Ex-General vereidigt

Petr Pavel: Tschechiens neuer Präsident sucht Nähe zu Taiwan und brüskiert China

Petr Pavel wurde am Donnerstag als neuer tschechischer Präsident vereidigt.
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Petr Pavel wurde am Donnerstag als neuer tschechischer Präsident vereidigt.

Am Donnerstag wurde Petr Pavel als neuer Präsident Tschechiens vereidigt. Der Ex-General geht auf Distanz zu China – und sucht die Nähe zu Taiwan.

München/Prag – Für Petr Pavel ist klar, wo sein Land hingehört: „in die Welt der Demokratien, nicht die Welt der autoritären Regime“, sagte Tschechiens neuer Präsident unlängst im Interview mit Le Monde. Für Pavel, der am Donnerstag vereidigt wurde, heißt das: keine Nähe mehr zu Russland und China, wie sie noch sein Vorgänger Milos Zeman gesucht hatte. Dass er es durchaus ernst meint mit der neuen Distanz zu Peking, machte Pavel Ende Januar deutlich. Kaum war er frisch ins Amt gewählt worden, tat Pavel nämlich etwas Unerhörtes. Er griff zum Telefon – und wählte die Nummer von Tsai Ing-wen, der Präsidentin Taiwans.

„Ich habe ihr für ihre Glückwünsche gedankt und ihr versichert, dass Taiwan und die Tschechische Republik die Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte teilen“, erklärte Pavel nach dem Gespräch. Und dann schob er einen Satz hinterher, wie man ihn noch nie von einem europäischen Staatsoberhaupt gehört hat: „Ich habe auch die Hoffnung geäußert, dass ich in Zukunft Gelegenheit haben werde, Präsidentin Tsai persönlich zu treffen.“

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wird das Land seit 2016 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

China: Tschechien sendet „ein falsches Signal an die separatistischen Kräfte der ‚Unabhängigkeit Taiwans‘“

Wie die meisten Länder weltweit erkennt auch Tschechien die Regierung in Taipeh nicht offiziell an, sondern unterhält diplomatische Beziehungen lediglich mit Peking. China wiederum betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und reagiert auf jegliche Annäherungsversuche zwischen ausländischen Staaten und der demokratisch gewählten Führung in Taipeh äußerst gereizt. Pavel sende „ein falsches Signal an die separatistischen Kräfte der ‚Unabhängigkeit Taiwans‘“, erklärte Pekings Außenamtssprecherin Mao Ning und forderte „die Tschechische Republik auf, sofortige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um das Fehlverhalten zu korrigieren“.

Das kleine Tschechien ist schon länger kein einfacher Partner für das große China. Außenminister Jan Lipavsky betonte bereits in der Vergangenheit die Verbundenheit seines Landes zum demokratischen Taiwan, zudem sorgte Chinas stillschweigende Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für Unmut in dem Land. In der Prager Burg allerdings, dem Sitz des tschechischen Präsidenten, hatte Peking bislang einen Verbündeten: Milos Zeman, seit 2013 Staatspräsident, suchte immer wieder demonstrativ die Nähe zu China, äußerte seine Bewunderung für das autoritäre System des Landes und bezeichnete Tibet-Aktivisten einmal als „geistig behinderte Individuen“.

China ist der zweitgrößte Handelspartner von Tschechien

Mit dem ehemaligen Nato-General Petr Pavel zieht nun aber ein überzeugter Europäer in die Prager Burg. Laut Filip Šebok von der Prager Denkfabrik Association for International Affairs (AMO) kann Pavel mit seiner Peking-kritischen Haltung auf den Rückhalt der Tschechen zählen. „Beziehungen zu Taiwan aufzubauen, das wird von einem großen Teil der Bevölkerung und der politischen Elite als wichtiger Teil der tschechischen außenpolitischen Identität angesehen“, sagte Šebok der Frankfurter Rundschau. Der China-Experte verweist auf Václav Havel, den legendären Regimekritiker und ersten Präsidenten der Tschechischen Republik, einen Verfechter der Idee der universellen Menschenrechte.

Šebok glaubt aber auch, dass es Pavel um mehr geht als um gemeinsame Werte. Es gebe ein großes Potenzial für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Prag und Taipeh, besonders im Hightech-Bereich, sagt er. „Wirtschaftsdiplomatie spielt also auch eine Rolle.“ Dabei ist China für Tschechien, wo nur etwa halb so viele Menschen leben wie in Peking, freilich ein weitaus wichtigerer Handelspartner als Taiwan: Die Volksrepublik belegt in der tschechischen Handelsstatistik den zweiten Platz, nach Deutschland. Gefährlich werde es für Tschechien, wenn Peking seine wirtschaftliche Macht ausspiele, um „Druck auf deutsche und andere europäische Unternehmen auszuüben, damit diese ihre Verbindungen zu tschechischen Zulieferern kappen“, sagt Šebok.

Wagt Tschechien den Ausstieg aus dem 14+1-Format mit China?

Dass Peking vor einem solchen Schritt nicht zurückschreckt, zeigt der Fall Litauen: Als der baltische Staat es der taiwanischen Regierung erlaubte, in der Hauptstadt Vilnius eine Vertretung unter eigenem Namen zu eröffnen, reagierte Peking mit eben solchen Zwangsmaßnahmen. Sollte es Tschechien ähnlich ergehen, dann würde das „die Regierung und den Präsidenten wahrscheinlich nur noch entschlossener machen, sich zur Taiwan-Frage und zu anderen Themen zu äußern, die China für heikel hält“, glaubt Šebok.

Sollte Pavel seine Ankündigung wahr machen und tatsächlich mit seiner taiwanischen Amtskollegin Tsai Ing-wen zusammentreffen, wäre das aus Pekinger Sicht ein Tabubruch. Experte Filip Šebok vermutet, dass eine solche Begegnung höchstens auf inoffizieller Ebene stattfinden würde. Für noch mehr Irritationen in Peking dürfte sowieso ein Schritt sorgen, den der tschechische Außenminister seit längerem plant: Prag will das 14+1-Format verlassen, in dem China und 14 mittel- und osteuropäische Staaten regelmäßig zu Gesprächen zusammenkommen.

Ein Austritt der Tschechen würde die Gruppe, die bis zum Ausscheiden der drei baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland noch unter dem Namen 17+1 firmierte, zunehmend bedeutungslos machen. Für Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping wäre das ein unangenehmer Gesichtsverlust, für Petr Pavel hingegen ein kleiner Sieg gegen das übermächtige China.

Hinweis: Eine erste Version dieses Artikels wurde am 2. Februar 2023 veröffentlicht. Der Text wurde anlässlich der Vereidigung von Petr Pavel aktualisiert und neu veröffentlicht.

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