Schulprojekt
Kinder wachsen im Zirkus über sich hinaus
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310 Kinder der Dhünntalschule verwandeln sich in kleine Artisten.
Von Theresa Demski
Samuel setzt einen Fuß vor den anderen. Hochkonzentriert. Den Blick hat er auf die Spitze der großen Leitern gerichtet. Sprosse für Sprosse klettert er hinauf, streckt dann die Arme aus und zeigt sich seinen Mitschülern. Die leise Unsicherheit, die beim ersten Schritt noch in seinen Augen aufflackerte, ist jetzt verschwunden. „Wir können in den Gesichtern der Kinder lesen, was diese Tage für sie bedeuten“, sagt Friederike Kelzenberg-Gerloff, Schulleiterin der Dhünntalschule. „Die Kinder wachsen über sich hinaus.“
Und genau deswegen lädt die Grundschule mit Standorten in Dhünn und Dabringhausen alle vier Jahre den „Kölner Spielecircus“ ein, um den Jungen und Mädchen Lernerfahrungen außerhalb des Klassenzimmers zu ermöglichen. Unterstützung gibt es dafür in diesem Jahr aus dem Fördertopf „Aufholen nach Corona“ und vom Schulverein. „So kommen alle Schüler während ihrer Grundschulzeit einmal in Kontakt mit dem Mitmachzirkus“, erklärt die Schulleiterin.
Seit Montag sind die Zirkus-Experten aus Köln nun wieder in Dabringhausen zu Gast. „Am Anfang stand die Schulung unseres Teams“, erzählt die Schulleiterin. Alle Lehrer und auch die Eltern, die sich bereiterklärt haben, die Gruppen zu unterstützen, wurden am Montag in die Geheimnisse des Zirkuslebens eingeweiht. Denn sie übernehmen in dieser Woche die Traineraufgaben. „Ohne die Eltern würden wir das nicht schaffen“, sagt die Schulleiterin. Es gebe Mütter und Väter, die sich extra diese Woche freigenommen hätten, um beim Projekt dabei zu sein. Nur so sei es möglich, insgesamt 13 verschiedene Aktionen anbieten zu können.
In den Workshops setzen die Trainer auf die Potenziale der Kinder. „Wir haben vier Tage Zeit“, erklärt Victor De la Rosa vom Zirkusteam, „deswegen haben wir vor allem die Stärken der Kinder im Blick, die schon vorhanden sind.“ Einen Tag lang konnten die Jungen und Mädchen zu Beginn Disziplinen testen und beobachten, welche Aufgaben ihnen liegen und leichtfallen. Danach durften sie Wunschzettel schreiben.
Als besonders beliebt entpuppte sich dabei die Gruppe der Fakire, die am Donnerstagmorgen ganz diszipliniert in der Mehrzweckhalle am Feuertopf übt. „Aber mindestens den zweiten Wunsch konnten wir jedem Kind erfüllen“, sagt Victor De la Rosa. Und so proben dann am Donnerstag insgesamt 310 Grundschüler für ihren großen Auftritt.
Im Foyer der Mehrzweckhalle balancieren die Kinder kunstvoll über Seile und Bänke. Nebenan proben Samuel und seine Mitschüler die Kunststücke auf der Leiter. Die Fakire haben heute zum ersten Mal selbst Berührung mit dem Feuer. „Tut das auch sicher nicht weh?“, fragt Phil noch, bevor er seine Hand ausstreckt. Sein Trainer löscht noch mal kurz die Flamme und erklärt dem Erstklässler, warum ihn genau dieses Feuer ausnahmsweise nicht verletzt. Dann berührt Phil, immer noch etwas vorsichtig, die Fackel und strahlt breit: „Echt. Hat gar nicht wehgetan“, sagt er und riecht dann sicherheitshalber noch mal kurz an seiner Hand, die gerade noch die Flamme berührt hat – bevor er gut gelaunt seinen Trainer abklatscht.
Im hintersten Teil der Halle lernt Bent gerade den Lauf auf einer Tonne. Schwungvoll nimmt der Junge Anlauf, um dann sicher mit den Füßen auf der rollenden Tonne zu landen. Unterstützung bekommt er von einem Vater, der das Projekt unterstützt und seine Hand als Stütze ausgestreckt hat. Als Bent einigermaßen sicher auf der Tonne läuft, stiehlt sich ein leises Strahlen auf sein Gesicht.
„Das haben wir in dieser Woche schon ganz oft beobachtet“, sagt Friederike Kelzenberg-Gerloff währenddessen. Kinder, die am Morgen auf dem Weg zur Halle noch schwören, niemals barfuß über Scherben zu laufen, schreiten am Ende des Tages über das Tuch mit den Scherben. „Und wenn wir ihnen dabei in die Augen blicken, dann können wir sehen, wie sie sich fühlen“, sagt die Schulleiterin. Dieses Zutrauen in sich selbst verankere sich tief in den Schülern. „Und deswegen ist es so wichtig, dass wir ihnen hier den Raum geben, um sich zu erproben“, erklärt Friederike Kelzenberg-Gerloff.
Am Donnerstagmorgen liegt so viel Ausgelassenheit in der Luft, dass die Vorfreude auf den eigenen großen Auftritt in der Manege greifbar wird. Drei Zirkusaufführungen finden zum Abschluss des Projekts am heutigen Freitag statt. Die Kinder haben Eltern, Großeltern und Freunde eingeladen. Jeweils 100 Kinder bestreiten die einstündigen Vorführungen – dafür wurden Gruppen gebildet. Öffentliche Auftritte gibt es nicht.