekuliert wurde über eine Gelbe Karte, nach deren zwei Kapitän Neuer gesperrt gewesen wäre.
Die europäischen Länder stellten aufgrund des Fifa-Drucks (wohl unter Anweisung Katars) den Boykott ein. Die DFB-Elf hingegen posierte im ersten WM-Spiel mit Mund-zu-Geste. Freiwillig? Der Impuls dazu sei aus der Mannschaft rund um Kapitän Manuel Neuer gekommen, sagte Neuendorf. Damit widersprach er Medienberichten, wonach es Druck vonseiten des DFB zu einem alternativen Protest gegeben habe. Die Nationalelf habe viele „mündige Spieler“ mit politischem Interesse. Neuendorf nannte neben Neuer die Bayern-Profis Joshua Kimmich und Leon Goretzka sowie den Dortmunder Nico Schlotterbeck. Die Geste sei anschließend teils falsch verstanden worden. „Es war ein Zeichen gegen die Fifa und kein Affront gegen die Arabische Welt.“
Rudi Völler: „Ich will nicht, dass meine Innenministerin mit so einer Binde da sitzt“
Die Mitglieder des Sportausschusses agierten gespalten auf die Ausführung des DFB. Vertreter von SPD oder den Grünen lobten, dass sich Deutschland so stark für Menschenrechte eingesetzt habe. AfD und Union kritisierten dabei jedoch das Auftreten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die sich mit der Binde auf die Tribüne gesetzt hatte. Neundorf stellte klar, dass es sich hierbei um ihren „ausdrücklichen, persönlichen Wunsch“ gehandelt habe. Völler äußerte sich schärfer. Er möge Nancy Faeser, „aber mir hat es einfach nicht gefallen.“
Er habe das vor dem Fernseher verfolgt und gedacht: „Ich will nicht, dass meine Innenministerin mit so einer Binde da sitzt“. Die Idee „war ja trotzdem gut“, aber Völlers Bauchgefühl habe ihm gesagt, dass die Situation nicht positiv ende. Mit Blick auf das von Gianni Infantino instrumentalisierte Foto sagte der DFB-Sportdirektor. „Ich möchte nicht, dass meine Innenministerin auf die Schippe genommen wird.“
Völler-Kritik an DFB-Elf: „Das hat uns definitiv gefehlt“
Völler betonte, dass dem DFB Meinungsfreiheit wichtig sei. Deshalb seien auch die Aktionen rund um die politisierte WM löblich. „Aber irgendwann ist dann der Punkt, wo es vorbei ist. Man muss sich dann aufs Wesentliche konzentrieren.“ Damit meint der Weltmeister von 1990 das Sportliche: 1:2 gegen Japan, 1:1 gegen Spanien, 4:2 gegen Costa Rica. Vorrunden-Aus. Schon wieder.
Das Ausscheiden in Katar sei ein anderes als das in Russland 2018, argumentierte Völler. So habe die DFB-Elf in verschiedenen Statistiken überzeugt, etwa dem Herausspielen von Torchancen. „Aber was hat gefehlt?“, fragte der 90-fache Nationalspieler. Die Antwort gab er selbst mit Verwies auf die „völlige Hingabe“ der Mannschaften Argentiniens und Marokkos. „Da gibt es ja immer die klassischen Phrasen von Leidenschaft und Gier. Das hat uns definitiv gefehlt. Diese hundertprozentige Leidenschaft.“
Kritik an Taskforce: „Ich habe großen Zweifel“
Zur Aufarbeitung des Turniers zählte auch die Trennung des bisherigen DFB-Direktors Oliver Bierhoff. Eine Taskforce befasste sich mit den personellen Konsequenzen des frühen Ausscheidens. Mit Coach Hansi Flick will man weiter machen, für Bierhoff war das abermalige Ausscheiden zu viel. Völler, zuvor jahrelang Funktionär bei Bayer Leverkusen, sprang ein. Wie es dazu kam? „Irgendwann drehten sich alle zu mir und fragten: ´Rudi, willst du es nicht machen´?“
- Taskforce DFB: Rudi Völler (62), Bayern-Boss Oliver Kahn (53), „Red-Bull“-CEO Oliver Mintzlaff (47), BVB-Berater Matthias Sammer (55), Ex-Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge (67) sowie DFB-Präsident Neuendorf (61) und sein Vize Hans-Joachim Watzke (63).
Infolge der Besetzung der Taskforce gab es Kritik an fehlender Diversität. Zu alt, keine Frau. Der sportpolitische Sprecher der Grünen, Philip Krämer, ist skeptisch: „Ich habe großen Zweifel, ob der DFB wirklich am Erfolg seiner Nationalmannschaft der Männer interessiert ist“, sagt er IPPEN.MEDIA. „Dieselben Personen, die zu der aktuellen Verfassung der Nationalmannschaft der Herren maßgeblich beigetragen haben, sollen jetzt zu einem Neuanfang beitragen. Das erscheint mir wenig ambitioniert.“ (as)