Schwimmen
Alter Schwede: „Fildes“ neues Gefilde
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Früherer Remscheider Spitzen-Schwimmer hat sein Leben ordentlich umgekrempelt.
Noch vor wenigen Tagen stattete er seiner alten Heimat mal wieder einen Besuch ab. Die in Oberhausen ausgetragenen Mannschaftsmeisterschaften der Oberliga West nutzte Christoph Fildebrandt, der weiterhin für den SC Aqua Köln schwimmt, auch für eine Rückkehr in frühere – Achtung: Wortspiel! – Gefilde. Immer, wenn sich die Gelegenheit bietet, genießt der ehemalige Spitzenathlet der SG Remscheid und dreifache Olympia-Teilnehmer die Zeit bei seiner Familie im Bergischen. Vater Gerd lebt in Remscheid, Mutter Heike in Wuppertal-Ronsdorf.
Gerne nach Hause gekommen war Fildebrandt auch in den vergangenen Jahren schon, als er seinen sportlichen wie beruflichen Lebensmittelpunkt nach Saarbrücken verlagert hatte. Doch nun ist das Nachhausekommen für ihn noch einmal besonderer geworden. Denn: Der 33-Jährige ist nach Schweden ausgewandert. Genauer gesagt nach Trelleborg, ganz tief im Süden. Dort ist er dabei, das Leben nach dem Spitzensport auf gesunde Beine zu stellen. Im Gespräch mit dem RGA erzählt er, wie es dazu gekommen ist, welche Hürden es zu nehmen gab, warum er mittlerweile zum Hobby-Handwerker geworden ist – und vieles mehr.
Wo die Liebe hinfällt
2014 lernte Christoph Fildebrandt im Training die Schwedin Ellen Olsson kennen. Die Freiwasser-Leistungsschwimmerin, die über die zehn Kilometer schon bei EM wie WM am Start war und Europacup-Medaillen sammeln konnte, wollte es zu den Olympischen Spielen schaffen und wechselte deswegen nach Saarbrücken. „Dort waren die Trainingsmöglichkeiten ganz andere“, erzählt Fildebrandt. Und eben auch die Trainingspartner. . . Schnell merkten die beiden, dass es zwischen ihnen funkte. „Obwohl mein Englisch echt nicht so der Brüller war“, sagt der frühere Remscheider lächelnd. 2016 wurden sie ein Paar, 2018 zogen sie dann in Saarbrücken auch zusammen.
Corona und seine vielfältigen Folgen
Der Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 veränderte das Zusammenleben der Spitzensportler nachdrücklich. Während Fildebrandt aufgrund seiner Bundeskader-Zugehörigkeit relativ zeitnah wieder trainieren durfte, war dies für seine Partnerin nur in deren Heimatland möglich. Also ging Olsson erst einmal zurück nach Schweden. Erst als im Sommer die Trainings-Einschränkungen revidiert wurden, kehrte sie nach Saarbrücken zurück. Dort wurde Fildebrandt dann schnell auch ihr Trainer. „Ich weiß ja, wie der Hase läuft“, sagt der 33-Jährige, der zu diesem Zeitpunkt schon bei Olympia in London 2012 (mit der Staffel) und Rio 2016 (Einzel und Staffel) dabei gewesen war.
Schulter-Schock lässt ihren Traum platzen
Auch das sportliche Zusammenspiel der beiden harmonierte. Vormittags trainierte Fildebrandt für sein großes Ziel Tokio 2021, nachmittags dann mit seiner Partnerin in einer Gruppe, zu der auch Olympia-Teilnehmer Andreas Waschburger gehörte. „Ich bin mir sicher, dass Ellen es zu den Spielen geschafft hätte“, legt sich Fildebrandt fest. Eine Schulterverletzung stoppte sie aber, sodass sich ihre Wege abermals trennten. Während er im März und April 2021 in die heiße Quali-Phase eintauchte, zog es sie wieder zurück in die Heimat.
Von Tokio nach Trelleborg
Seine dritte Olympia-Teilnahme, diesmal mit der 4x100-Meter-Freistil-Staffel, sollte für Fildebrandt nicht in übermäßig guter Erinnerung bleiben. Die extremen Corona-Beschränkungen wogen schon schwer. „Wenn man wie ich weiß, wie das ganze Flair normalerweise ist, war das kein Vergleich.“ Dass er aber auch stolz drauf sein sollte, es dreimal zu Spielen geschafft zu haben, darauf machte ihn Norbert Warnatzsch, der langjährige deutsche Olympiatrainer, aufmerksam. Er sagte: „Das ist schon bemerkenswert.“
„Das war der schlimmste Tag in meinem Leben. Und ich bin eigentlich hart im Nehmen.“
Zurück in Europa ging´s für ihn auf dem direkten Weg nach Trelleborg, um erst einmal zwei Monate abzuschalten. „Ich habe die Zeit dort sehr genossen“, erzählt Fildebrandt, auf den nun aber auch der Ernst des Lebens wartete. War er zuvor als Teil der Sportfördergruppe von seinem Dienst bei der Saarbrücker Polizei komplett freigestellt, kam nun das Signal seines Arbeitgebers, ihn zukünftig zumindest wieder zu 50 Prozent einsetzen zu wollen. Und obwohl ihm der Wechsel von der Bereitschaftspolizei in die PR-Öffentlichkeitsgruppe mit Aufgaben im Social-Media-Bereich ermöglicht wurde, merkte Fildebrandt, dass er so nicht glücklich wurde.
In Göteborg macht das Paar sein Glück perfekt
Auch die Fernbeziehung zu seiner Partnerin führte schließlich zum Entschluss, das Leben komplett umzukrempeln. Fildebrandt kündigte seinen Job zum 31. Mai und beschloss, nach Schweden zu gehen. „Die Entscheidung ist mir nicht schwergefallen“, sagt er. Genau wie die, seine Ellen zur Frau zu nehmen. Im März 2022 wurde in Göteborg geheiratet, ganz unspektakulär. „Nur für uns“, wie Fildebrandt es formuliert. Eine große Feier mit den Familien und Freunden soll nachgeholt werden.
Auf den schönsten folgt der wohl schlimmste Tag des Lebens
Anfang Juni vollzog Christoph Fildebrandt dann seinen Umzug nach Trelleborg. „Das war die Hölle“, berichtet er von einem Defekt beim gemieteten Transporter, eine dadurch entstandene zweistündige Verspätung, dem Zeitdruck durch die anvisierte Fähre ab Rostock und einem Erholungsschläfchen im Kofferraum zwischen Fernseher und Umzugskartons. „Das war der schlimmste Tag in meinem Leben. Und ich bin eigentlich hart im Nehmen.“
Das neue Leben in Schweden
In Trelleborg wohnen die beiden im Elternhaus von Fildebrandts Ehefrau, wo deren Mutter nach dem Tod des Vaters vor sechs Jahren alleine gelebt hat. „Das ist ein großes Haus, in dem wir die obere Etage komplett für uns haben“, erzählt der frühere Remscheider. „Unser nächstes großes Ziel ist, in ein eigenes Haus am Strand zu ziehen.“ Als Gegenleistung bringt sich Fildebrandt als Handwerker ein: „Ich helfe, das Haus instand zu halten. Und noch ist nichts kaputtgegangen.“
„Aktuell verdiene ich etwa nur zehn Prozent von vorher.“
Ausbaufähig sind auch noch die schwedischen Sprachkenntnisse. „Die sind noch zu schlecht. Aber das kommt mit der Zeit“, sagt er. Die Kommunikation funktioniert per gesunder Mischung. Manchmal mit Englisch, Deutsch und Schwedisch in einem Satz. Fildebrandt lachend: „Dann versteht uns kein Mensch.“ Generell fühlt sich der Auswanderer pudelwohl: „Die Menschen hier sind sehr, sehr herzlich. Das gefällt mir.“
Die berufliche Perspektive
Im ansässigen Schwimmverein, den die Eltern von Fildebrandts Ehefrau vor einigen Jahren gegründet haben, bieten sie gemeinsam Schwimmkurse für Kinder und Erwachsene samt Privat- und Techniktraining an. „Wir sind da relativ breit gefächert.“ Um finanziell zuzulegen – „Aktuell verdiene ich etwa nur zehn Prozent von vorher“ – entwickelt Fildebrandt derzeit Pläne, eine Firma zu gründen, die Services (beispielsweise eine Leistungsdiagnostik) rund um das Schwimmen anbietet. Mit diesen war er auch schon bei großen Vereinen in Schweden vorstellig.
Und der Sport?
Nach drei eigenen Olympia-Teilnahmen verfolgt Christoph Fildebrandt nun den Traum, seiner Frau dieses Erlebnis zu ermöglichen. Allerdings sind die Schulterprobleme immer noch ein Thema. „Wir kämpfen für 2028“, sagt der 33-Jährige, der weiter auch selbst regelmäßig trainiert. „Aber nur noch so, wie es mir Spaß macht.“ Angemeldet ist er schon für den Triathlon in Köln in diesem Jahr, wo er mit drei Freunden über die Sprintdistanz an den Start gehen möchte.
Aktuell
Mit dem Teamwettkampf in Oberhausen war Fildebrandt zufrieden: „Es lief gut. Wir sind aufgestiegen.“ Auch seine Zeiten konnten sich sehen lassen. Über 50 (0:22,02 Min.), 100 (0:49,59) und 200 Meter Freistil (1:54,29) sowie die 50 Meter Schmetterling (0:24,42) war er nicht zu schlagen. Zur Einordnung: Seine persönlichen Freistil-Rekorde liegen bei 0:21,62, 0:47,47 und 1:45,29 Sekunden.