Verein Hennamond

Anlaufstelle für Opfer familiärer Gewalt

Thomas Wintgen ist im Vorstand des Vereins Hennamond. Das gleichnamige Buch ist von der Gründerin des Vereins geschrieben.
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Thomas Wintgen ist im Vorstand des Vereins Hennamond. Das gleichnamige Buch ist von der Gründerin des Vereins geschrieben.

Wermelskirchener ist ein Gesicht des Vereins Hennamond.

Von Wolfgang Weitzdörfer

Wermelskirchen. Ehrenmord ist ein Thema, das sich bei den meisten Menschen nicht ganz oben in der Wahrnehmung befindet. Ab und zu wird ein Fall bekannt, dann allerdings meist in durchaus umfangreicher Form. Es ist ein besonders abscheuliches Verbrechen, wenn Frauen und Männer ermordet werden, weil sie sich der patriarchalen Struktur ihres Familienhauses zu entziehen versuchen. Einer Studie des Max-Planck-Instituts im Auftrag des Bundeskriminalamts zufolge, die allerdings schon im Jahr 2011 erhoben wurde, sind übrigens 43 Prozent der Opfer Männer. Der Verein Hennamond, der seinen Sitz zwar in Köln hat, in dessen Vorstand allerdings die Wermelskirchener Thomas Wintgen und seine Frau Freya sind, hat sich zur Aufgabe gemacht, dieses Thema aus den betroffenen Familien und in die Öffentlichkeit zu holen. „Das ist einfach immer noch viel zu selten der Fall“, betont der 66-jährige Wintgen.

Gegründet wurde der Verein vor etwa 20 Jahren, Wintgen selbst ist seit etwa zwölf Jahren Mitglied. „Ich war damals noch berufstätig, saß in der Redaktion, als ein Kollege zu mir kam und sagte, dass die Vereinsgründerin Sonja Fatma Bläser auch in Wermelskirchen präsent sei. Ich habe mich mit ihr getroffen, wir haben einige Stunden gesprochen. Und das hat mich so beeindruckt, dass ich unmittelbar danach Mitglied geworden bin“, erklärt Wintgen. Ihre Geschichte hat die Deutsch-Kurdin im Buch „Hennamond – Mein Leben zwischen zwei Welten“ aufgeschrieben. Sie arbeite unermüdlich daran, ihr Thema die Öffentlichkeit zu geben, die es brauche, sagt Wintgen. „Es gibt auch hier im Bergischen Land echte Parallelwelten, in denen Zwangsheirat, Ehrenmord und familiäre Gewalt ganz normal sind.“

Wichtig sei an dieser Stelle allerdings, einem typisch westlichen Reflex entgegenzuwirken. „Das kommt keineswegs nur im Islam vor, wir wollen auch kein islamfeindliches Bild konstruieren“, betont Wintgen. Abgesehen davon sei es auch im westlichen Kulturkreis noch gar nicht so lange her, dass es Zwangsheiraten gegeben habe – man denke dabei nur etwa an Hochzeiten zwischen Adelsgeschlechtern, in denen es eher um Machtzementierung denn um Liebesbeziehungen gegangen sei. „Was allerdings wirklich schmerzlich festzustellen ist, ist die Tatsache, dass wir aktuell eine Rückkehr in die patriarchalen Strukturen innerhalb von Familien bemerken, die teilweise schon in der dritten oder vierten Generation in Deutschland leben“, sagt Wintgen. Und ergänzt beinahe schon etwas ernüchtert: „Davon, dass wir unseren Verein auflösen könnten, sind wir weit entfernt.“

Durch Öffentlichkeit schafft man ein Interesse, das den Betroffenen helfen kann. Es gibt drei Standbeine, die Hennamond hierfür verwendet. Das erste sind Vorträge und Lesungen, das zweite Standbein sind die Beratungen, die sich an Eltern, Familien oder eben auch die Betroffenen selbst richteten. „Wir versuchen tatsächlich, auch die Familien selbst zu erreichen, jene Menschen also, die die Zwangsheirat befürworten – dort etwas bewirken zu können, ist aber sehr schwer“, sagt der 66-Jährige.

„Champs“ sensibilisiert und bietet Anlaufstellen für Jugendliche

Noch relativ neu sei das dritte Standbein – das Projekt „Champs“, das es seit etwa sechs Jahren gebe. „Wir bilden Menschen zwischen 16 und 23 Jahren aus – sehr intensiv für ein Jahr. Der Hintergrund ist, dass sie sich an Jugendliche in Schulen oder Berufsschulen wenden können, um über Werte wie Demokratie, Toleranz, Rollenbilder, Gewaltprävention, Antisemitismus oder auch Ehrenmord und Zwangsheirat zu informieren“, sagt Wintgen. Die Arbeit unter Gleichaltrigen sei wesentlich effektiver, als wenn Erwachsene sich damit an die Jugendlichen wenden würden. „Das Peer2Peer-Konzept hilft, eventuelle Schranken abzubauen. Es ist ganz oft so, dass nach den Terminen, wenn die ‚Champs‘ an den Schulen waren, mehrere junge Mädchen sich melden und sagen, dass sie diese Probleme oder Erfahrungen selbst schon gemacht hätten“, sagt Wintgen.

Alle Standbeine seien wichtig, allerdings würden die Beratungen natürlich den Betroffenen am unmittelbarsten helfen. „Wir haben eine Beratungsstelle in Köln, sind aber auch per Telefon und E-Mail erreichbar“, so Wintgen. Auch hier sei der wieder wachsende Beratungsbedarf messbar. „Als ich angefangen habe, waren es um die 450 Personen, die zu uns gekommen sind. Daran schließen sich sehr oft deutlich mehr Termine an, es ist selten mit einem Gespräch getan“, sagt der 66-Jährige. Während der Pandemie sanken die Fallzahlen zunächst, mittlerweile sind sie wieder auf demselben Niveau wie zuvor.

Beratung

Beim Verein Hennamond können Betroffene sich in neun verschiedenen Sprachen beraten lassen. Die Beratungen reichen von einfachen Gesprächen bis hin zur Suche einer Zufluchtsstätte. Wichtig ist: Es werden sowohl Mädchen und Jungen, Frauen und Männer sowie Familien beraten.

www.hennamond.de

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