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Queere Männer suchen einen sicheren Ort

Die Künstlerinnen und Künstler des Café Hilde (v. l.): Sabine Enzmann, Sebastian, Monica Barata, Ben, Jennifer Hihn und Romi Enzmann. Sebastian hat sich komplett hinter Federn versteckt.
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Die Künstlerinnen und Künstler des Café Hilde (v. l.): Sabine Enzmann, Sebastian, Monica Barata, Ben, Jennifer Hihn und Romi Enzmann. Sebastian hat sich komplett hinter Federn versteckt.
  • Susanne Koch
    VonSusanne Koch
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Zwei junge Travestie-Darsteller sind neu im Team des Vereins Grenzfrei kreativ.

Wermelskirchen. „Hallöchen“ – so begrüßt Sebastian die Gäste. Und er fühlt sich dabei sichtlich wohl. Der 17-Jährige hat eine langhaarige, schwarze Perücke aufgesetzt. Er ist sehr schlank, hat schmale Beine und Knöchel und trägt ein schwarzes Kleid. Dazu Netzstrümpfe. Seine Lippen sind rot geschminkt. Wenn seine Stimme nicht so dunkel wäre, würde man ihn glatt als junge Frau ansehen.

Ben ist noch in seinen Alltagsklamotten, als er in den Proberaum an der Wustbacher Straße kommt. Der 16-Jährige tritt auch heute so auf, denn viel Zeit bleibt ihm nicht. Er ist froh, in dieser Saison zum ersten Mal im Café Hilde mitspielen zu können. „Es macht mir großen Spaß“, sagt Ben. Und Sebastian ergänzt: „Hier kann ich so sein wie ich wirklich bin und mich richtig ausprobieren.“
Die beiden Jungen Männer bezeichnen sich als queer. „Leider gibt es hier in Wermelskirchen keinen sichern Ort – keinen safer Space – wo wir uns ungestört mit anderen treffen können“, sagt Sebastian. Und Ben ergänzt: „In Remscheid gibt es zumindest die Gelbe Villa, die bietet jede Woche einen Treffpunkt für queere Menschen und ihre Freunde ab 12 Jahren an. So ein Ort würde uns in Wermelskirchen auch gefallen.“

Während Ben mit seinem queer sein offen umgeht – auch kein Problem damit hat, erkannt zu werden und einen Freundeskreis hat, mit dem er darüber sprechen kann, wenn er möchte – darf Sebastian seiner Familie nichts davon erzählen. „Die sind sehr, sehr konservativ“, sagt er. „Aus diesem Grund möchte ich auch überhaupt nicht erkannt werden.“

Einen Raum in Wermelskirchen – indem sie so sein können, wie sie sind – haben die beiden gefunden: im Ensemble von Café Hilde. „Unser Verein Grenzfrei kreativ, den wir 2016 gegründet haben, bietet den unterschiedlichsten Menschen, einen Ort zum Mitgestalten an“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Sabine Enzmann. Und die Vorsitzende Monica Barata ergänzt: „Wir haben ein offenes Ohr für jeden. Und haben es toll gefunden, als die beiden bei uns angefragt haben.“

Denn bei Grenzfrei kreativ könnten alle Menschen mitmachen. Monica Barata zählt auf: „Alte und Junge, Menschen mit und ohne Handicap, aber natürlich auch queere Menschen. Das schöne, bei uns fühlen sich alle, wie in einer großen Familie.“ Derzeit proben die Schauspielerinnen und Schauspieler bereits an Café Hilde 3. „Und da passt eine Travestienummer natürlich super rein“, sagt Romi Enzmann, die zusammen mit Jennifer Hihn zwei Steuerfahnderinnen spielt. Die beiden wollen herausfinden, ob das Café Hilde nicht zu wenig Steuern zahlt. Und das müsste das Café Hilde, wenn es ein Nachtclub wäre und kein normales Café.

Die Körpersprache ist richtig weiblich ausgeprägt

Sebastian und Ben jedenfalls spielen ihre Rollen schon sehr gut, obwohl sie erst vor kurzem mit den Proben angefangen haben. Sie können die Texte der Lieder auswendig, so dass sie die Stücke gekonnt parodieren. Und auch ihre Körpersprache ist im Spiel richtig weiblich ausgeprägt.

Im September wird erst die Premiere stattfinden. „Bis dahin haben wir noch eine Menge zu proben“, sagt Monica Barata, die die Proben mit Sabine Enzmann begleitet.

Kathrin Kellermann, Pressesprecherin von Wermelskirchen, hat mit Kolja Pfeiffer, dem Jugendleiter der Kattwinkelschen Fabrik, gesprochen. Sie sagt: „Wenn es eine Gruppe von interessierten jungen Menschen gibt, sollen sie sich an Kolja Pfeiffer wenden. Er würde dann mit ihnen zusammen gerne einen Treffpunkt in der Kattwinkelschen Fabrik einrichten.“ Vor ein paar Jahren scheiterte bereits ein Versuch in der Katt aus mehreren Gründen. „Der Jugendreferent des CVJM hat sich vor zwei Jahren zu diesem Thema weitergebildet“, sagt Katja Töbelmann von der Jugendförderung. „Aufgrund mangelnder Nachfrage gelang es damals nicht, einen Treff für queere Menschen zu etablieren.“

Hintergrund

Queer ist eine Sammelbezeichnung für eine sexuelle Orientierung, die nicht heterosexuell ist. Früher war es ein Schimpfwort für Homosexuelle. Doch die Szene deutete es um und nutzt die Bezeichnung nun für sich selbst. Der Begriff bietet eine Form der Identifikation ohne zu klassifizieren.

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