Karneval

Duo sitzt der Schalk noch im Nacken

Günther Klein (l.) und Erhard Miotk mit Wandteppich.
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Günther Klein (l.) und Erhard Miotk mit Wandteppich.

Günther Klein und Erhard Miotk erinnern sich an den Sitzungskarneval in St. Michael.

Von Theresa Demski

Günther Klein greift zu der kleinen Gitarre. Auf dem Kopf trägt er einen schwarzen Hut. Und kaum hat er zwei, drei Töne auf der Klampfe gespielt, scheint sich ein Hebel umzulegen. Klein beginnt zu summen, auf Erhard Miotks Gesicht zieht ein breites Grinsen. „Das ist wie ein Knopfdruck“, sagt Miotk lachend. Eine kleine Melodie, und die beiden sind mittendrin im Karneval. Ihre Sprache klingt dann noch ein bisschen rheinischer als sonst, und ihnen scheint plötzlich der Schalk im Nacken zu sitzen. Es wirkt fast so, als hätten sie gestern noch in der Bütt gestanden.

Schon 2016 allerdings musste die Karnevalsgesellschaft (KG) Rot-Weiß in St. Michael eine schmerzhafte Entscheidung treffen: Die Besucherzahlen der Karnevalssitzung „Freude unterm schiefen Turm“ waren immer weiter zurückgegangen. Fürs Erste verkündete Klein damals, dass die Veranstaltung 2017 ausgesetzt würde. Zwei Jahre später fand auch die letzte Veranstaltung der „Flotten Hexen“ an Altweiber statt. „Der Sitzungskarneval hatte seine Zeit“, so Miotk, „heute wollen die Menschen mehr Party als Sitzung. Aber das war nicht unser Ziel. Also haben wir die Reißleine gezogen.“

Die KG allerdings blieb bestehen – und mit ihr die lebendigen Erinnerungen an unzählige Sitzungen. Die ersten fanden noch im Pfarrsaal statt – mit maximal 199 Besuchern. „Aber das Interesse war damals riesig“, erzählen die beiden. Also zog die KG in das Evangelische Vereinsheim und schuf Platz für 260 Gäste. Die Tickets waren immer innerhalb weniger Tage verkauft.

Als die Karnevalisten wegen steigender Mieten einen neuen Saal suchten, wechselten sie ins Bürgerzentrum. Weit über 400 Menschen kamen jedes Jahr zur Veranstaltung, bei der Frauensitzung der „Flotten Hexen“ fanden knapp 300 Besucher ihren Platz im Bürgerzentrum.

„Das hat einfach Spaß gemacht“, erzählen beide und verfallen in Dialekt und Anekdötchen. „Für mich wurde das auch zur Familiensache“, erzählt Miotk. Vater Alfred war lange als Sitzungspräsident im Einsatz, Mutter Marlene war die Königin der Eintrittskarten, und mit Bruder Winfried ging er als die „Bröder“ in die Bütt. „Das waren aufwendige Vorbereitungen“, erinnert sich auch Klein, „aber dabei sind Freundschaften entstanden, und Gemeinschaft ist gewachsen.“

Mit den „Botzenträgern“ brachte er karnevalistische Superhits auf die Bühne, mit Rolf Johann ging er als „Die Türme“ in die Bütt. Nie bösartig, manchmal frech. Pfarrer und Bürgermeister müssten einfach damit leben, wenn sie auch mal einen drüber bekommen im Karneval, sagt Klein. „Das waren tolle Jahre“, sind sich die Männer einig.

Und natürlich sei die Entscheidung 2016 schmerzhaft gewesen. „Aber es gab einfach nicht genug junge Leute, die die Aufgabe übernommen hätten“, erinnern sie sich. Vor der Pandemie luden die Karnevalisten noch jährlich zur Matinee in das Katholische Pfarrzentrum ein – aber auch dafür gibt es inzwischen nicht mehr genug Ehrenamtliche, die diese Aufgabe übernehmen könnten.

Unter der Oberfläche brodelt die Karnevalsstimmung in St. Michael aber nach wie vor. „Wir erhalten die Tradition doch ein bisschen am Leben“, sagt Miotk im Pfarrzentrum. Gerade laufen die Vorbereitungen für den Seniorenkarneval am Nachmittag. Und am 11. November saßen die alten Mitstreiter der Karnevalsgesellschaft bei Fleischwurst, Mett und Pittermännchen zusammen.

„Irgendwie gehören Gemeinde und Karneval doch zusammen“, sagt Klein und erinnert an die Fastenzeit. Der Vorabend der Fastenzeit sei eben jener Moment gewesen, in dem der Kühlschrank geleert worden sei. „Natürlich sollte auch das Bier nicht umkommen“, witzeln beide gut gelaunt. Der Karneval war geboren – und mit ihm die Masken, die auch ungestrafte Kritik möglich machten.

Lust auf eine Sitzung – für einen kurzen Augenblick schon

„Wenn Sie uns heute fragen würden: Wollen Sie nicht noch mal zur Sitzung einladen? Dann würden wir sagen: Lust hätten wir schon“, erklärt Miotk. In diesem Moment kommen die ersten Mitstreiter für die Vorbereitung des Seniorenkarnevals ins Pfarrzentrum. „Das wäre toll“, sagt eine Dame, die gerade am Tisch vorbei geht. Sie werde immer noch ganz oft auf den Karneval unterm schiefen Turm angesprochen.

Für einen Augenblick glitzert es im Blick von Günther Klein und Erhard Miotk. Aber dann winken sie lachend ab. Nein, die Zeiten seien vorbei, sind sie sich einig – das gelte für den klassischen Sitzungskarneval und für den Rückhalt an Ehrenamtlichen. „Aber das heißt ja nicht, dass wir nicht trotzdem noch Spaß haben“, ergänzt Klein dann und greift zu der kleinen Gitarre.

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