Premiere
Aus Bücherei wird Einkaufsparadies
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Kleidertausch für Frauen stieß auf große Resonanz.
Von Tanja Alandt
Eigentlich erinnerte am Freitagabend fast alles an ein normales Shoppingerlebnis: Viele Frauen griffen euphorisch ein Kleidungsstück nach dem anderen und sammelten ihre Errungenschaften erst einmal auf dem Arm, während die Herren weniger euphorisch auf den Stühlen neben der Umkleidekabine ausharrten und warteten. Die Umkleidekabinen bestanden jedoch aus einem gespannten Tuch zwischen Bücherregalen, da dies alles in der Stadtbücherei Wer-melskirchen stattfand. Zudem war die Kleidung keine Fast Fashion, sondern im Gegenteil besonders gut für die Umwelt. Denn die Stadtbücherei Wermelskirchen lud unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zu ihrem ersten Kleidertausch für Frauen ein.
Vor etwa zwei Wochen nahm das Team der Stadtbücherei die noch gut erhaltenen Kleidungsstücke sowie Accessoires, wie Gürtel, Schals und Taschen, für den Kleidertauschabend entgegen und vergab für jedes Teil jeweils eine Marke. Mit den bis zu zehn Marken konnten Interessierte neue Kleidungsstücke bei dem rund zweistündigen Kleidertausch erstehen.
110 Frauen machten mit, es gab 875 Einzelstücke
„110 Frauen haben teilgenommen, wir haben 875 Einzelstücke zum Tauschen hier“, berichtete Kathrin Ludwig, Leiterin der Stadtbücherei. Nur zwei bis drei Stücke hatten sie zurückgehalten, da diese dann doch ein paar wenige Löcher enthielten, die bei der Annahme nicht ersichtlich waren.
Die Idee gibt es schon lange und hatte das Team bereits vor Jahren in anderen Stadtbüchereien gesehen. Umsetzen konnte es dies aufgrund der Pandemie erst jetzt. „Mit so einem Ansturm hatten wir nicht gerechnet“, bekannte Kathrin Ludwig, die positiv überrascht wurde. Spontan kam zudem noch eine Frau vorbei, die ihre Kleidungsstücke vorher nicht abgegeben hatte und dies ausnahmsweise noch während des Events machen durfte. „Von den Dimensionen waren wir logistisch schon etwas gefordert“, sagte Ludwig. Vom Teenie-Alter bis zu Ü-70-Damen war die weibliche Fraktion vertreten. Sogar aus Remscheid oder Hückeswagen kamen Mädchen und Frauen.
Die Spiegel hatte das achtköpfige Stadtbücherei-Team selbst mitgebracht und die untere Etage der Stadtbücherei mit Tüchern und Wäscheleinen zwischen 16 bis 18 Uhr in ein Shopping-Paradies verwandelt. Die Kleidungsstücke hatten die Mitarbeitenden vorsortiert und nach Größe und Art geordnet. Von der Evangelischen Kirchengemeinde bekamen sie zusätzliche Kleiderstangen und Kleiderbügel. „Wir wollten erst einmal nur mit Kleidung für Frauen anfangen und gucken, wie es läuft“, berichtete Ludwig. Dass der Bedarf so groß ist und nach einer Wiederholung verlangt, war deutlich.
Nicht nur die Umwelt freute sich, da jede Menge Ressourcen gespart wurden – auch die Frauen freuten sich. Während beispielsweise Tauscherin Janis Katja Dietrich zwischen den ganzen Kleidungsstücken glücklich hervorlugte, war Thomas Stach einer der wenigen Herren, die geduldig im Sessel warteten. „Das ist mein Fahrer!“, erklärte sie gut ge-launt. Sie war gespannt, ob die Sachen, die sie ausgesucht hatte, auch passen und freute sich, selber sechs Teile losgeworden zu sein, die ihr nicht mehr passten oder gefielen. „Die waren zu schade für die Altkleidersammlung“, sagte sie.
Auch Janina Pidun und Anika Koenen waren begeistert und fündig geworden. „Vor allem ist es so ein nettes Miteinander und kein Geschubse, aus Angst, nichts mehr zu bekommen“, fand Pidun. Koenen lobte die Idee: „Man schmeißt nichts weg, und jemand anderes freut sich.“ Bei der Altkleidersammlung wisse man nicht, ob die Kleidungsstücke nicht doch zu einem Putzlappen gemacht werden, sagten beide. Und: Zwischen Bücherregalen hätten sie sich noch nie umgezogen.
Anna Schäfer und Eileen Schubert fanden es ebenfalls eine tolle Möglichkeit, Sachen einfach loszuwerden und die Fehlkäufe anderer Frauen zu bekommen, die sie wiederum schön finden. Sie waren ebenfalls der Meinung, dass es so etwas im Sinne der Nachhaltig-keit viel öfter geben muss. Nachdem das Event vorbei war, konnte Ludwig, die sich über die gute Stimmung und das positive Feedback freute, ihr Fazit ziehen: Etwa Dreiviertel der abgegebenen Stücke seien weg.
Hintergrund
Was an Kleidungsstücken nicht getauscht wurde, geht weiter an karitative Einrichtungen in Wermelskirchen. Die Stadtbücherei hat weitere Ange-bote im Sinne der Nachhaltigkeit, wie beispiels-weise eine „Saatgut-Bibliothek“ oder eine „Bib-liothek der Dinge“ mit Gegenständen, die man nicht jeden Tag braucht.
Früher, in den Siebzigern, legte man sich in seiner Jeans ins Badewannenwasser, damit diese noch enger anlag. Und niemand dachte beim Stichwort Jeans-Produktion an Nachhaltigkeit. Früher war eben nicht automatisch alles besser. Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Bis zu 8000 Liter Wasser verschlingt die Produktion einer Jeans. Das liegt an der immensen Menge an Baumwolle, die für die Produktion benötigt wird. Und Baumwolle braucht Wasser. Sehr viel Wasser. Damit nicht genug. Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel kommen zum Einsatz.
Und zum Schluss, der optischen Effekte wegen, wird gebürstet, gebleicht und sandgestrahlt, was das Zeug hält. Nicht sehr umweltfreundlich also. Eine richtig gute Idee ist es, Kleidungsstücken durch einen Tausch ein längeres Leben und häufigeres Tragen zu verschaffen. In Wermelskirchen ist das jedenfalls richtig gut angekommen. Einer Wiederholung steht nichts im Weg!