Finanzen
Privatinsolvenzen steigen sprunghaft an
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Schuldnerberatung spricht von Einmaleffekt nach Gesetzesänderung.
Von Stephan Singer
Fast 100 Anträge für Verbraucherinsolvenzen – auch Privatinsolvenzen genannt – leitete die Wermelskirchener Schuldnerberatung im vergangenen Jahr ein. Das ist „relativ viel“, berichteten Jutta Paulig sowie Constanze Hempel im Ausschuss für Soziales und Inklusion.
In den Vorjahren waren es stets zwischen 30 und 40 gewesen. Der Anstieg hat weniger mit den Auswirkungen der Pandemie zu tun, sondern vielmehr mit einer Gesetzesänderung auf Bundesebene. Seit 2021 beträgt die Laufzeit einer Privatinsolvenz, die 1999 in Deutschland eingeführt wurde, nicht mehr sieben, sondern nur noch drei Jahre. „Deutschland hatte mit der Dauer von sieben Jahre im europäischen Vergleich eine sehr lange Laufzeit. Die Verkürzung auf drei Jahre sorgt für eine Anpassung an die europäischen Nachbarländer“, erläuterte Paulig.
Wie die beiden Schulderberaterinnen darstellten, habe sich die Gesetzesnovelle abgezeichnet, weshalb viele Insolvenzanträge nicht Ende 2020, sondern erst in 2021 gestellt worden seien. Deshalb sei der Anstieg ein Einmaleffekt. Aber auch die Corona-Folgen habe man im Blick: „Die Auswirkungen der Pandemie sind nicht vorbei. Es wabert im Hintergrund.“
Die Schuldnerberatung, die sich in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt (AWO) befindet, geht davon aus, dass sich die explosionsartige Erhöhung der Wohn- und der Lebenshaltungskosten negativ auswirken werden. In 2021 führten die Schuldnerberaterinnen, deren Büro sich über dem Restaurant Bergischer Löwe“am Markt befindet, 387 laufende Beratungen durch – 115 davon waren Neuaufnahmen. Die hilfesuchenden Kunden kamen aus allen „Alters- und Bildungsstrukturen der Gesellschaft“: Der jüngste war 21, der älteste 82 Jahre alt.
Leider sei in der Regel das Kind schon in den Brunnen gefallen, wenn sich die überschuldeten Menschen an die Beratung wendeten. „Das ist menschlich nachvollziehbar. Unter dem Strich wäre es meist besser gewesen, wenn sich die Betroffenen früher bei uns gemeldet hätten“, berichteten Paulig und Hempel.
Beratung in Wermelskirchen feiert bald 25-jähriges Bestehen
Jutta Paulig und Constanze Hempel sind mit jeweils 30 Wochenstunden aktiv, hinzukommt zur Unterstützung eine Verwaltungskraft mit 25 Arbeitsstunden pro Woche. Die 1998 ins Leben gerufene Schuldnerberatung in Wermelskirchen ist anerkannte Stelle zur Einleitung von Privatinsolvenzen und blickt im kommenden Jahr auf ein 25-jähriges Bestehen zurück. „Von unserer Arbeit profitiert die Allgemeinheit, denn unsere Unterstützung bringt innerhalb unseres Systems ein Gefüge wieder ins Gleichgewicht, was ins Ungleichgewicht geraten ist“, betonte Constanze Hempel.
t1p.de/oawg1