Faschismus im Praxisbeispiel

Professor spielte Hitler, um zu zeigen, wie schnell Menschen zu Mitläufern werden

Menschen stehen auf einer Wiese mit Uniform an
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Die Studierenden folgten den Befehlen des Professors Tanozu und trugen sogar Uniform (Symbolbild).

Um seinen Studenten zu erklären, wie Faschismus funktioniert und wie leicht man zum Mitläufer wird, imitierte ein Professor aus Japan in seinem Kurs Adolf Hitler.

Japan - Daisuke Tanozu, ist der vielleicht bekannteste und ungewöhnlichste Faschismusforscher Japans. Der Soziologieprofessor der Konan-Universität in Kobe entwickelte eine ganz spezielle Praxisübung für seinen Kurs, um die Studierenden über die Theorie des Faschismus aufzuklären. Dabei beschäftigte sich Tanozu auch mit der Frage: „Was geschieht mit Menschen, wenn sie einfach nur klare Anweisungen befolgen?“

Im Fach „Shakai ishiki ron“, auf Deutsch „Lehre des sozialen Bewusstseins“, lernten die Studenten das Thema Faschismus auf besondere Weise kennen: Professor Tanozu gründete seinen eigenen Führerkult, spielte quasi Hitler, um das Thema gegenüber seinen Schülern zu verdeutlichen. Er bestrafte die Undisziplinierten und lobte die Mitläufer. Dadurch verstanden die anderen schnell, was sie zu tun hatten. Eine solche Methode wäre in Deutschland kaum denkbar.

Japanischer Professor imitiert Hitler - Studenten folgten ihm sofort

Die 250 Studierenden folgten dem, was Professor Tanozu ihnen befahl und trugen sogar Uniform. Tanozu, kurz Tano, orientierte sich dabei stark an die Methoden Adolf Hitlers. „Ich musste mir nicht viel Neues ausdenken und konnte einfach den Hitlergruß und die Heil-Parole wiederverwerten“, erklärte der Professor. In Europa sorgt der Hitlergruß hingegen für Entrüstung*. Die Schüler riefen dennoch ohne zu hinterfragen zur Begrüßung „Heil Tano“ oder vertrieben mit einem Aufmarsch ein Liebespaar.

Zehn Jahre lang ereignete sich diese Szene auf dem Campus der Konan-Universität. Bei dem Liebespaar handelte sich nur um zwei Schauspieler. Mittlerweile ist das Fach jedoch abgeschafft, gehört aber nach wie vor zu den meistdiskutierten Lernhinhalten Japans. Ehemalige Studenten gaben an, sie hätten nirgends so viel gelernt, wie in dem Kurs von Professor Tanozu. Auch die Feedback-Bögen spiegelten die Zufriedenheit wider. Doch die Politik und negative Presse führten schließlich zum Ende des Kurses.

In Japan weiß man kaum etwas über Nationalsozialismus

Mit ein Grund, warum die Studenten ihrem Professor sofort gehorchten, ist, dass in Japan kaum jemand etwas über konkreten Ausprägungen des Nationalsozialismus weiß - obwohl Japan im Zweiten Weltkrieg Verbündeter des nationalsozialistischen Deutschland war. „Ich habe ihnen Schritt für Schritt gesagt, was sie zu tun haben“, erzählt der Professor. „Es war für mich beängstigend, wie schnell ich die Masse im Griff hatte.“

Im heutigen Japan entdecken Beobachter ähnliche Tendenzen wie bei dem Experiment von Daisuke Tanozu, weshalb das Thema wieder an Aktualität gewinnt. Die Grenzen zwischen Zivilcourage und Hetzjagd würden demnach im Pandemiealltag verschwimmen. Auch in Deutschland spitzte sich die Lage durch die Corona-Pandemie zu und es bildete sich eine Gruppe von „Querdenkern“, die sogar vom bundesweiten Verfassungsschutz beobachtet werden*. *BW24 ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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