Gericht
Zeuge wollte „ein Exempel statuieren“
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Die Nötigung eines Fahrradfahrers konnte im Prozess nicht nachgewiesen werden.
Von Wolfgang Weitzdörfer
Wermelskirchen. Dass Fahrradfahrer den meisten anderen Verkehrsteilnehmern unterlegen sind, ist eine Tatsache, an der es nur wenig zu rütteln gibt. Und dass vor allem Autofahrer auf die nicht motorisierten Zweiräder besonders aufpassen müssen, ist ebenfalls klar. Allerdings ist das Strafrecht immer noch eine andere Sache. So etwa nun vor dem Amtsgericht, als ein 64-Jähriger aus Wermelskirchen sich wegen des Vorwurfs der Nötigung im Straßenverkehr zu verantworten hatte. Laut der Anklage habe er am 2. August 2021 einen Rennradfahrer außerorts nahe der Ortschaft Friedenberg in Richtung der L 68 extrem nah überholt und ihn ausgebremst.
Der Rentner, der nach seiner Aussage an besagtem Tag die Enkel von der Kita abholen wollte, schilderte den Vorfall so, dass der Fahrradfahrer vor ihm „im Zick-Zack“ über die Straße gefahren sei. „Ich dachte im ersten Moment, dass er betrunken war“, sagte der Angeklagte.
Irgendwann sei der Radfahrer dann jedoch so weit rechts gefahren, dass er gedacht habe, dass ein Überholmanöver gefahrlos möglich sei. „Als ich ihn aber überholt habe, ist er plötzlich wieder weiter nach links gekommen und hat mit seinem Arm gegen mein Auto geschlagen. Ich bin dann vom Gas gegangen, habe auch gebremst“, erklärte er.
Als er gesehen habe, dass der Fahrradfahrer abstieg und sein Rennrad hochhob, sei er davongefahren. „Ich hatte Angst, dass er mir sein Rad auf das Auto wirft“, sagte der Angeklagte. Wie lange er hinter dem Fahrradfahrer hergefahren sei, fragte die Richterin. „Eine oder zwei Minuten, die Straße ist ja auch nicht so lange“, sagte der 64-Jährige. Das Komische sei gewesen, dass der Fahrradfahrer ihm Platz gemacht habe – und dann das Gegenteil davon passiert sei.
Sein Anwalt wies darauf hin, dass gegen den Zeugen ebenfalls ein Verfahren angestrengt worden sei, das aber im Hinblick auf die aktuelle Verhandlung erst einmal hinten angestellt worden sei. Er wies zudem darauf hin, dass sein Mandant die Strecke bei Friedenberg mehrfach täglich fahre und daher sehr gut kenne.
Zu geringer Abstand beim Überholen sei Alltag für Radler
Der 56-jährige Zeuge fühlte sich hingegen „im falschen Film“, als er in den Zeugenstand gerufen wurde. Habe er doch gedacht, es gehe um ein anderes Verfahren. „Wie oft stellen Sie denn Anzeige“, wollte die Richterin da wissen. Er habe zwei bis drei Mal pro Jahr vergleichbare Fälle. „Ich habe 2018 mit den Videoaufnahmen begonnen, nachdem ich zweimal hintereinander im Straßengraben gelandet bin“, sagte der Zeuge. Dass er in zu geringem Abstand überholt werde, komme praktisch täglich vor. „Mehrmals pro Jahr kommt es dann zu Fällen, in denen ich wirklich um mein Leben fürchte. Ich habe etwa 30 Anzeigen gestellt seit 2018, manchmal kam es zu Bußgeldern, manchmal sind die Sachen im Sand verlaufen.“
Die Staatsanwältin wollte wissen, warum er nicht einfach weiter rechts gefahren sei. „Weil ich auf diese Weise den Wagen vom Überholen auf einer zu schmalen Straße abhalten wollte“, sagte der Zeuge. Sowohl die Richterin, als auch die Staatsanwältin und der Verteidiger konnten dieser Argumentation nicht folgen.
Auch dem Video-Schnipsel, den der Zeuge bei seiner Anzeige abgegeben hatte, war nicht viel zu entnehmen. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum Sie hier nicht einfach weiter nach rechts fahren. Ich glaube, dass Sie hier ein Exempel statuieren wollten – und beantrage Freispruch“, sagte die Staatsanwältin.