Projekt
Bürger lernen Wasserprobleme kennen
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50 zufällig ausgewählte Personen aus Wermelskirchen, Burscheid und Hückeswagen entwickeln ein Bürgergutachten Wasser.
Von Karsten Mittelstädt
Während des Zähneputzens dreht Vanessa Kirstein (27) den Hahn zu, um Wasser zu sparen. Denn dass es Verschwendung von kostbarem Wasser ist, hat die Wermelskirchenerin wie fast jeder schon als Kind gelernt. Seit ein paar Tagen hat sie eine etwas andere Sicht auf die Verwendung von Wasser – eine mit viel mehr Wissen. Denn die Hotelfachfrau ist eine von 50 zufällig ausgewählten Bürgern der Städte Wermelskirchen, Hückeswagen und Burscheid, die an der Befragung „Unser Wasser im Bergischen“ der Enerwa teilgenommen hat.
Enerwa ist ein vom Bundesforschungsministerium finanziertes Projekt der Bergischen Uni Wuppertal. Wie kann die Ressource Wasser optimal eingesetzt werden? Das sehen Experten ganz sicher anders als viele Bürger, die mit wenig Fachwissen, aber gesundem Menschenverstand an die Frage herangehen.
In die sogenannte Planungszelle fließen auch die Auffassungen der Bürger ein. „Das schafft bei politischen Entscheidungen eine größere gesellschaftliche Akzeptanz“, erklärte Politikwissenschaftler Mark Schwalm, der das Projekt leitet, im Spatzenhof Wermelskirchen. Dort gaben einige Teilnehmer ihre Eindrücke wider.
Ergebnis der Planungszelle wird ein Bürgergutachten sein, in dem die Problematiken und der künftige Umgang mit der Ressource Wasser dargestellt sind. Das Bürgerbeteiligungsverfahren ist nicht neu, erklärte Schwalm. „Es wird schon seit vielen Jahren eingesetzt, um Konfliktparteien, beispielsweise im Baskenland oder Palästina zu befrieden.
Neu ist aber die Software Politon, die die Forschungsstelle der Uni Wuppertal erstmals in großem Stil eingesetzt hat. Dadurch sind erstmals digitale Abstimmungen am Tablet möglich.
Die Teilnehmer zeigten sich gestern begeistert von dem Diskurs „Unser Wasser im Bergischen“. Das war sehr interessant, ich würde jederzeit wieder mitmachen“, sagt Vanessa Kirstein. Und das, obwohl die 50 Teilnehmer am ersten von vier Tagen von Fachleuten mit viel Wissen „gefüttert“ wurden. „Sehr gut war dann der Besuch der Großen Dhünntalsperre am zweiten Tag“, sagt Max Klein (73), ein weiterer Teilnehmer aus Wermelskirchen. Denn das theoretische Wissen vom Vortrag wurde anschließend in der Praxis dargestellt.
Eigentlich müssten die Wasserrohre kleiner werden
„Wer weiß schon, dass die Talsperrenbetreiber das Wasser immer an der tiefsten Stelle entnehmen, damit sich keine Keime bilden“, erzählte Klein. Die Teilnehmer erfuhren aber auch, welche negativen ökologischen Folgen es hat, wenn dieses kalte Wasser in Bachläufe geleitet wird. „Deshalb sollte der Thermorüssel, der das verhindert, eigentlich an allen Talsperren sein“, sagte eine weitere Teilnehmerin, die Wermelskirchenerin Christiane Müller.
ENERWA
FORSCHUNG Enerwa wird vom Bundesforschungsministerium finanziert. Das Projekt dient zur Erforschung einer energieeffizienteren Wasserverteilung und der Optimierung von Wassergewinnungs- und Aufbereitungsanlagen. BÜRGERBETEILIGUNG Neben Experten- soll auch Bürgerwissen in die Arbeit einfließen, um größtmögliche gesamtgesellschaftliche Akzeptanz zu erhalten.
Die Teilnehmer lernten zu ihrer Verblüffung, dass Wasserwirtschaftsverbände wie Agger- und Wupperverband aufgrund des sparsameren Umganges mit Wasser gezwungen sind, Leitungen durchzuspülen um Verkeimung zu verhindern. „Eigentlich müssten die Leitungen kleiner gemacht werden, aber das ist wohl eine Kostenfrage“, so Müller.
Höhepunkt der Bürgerbefragung dürfte ein Politiker- und Expertenhearing gewesen sein. Die Teilnehmer durften Wermelskirchens neuen Bürgermeister Rainer Bleek, Burscheids Kämmerer Bernhard Lentz, Hückeswagens Bauamtsleiter Andreas Schröder und 18 Experten mit Fragen zum Thema löchern. In Arbeitsgruppen waren zuvor konkrete Fragenkataloge entwickelt worden.
In den kommenden Monaten wird die Bürgerbeteiligung ausgewertet. Am Ende soll ein Gutachten entstehen, das auch die Teilnehmer erhalten. Es wird hoffentlich so verständlich sein, wie die teilnehmenden Bürger.