Flucht und Vertreibung
2020 kamen 105 Flüchtlinge - 2022 sind es bereits 1337
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
- VonFrank Michalczakschließen
Ausländeramt registrierte 1337 Menschen. Der Zustrom aus Ukraine hat nachgelassen, dafür kommen jetzt Menschen aus anderen Krisengebieten. Stadt sucht weitere Erstunterkunft.
Von Frank Michalczak
Remscheid. Bei einer Weihnachtsfeier rückten Geflüchtete aus dem Kriegsgebiet im Hackenberger Ukraine-Zentrum zusammen. Am Samstag zeigten dabei Talente der Lenneper Schule für Musik, Tanz und Theater ihr Können. Mit dabei: Milana und Yana aus der Ukraine, die Klavier und Klarinette im Duett spielten.
So wie sie leben auch die meisten ihrer Zuhörer erst seit wenigen Monaten in der Bundesrepublik. Über 1000 Menschen aus dem Kriegsgebiet fanden mittlerweile in Remscheid Zuflucht. Die meisten von ihnen kamen auf eigenen Wegen ins Bergische Land. Etwa die Hälfte ist privat untergebracht, zum Beispiel bei Freunden, Verwandten oder in Wohnungen, die sie angemietet haben. 518 Geflüchtete aus der Ukraine wohnen in städtischen Unterkünften.
Dazu auch der Standpunkt von Frank Michalczak
Zuletzt seien deutlich weniger Menschen aus dem Kriegsgebiet in Remscheid angekommen als noch im Frühjahr oder Sommer, sagt die zuständige Rechtsdezernentin Barbara Reul-Nocke: „Das mag daran liegen, dass sie einfach nicht mehr aus dem Land können. Große Teile der Infrastruktur sind ja mittlerweile zerstört.“
Zahl der Flüchtlinge aus anderen Regionen liegt höher
Dennoch zeichnet sich Raumnot in Remscheid ab. Denn: Längst hat der Flüchtlingsstrom aus anderen Regionen zugenommen. Allein im laufenden Quartal seien Remscheid von der Landesbehörde 100 Menschen zugewiesen worden, die aus Staaten wie Syrien, Afghanistan, Irak oder dem Iran geflohen sind. Zum Vergleich: 46 Geflüchtete aus der Ukraine wurden seit Oktober in Remscheid registriert.
Hölterfeld: Kapazitäten nahezu ausgeschöpft - neue Erstunterkunft gesucht
Immer mehr Menschen unterzubringen, stellt die Ausländerbehörde vor wachsende Herausforderungen. „Auch in der Erstaufnahme in Hölterfeld sind die Kapazitäten nahezu ausgeschöpft“, berichtet Barbara Reul-Nocke.
In der dortigen Turnhalle und dem benachbarten Schulgebäude wurden bis zuletzt ausschließlich Ukrainer untergebracht. Nun kamen die ersten Menschen aus Schwarzafrika hinzu. „Der Handlungsdruck wächst. Wir benötigen eine weitere Erstunterkunft“, betont die Dezernentin.
Infrage kämen leerstehende Schulen – oder auch eine weitere Turnhalle. „Problem ist, dass wir hier ohne weiteres keine Trennung vom Schlafbereich und der Essensausgabe herstellen können.“ In Hölterfeld sei dies durch die Kombination aus Turnhalle und Schulgebäude gewährleistet.
Parallel laufe die Suche nach freiem Wohnraum weiter auf Hochtouren. Denn nach Möglichkeit sollen die Menschen nur für kurze Zeit in der Erst- oder in den Sammelunterkünften bleiben, die sich unter anderem an der Wülfingstraße oder der Klauser Delle in Lüttringhausen befinden.
Wie schnell sie sich in den vergangenen Monaten gefüllt haben, lässt sich an Zahlen ablesen: 2020 nahm Remscheid 105 Geflüchtete auf, 2021 waren es 181. In diesem Jahr sind es siebenmal so viele: 1337 Menschen wurden von der Ausländerbehörde registriert, bilanziert Claudia Schwarzweller, die sich als Fachdienstleiterin um das Thema Zuwanderung bei der Stadtverwaltung kümmert. „Die Kollegen haben am Rande des Leistbaren gearbeitet. Das war eine Gratwanderung.“ Fünfeinhalb zusätzliche Stellen werden geschaffen, wofür der Stadtrat zuletzt grünes Licht gab. Am Freitag hat die letzte Bewerbungsrunde stattgefunden. „Ich bin zuversichtlich, dass wir nun alle Posten besetzen können.“
Sie rechnet angesichts der Krisen dieser Welt nicht damit, dass der Flüchtlingsstrom abreißt. „Und auch wenn viele Ukrainer in ihre Heimat zurück wollen, ist angesichts des Kriegsgeschehens nicht mit einer baldigen Rückkehr zu rechnen.“ So könnte es auch 2023 zu einer Ausnahmesituation in der Behörde kommen. „Ich kann nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass wir nicht noch weiteres Personal brauchen“, erklärt Claudia Schwarzweller, die aktuell 40 Mitarbeitende an ihrer Seite weiß.
Unterkünfte für Geflüchtete in Remscheid
Sechs Übergangsheime und eine Wohnanlage hält die Stadt für Geflüchtete bereit. Dort leben rund 475 Menschen. Zusätzlich steht die Erstunterkunft Hölterfeld zur Verfügung, wo mittlerweile über 120 Bewohner untergebracht sind. Erklärtes Ziel der Stadtverwaltung ist es, für jeden Geflüchteten möglichst schnell eine passende Wohnung in Remscheid zu finden.
Standpunkt von Frank Michalczak: Entschlossen handeln
Die Menschen, die am Samstag im Ukraine-Zentrum zusammenkamen, werden in den allermeisten Fällen erstmals das Weihnachtsfest fern ihrer Heimat feiern. Dies ist die Folge eines Kriegs, der auch uns in Remscheid längst betrifft.
Über 1000 Geflüchtete aufzunehmen, sie zu versorgen und ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben, ist ein Musterbeispiel dafür, dass der öffentliche Dienst funktioniert. Es ist nicht das Einzige: Seit Corona gibt es Krisenstäbe statt Gesprächsrunden. Notfallpläne werden konzipiert – für den Fall, dass es zu Stromausfällen und Energieengpässen kommt. Die Wohngeldstelle wird deutlich breiter aufgestellt.
Und, siehe da: All das funktioniert ganz und gar ohne die Dienste externer Fachbüros, die sich ansonsten im Rathaus großer Popularität erfreuen, sondern aus der Mitte der Stadtverwaltung und der sonstigen Träger öffentlicher Belange. Es geht eben nichts über Entschlossenheit.