Bundeskanzler bleibt in einer Frage vage

Scholz will „jeden Quadratzentimeter Nato-Territorium verteidigen“

Bei einem Besuch in Estland sichert Olaf Scholz den baltischen Nato-Staaten Deutschlands Beistand zu. Doch bei einer Frage weicht er aus.

Tallinn - Im Rahmen eines Besuches hat Bundeskanzler Olaf Scholz in Estland die Unterstützung Deutschlands für die baltischen Staaten bekräftigt. Im Falle eines Angriffs auf die Nato-Partner Estland, Lettland und Litauen bekenne sich Deutschland zur gemeinsamen Verteidigung.

„Um es hier nochmal klar zu sagen: Wir sind bereit, jeden Quadratzentimeter Nato-Territoriums gegen Angriffe zu verteidigen“, so der Kanzler am Freitag auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen Kaja Kallas (Estland), Krisjanis Karins (Lettland) und Ingrida Simonyte (Litauen) in Tallinn. „Und das meine ich genau so, wie ich es sage.“ 

Besuch in Estland: Olaf Scholz bleibt in Tallinn vage

Offen ließ Scholz aber, wie viele deutsche Soldaten genau zum Beispiel in Litauen stationiert werden sollten. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet von einer Zusage, eine Brigade mit 3000 bis 5000 Soldaten zum Schutz des Landes abzustellen. Die Bundeswehr sei „vielfältig unterwegs, hier im Baltikum“. Dazu gehöre auch die Präsenz deutscher Soldaten in Litauen.

Bundeskanzler Olaf Scholz in Begleitung von Bundeswehr-Soldaten bei einem Empfang im Bundeskanzleramt in Berlin.

Deutsche Truppen sind bereits seit Herbst 2022 in Litauen stationiert. Die Nato hatte sich im Zuge des Ukraine-Kriegs zu einer Verstärkung der Ostgrenze des Verteidigungsbündnisses entschieden. „Die Sicherheitslage hier im Baltikum, an der Ostflanke der Nato, bleibt heikel“, betonte Scholz in Tallinn. Die nötigen Schritte habe man eingeleitet.

Laut Verteidigungsminister Boris Pistorius wird die Bundeswehr auch an der Absicherung des anstehenden Nato-Gipfels in Litauen beteiligt sein. Man würde dafür unter anderem die im Ukraine-Krieg so erfolgreichen Patriot-Flugabwehrsysteme aus der Slowakei in die litauische Hauptstadt Vilnius verlagern.

Die Nato-Erweiterung: Das wachsende Verteidigungsbündnis

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Gegründet wurde die Nato am 4. April 1949 in Washington, D.C. Zunächst zwölf Staaten unterzeichneten den Nordatlantikvertrag: Belgien, Dänemark, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA. Hier präsentiert Gastgeber und US-Präsident Harry S. Truman das Dokument, das die Grundlage für das Verteidigungsbündnis bildet. Der erste Oberkommandeur war der US-Amerikaner Dwight D. Eisenhower, der nach seiner Zeit bei der Nato Truman im Amt des US-Präsidenten beerben sollte. © imago
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In den ersten Jahren nach ihrer Gründung stand die Nato ganz im Dienste der Abwehr der sowjetischen Gefahr. 1952 fanden in Deutschland zahlreiche Manöver statt, unter anderem überwacht vom zweiten Oberkommandeur der Nato, Matthew Ridgway (2.v.l.) und dem damaligen französischen Botschafter in Deutschland, Andre Francois-Poncet (3.v.r.). © imago
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Im Jahr 1952 traten zwei weitere Länder der Nato bei: Griechenland und die Türkei. Noch im selben Jahr fanden die ersten Manöver des Verteidigungsbündnisses statt. Beteiligt waren neben Einheiten Großbritanniens und der USA auch Kampftaucher, sogenannte Froschmänner, der türkischen Marine. © imago
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Im Jahr 1954 beschlossen die Nato-Mitgliedsstaaten auch der Bundesrepublik Deutschland den Beitritt anzubieten. Der britische Außenminister Anthony Eden reiste nach Paris, um im Palais de Chaillot die Vereinbarung zu unterzeichnen. Ein Jahr später, 1955, wurde die BRD als 15. Mitglied der Nato in das Verteidigungsbündnis aufgenommen. © UPI/dpa
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Kurz nach Gründung durchlitt die Nato bereits ihre erste interne Krise. Frankreich entzog bereits 1959 seine Flotte der Nato-Unterstellung. 1966 verabschiedeten sich die Vertreter des Landes aus allen militärischen Organen des Verteidigungsbündnisses. Frankreichs Präsident Charles de Gaulle (l.), hier bei der Beerdigung John F. Kennedys, fürchtete eine Dominanz der USA in der Nato und pochte auf die Unabhängigkeit der französischen Streitkräfte. Das Land kehrte erst im Jahr 2009 wieder in die militärischen Strukturen zurück. © imago
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Im Jahr 1982 fand die nächste Erweiterung der Nato statt. Spanien wurde das 16. Mitglied des Verteidigungsbündnisses und nahm kurz darauf am Nato-Gipfel in Bonn teil. In der damaligen Bundeshauptstadt kamen die Staatsoberhäupter und Regierungschefs zusammen (v.l.n.r.): Kare Willoch (Norwegen), Francisco Balsemao (Portugal), Leopoldo Calvo-Sotelo (Spanien), Bülent Ulusu (Türkei), Margaret Thatcher (Großbritannien) und Ronald Reagan (USA). © imago
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Unter dem Dach der Nato kam es im Jahr 1999 zum ersten Kampfeinsatz der deutschen Bundeswehr nach ihrer Gründung 1955. Die Bundesrepublik beteiligte sich am Nato-Einsatz im Kosovo-Krieg mit Tornado-Kampfflugzeugen. © dpa
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Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erweiterte sich die Nato um Länder der ehemaligen Sowjetunion. Am 12. März 1999 wurden die Flaggen von Polen, Tschechien und Ungarn am Nato-Hauptquartier in Brüssel (Belgien) gehisst. Das Verteidigungsbündnis war damit auf 19 Mitgliedsstaaten gewachsen. © ATTILA SEREN/imago
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Im Jahr 2004 fand die bis dato größte Erweiterungsrunde der Nato statt. Der damalige US-Außenminister Colin Powell gab bekannt, dass das Verteidigungsbündnis sieben neue Mitglieder auf einen Streich aufnehmen werde: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien. Die Nato bestand damit aus 26 Mitgliedsstaaten. © BENOIT DOPPAGNE/imago
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Zu ihrem 50-jährigen Bestehen im Jahr 2009 nahm die Nato zwei weitere Mitglieder auf: Albanien und Kroatien. Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte den albanischen Ministerpräsidenten Sali Berisha bei den Feierlichkeiten rund um die Erweiterung sowie zum Jubiläum auf dem Nato-Gipfel in Straßburg und Kehl. © imago
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Am 5. Juni 2017 wird die Nato um ein weiteres Mitglied erweitert. Montenegro tritt dem Verteidigungsbündnis bei. Das Land hatte sich 2006 von Serbien unabhängig erklärt und wurde inklusive Flagge elf Jahre später in Brüssel am Nato-Hauptquartier begrüßt.  © Gong Bing/imago
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Die vorerst letzte Nato-Erweiterung fand im Jahr 2020 statt. Am 27. März trat Nordmazedonien dem Verteidigungsbündnis bei. Griechenland hatte die Aufnahme des Landes wegen eines Streits über dessen Namen jahrelang blockiert. Nachdem sich beide Länder geeinigt hatten, war der Weg frei für gemeinsame Manöver, wie hier zum Beispiel mit Einheiten der US-Armee in der Nähe von Krivolak. © imago
Unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs ist im April 2023 auch Finnland der Nato beigetreten. Der Schritt ist historisch. Finnlands Präsident Sauli Niinistö bezeichnete den Nato-Beitritt als Beginn einer neuen Ära. Finnland hat eine 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland. Das nordische Land mit seinen rund 5,5 Millionen Einwohnern hatte zuvor jahrzehntelang großen Wert auf militärische Bündnisfreiheit gelegt. Mit dem Beitritt Finnlands wächst die Nato-Außengrenze Richtung Russland nun auf mehr als das Doppelte an.
Unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs ist im April 2023 auch Finnland der Nato beigetreten. Der Schritt ist historisch. Finnlands Präsident Sauli Niinistö bezeichnete den Nato-Beitritt als Beginn einer neuen Ära. Finnland hat eine 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland. Das nordische Land mit seinen rund 5,5 Millionen Einwohnern hatte zuvor jahrzehntelang großen Wert auf militärische Bündnisfreiheit gelegt. Mit dem Beitritt Finnlands wächst die Nato-Außengrenze Richtung Russland nun auf mehr als das Doppelte an. © JOHN THYS/afp
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Und am Horizont ist bereits die nächste Erweiterung der Nato zu sehen. Zusammen mit Finnland hatte sich auch Schweden um einen Beitritt zum Verteidigungsbündnis beworben. Der Aufnahmeprozess läuft. Im baltischen Meer fanden bereits erste gemeinsame Übungen der US Navy und der schwedischen Marine statt.  © IMAGO/U.S. Navy

Olaf Scholz gibt Ausblick auf Nato-Gipfel in Tallin

Auf den baldigen Nato-Gipfel wurde auch Olaf Scholz angesprochen. Auf eine Frage, ob dort auch eine offizielle Einladung an die Ukraine zur Nato-Mitgliedschaft besprochen werde, wich der Bundeskanzler aus. Der Gipfel diene vor allem dazu, „konkrete Unterstützung für die Ukraine in dieser Situation zu organisieren“. Gleichzeitig versicherte Scholz der Regierung von Wolodymyr Selenskyj, sein Land so lange zu unterstützen, „wie es notwendig sei“. Das berichtet das Nachrichtenportal European Pravda.

Allzu große Hoffnungen auf eine baldige Nato-Mitgliedschaft sollte man sich in Kiew nicht machen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte erst am Mittwoch eingeräumt, dass die Meinungen über einen Beitritt der Ukraine bei den bestehenden Mitgliedern weit auseinandergehen. (dil/dpa)

Rubriklistenbild: © JOHN MACDOUGALL/AFP

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