Streik-Talk in der ARD
„Ich dachte, mit fünf Frauen wird es einfacher“ - „Hart aber fair“-Moderator Klamroth verzweifelt
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Louis Klamroth lädt am Montagabend zum ARD-Talk bei „Hart aber fair“ zum Thema Generalstreik. Es kommt zu emotionalen Wortgefechten.
Köln – „Der große Streiktag – Gerecht oder Gefahr für die Wirtschaft?“, fragt Louis Klamroth bei „Hart aber fair“ am Montagabend im ARD-Talk. Doch während das Chaos auf den Straßen in den meisten deutschen Städten ausblieb, entwickelte sich der Talkabend etwas chaotisch. Alle gegen alle, alle durcheinander. Das Publikum hat bisweilen seine liebe Mühe, überhaupt noch irgendetwas zu verstehen.
Vor allem die ARD-Börsenexpertin Anja Kohl und die Linken-Chefin Janine Wissler torpedieren jeden Funken aufkeimender Gesprächskultur. Permanentes Unterbrechen und elend lange Redebeiträge im Parallelflug, sodass man am Ende wenig versteht. Das Mitverfolgen der Inhalte an diesem Abend wird teilweise zur Sisyphus-Aufgabe.
„Hart aber fair“: Diese Gäste diskutierten mit Louis Klamroth
- Frank Bräutigam (ARD-Rechtsexperte)
- Gitta Connemann (CDU, Bundesvorsitzende der Mittelstand- und Wirtschaftsunion MIT)
- Anja Kohl (Journalistin, ARD)
- Marie-Christine Ostermann (Unternehmerin)
- Julia Riemer (streikende Trambahnfahrerin)
- Janine Wissler (Parteivorsitzende Die Linke)
„Der Streik war legal“, sagt Journalistin Anja Kohl und erklärt anschließend die Gründe. Nach der offiziellen Inflation von 8,7 Prozent hätten Arbeitnehmer in den vergangenen drei Jahren reale Einkommensverluste hinnehmen müssen. Da geht eine Zahl fast unter, die Moderator Klamroth einspielen lässt: Demzufolge haben sich Lebensmittel im vergangenen Jahr auf ohnehin bereits hohem Preisniveau um weitere 21 Prozent verteuert. Damit ist klar: Die offiziellen Zahlen bilden das wahre Ausmaß der Geldentwertung gar nicht ab.
Wissler erinnert daran, dass sich der Vorstand der Deutschen Bahn „gerade jetzt die Gehälter um 14 Prozent erhöht“ habe. „Aber zwölf Prozent mehr für die Beschäftigten, das soll zu viel sein“, sagt sie. Die Forderung sei also „nicht überzogen, das ist vollkommen gerechtfertigt.“
„Hart aber fair“ - Unternehmerin schüttelt über eigene Mitarbeiter den Kopf
Unternehmerin Marie-Christine Ostermann fordert dagegen die Beschäftigten auf, auch an das Wohl der Arbeitgeber zu denken: „Wir brauchen endlich Bewegung, wir wollen in die Zukunft, wir wollen wieder Geld verdienen.“ Über ihre eigenen Mitarbeiter schüttelt sie den Kopf: „Die fordern jetzt 13 Prozent Lohnplus!“ Sie ist außer sich. Das könne niemand bezahlen.
Das Publikum ist hin- und hergerissen. Applaus gibt es für beide Seiten, auch wenn das Zuhören bei dieser „Hart aber fair“-Sendung schwerfällt,, weil bisweilen alle durcheinanderreden. Hinzu kommt, dass ARD-Moderator Klamroth oft im falschen Moment unterbricht. Anja Kohl nimmt solche Störimpulse volley und wiederholt einfach alles bereits Gesagte ein weiteres Mal. Immer wieder unterbrechen sich die Damen nun am Tisch: „Kann ich jetzt mal den Punkt machen. Jetzt bin ich mal dran. Darf ich bitte mal zu Ende reden?“ Ergebnis: Am Ende darf niemand.
Trambahn-Fahrerin Julia Riemer erinnert bei „Hart aber Fair“ an die Corona-Zeit. „Es reicht nicht mehr aus, auf dem Balkon zu stehen und zu klatschen“, sagt sie und berichtet von den harten Arbeitsbedingungen im Nahverkehr. Wenn dann der Lohn nicht stimme, sei der Mangel an Arbeitskräften kein Wunder. Gitta Connemann warnt unterdessen vor einer Lohn-Preis-Spirale. Die MIT-Vorsitzende findet es überzogen, dass zu einem so frühen Zeitpunkt ein Generalstreik angezettelt wurde, „denn er richtet sich gegen unbeteiligte Dritte, andere Arbeitnehmer, Patienten, Familien, die auch eine Entlastung brauchen. Die Frage ist: Nehme ich ein ganzes Land in Geiselhaft?“ Außerdem würden die Streikenden einen Denkfehler begehen. „Am Ende ist der größte Inflationsgewinner der Staat.“ Deshalb sei es an der Zeit für klare Regierungsmaßnahmen: „Steuern runter, Abgaben runter und Aufhören mit diesem Belastungsirrsinn.“
Die Damen geraten aneinander, bis die Börsen-Expertin schmollt
„Niemand will Streik abschaffen, auch ich nicht“, sagt Connemann. Sie fordert jedoch eine Ankündigungsfrist für Streiks in kritischen Bereichen, damit das öffentliche Leben nicht zum Erliegen kommt. Außerdem gesetzlich vorgeschriebene Notdienste für die kritische Infrastruktur. Klamroth nennt den Hamburger Elbtunnel, der auch am Streik-Montag per Gerichtsbeschluss seinen Betrieb aufrechtzuerhalten hatte. Und Connemann setzt nach: Wichtig sei das Vorschalten eines verbindlichen Schlichtungsverfahrens. „Der Streik muss das letzte Mittel sein, nicht das erste.“ Kohl kontert hart: „Also wir haben jetzt das CDU-Wahlprogramm gehört…“ Das sei eine „Nebel-Diskussion“. Sie wolle lieber über die Finanzsituation sprechen. Als Moderator Klamroth sie unterbricht und auch Connemann nochmal ansetzt, hat sie endgültig genug. „Was spricht gegen ein Schlichtungsverfahren?“, will Connemann wissen. Doch Kohl schmollt jetzt: „Ich führe diese Diskussion nicht.“
Der Talk-Abend bei „Hart aber fair“ droht zu entgleisen, und Klamroth wendet sich resigniert ab: „Ich dachte, mit fünf Frauen in der Runde wird es einfacher heute.“
Fazit des „Hart aber fair“-Talks
Der Montags-Talk war trotz der Brisanz des Themas phasenweise schwer zu ertragen. Zu oft wurde durcheinandergeredet, ohne dass Moderator Louis Klamroth eine klare rote Linie in die Diskussion hineinbekam. Oft unterbrach er zudem seine Gäste immer dann, wenn es gerade am wenigsten passt. (Michael Görmann)