Die Partygate-Affäre holt Boris Johnson lange nach Ende seiner Amtszeit als britischer Regierungschef ein. Hat er gelogen? Johnson tritt vor den Partygate-Ausschuss.
London – Lockdowns und Kontaktbeschränkungen sind auch in Großbritannien inzwischen eine ganze Weile Vergangenheit, doch noch immer beschäftigen sie Gesellschaft und Politik. Mit dem Partygate sorgten Boris Johnson und seine Administration für einen beispiellosen Skandal in britischen Regierungskreisen. Gegen Johnson steht nicht erst seitdem der Vorwurf im Raum, es mit der Wahrheit flexibel zu halten. Am 22. März soll der Ex-Premierminister zum Partygate befragt werden: Es geht um die wissentliche Täuschung des Parlaments.
Boris Johnson: Hat der ehemalige Premierminister von Großbritannien in der Partygate-Affäre gelogen?
Ein 52-seitiges Dossier hatte der ehemalige britische Premierminister zu seiner Verteidigung im Partygate zuletzt vorgelegt, in dem er dem Ausschuss von Abgeordneten, die seinen Fall im Partygate untersucht, schwere Vorwürfe macht. Die „Behauptungen“ des parteiübergreifenden Gremiums seien „absurd, unlogisch und parteiisch“ so Johnson laut Independent. Am Mittwoch, dem 22. März erwartet ihn nun eine öffentliche Anhörung vor dem Privilegienausschuss des Unterhauses.
Johnson gibt sich zuversichtlich und erklärte vorab: „Ich freue mich sehr auf die morgige Ausschusssitzung. Ich glaube, dass die Beweise schlüssig belegen, dass ich das Parlament weder wissentlich noch fahrlässig in die Irre geführt habe. Der Ausschuss hat nicht den geringsten Beweis dafür vorgelegt, dass ich dies getan habe.“ Allzu sicher sollte er seiner Sache indes nicht sein.
Viele Beobachter halten seine Verteidigung für schwach. Der ehemalige Tory-Kabinettsminister David Davis kritisiert vor allem die Abhängigkeit Johnsons von Beteuerungen seines Kommunikationsdirektors Jack Doyle. Eine Party, die sich im Dezember 2020 zugetragen habe, sei regelkonform gewesen. Johnsons Verteidigung umfasst unter anderem WhatsApp-Nachrichten von Doyle, in denen er dies zusicherte.
Davis drastische Worte im Independent: „Die Vorstellung, dass Minister einfach das sagen, was spezielle Berater für sie schreiben, ist unsagbare Scheiße. Wenn das die Stärke des Arguments ist, dann geht er spurlos unter. Wenn es das war, dann steht ihm eine harte Zeit bevor.“ Bei den meisten betreffenden Veranstaltungen wird Johnson keine direkte Teilnahme vorgeworfen, für eine Feier zu seinem Geburtstag hatte er indes bereits selbst eine Strafe zahlen müssen.
Boris Johnson im Partygate: Unwahrheit in „gutem Glauben“ oder kalkulierte Lüge?
Johnson hatte in der Vergangenheit bereits eingeräumt, das Parlament in der Frage um Corona-Verstöße in der Politik in die Irre geführt zu haben. Der ehemalige Premierminister beruft sich allerdings darauf, er habe Vorwürfe „in gutem Glauben“ dementiert, auf Grundlage dessen, was er zu diesem Zeitpunkt „ehrlich“ gewusst hatte. An dieser Version zweifelt nicht nur die Opposition, sondern auch große Teile der britischen Öffentlichkeit. Die Frage, die sich für Johnson nun stellt, ist, wie der Ausschuss seine Verteidigung am Mittwoch bewertet.
Es handelt sich um deutlich mehr als einen Fall, in dem Corona-Regeln in Regierungskreisen gebrochen worden sein sollen. Johnsons Beteuerungen, im besten Glauben gehandelt und dementiert zu haben, zweifeln viele auch wegen seiner Vergangenheit an – mit der Wahrheit hatte es der Tory-Politiker nicht immer ganz so eng genommen.
In seiner Brexit-Kampagne mobilisierte Johnson seine Partei 2016 auch mit dem Argument, Großbritannien zahle jede Woche 350 Millionen Pfund an die EU. Später musste er kleinlaut einräumen, es seien nur 160 Millionen. Auch das könnte theoretisch Unwissenheit gewesen sein, doch auch seine noch frühere Vergangenheit spricht gegen ihn: Bereits in den Achtzigern war Johnson als Journalist bei der Times entlassen worden – er hatte sich Zitate ausgedacht. Die zahllosen Ungereimtheiten im Partygate, erscheinen vor diesem Hintergrund in einem besonders zweifelhaften Licht. Johnson droht eine längere Suspendierung. (ales)