Nachhaltig
Wuppertalsperre kann viel mehr Strom liefern
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Die neue Wasserkraftanlage des Wupperverbandes ist fertig. Für die Inbetriebnahme fehlt ein Zertifikat.
Remscheid. Eine Million Kilowattstunden Strom wird die neue Wasserkraftanlage an der Wuppertalsperre im Jahr produzieren. Das ist so viel wie 290 Vier-Personen-Haushalte. Turbine, Getriebe, Generator sind einsatzbereit, ein erster Probelauf verlief erfolgreich. Nur Strom produziert das Kraftwerk am Fuß des Staudamms bislang nicht. Es fehlt ein Zertifikat, ohne das der grüne Strom aus Wasserkraft in Deutschland nicht ins Netz gehen darf. Auch nicht in der Energiekrise.
Seit 1987 nutzt der Wupperverband die Kraft des Wassers, um an der im gleichen Jahr fertiggestellten Wuppertalsperre Strom zu produzieren. Die erste Anlage, für die am Dammfuß ein Krafthaus mit vielen Etagen unter der Erde gebaut wurde, liefert verlässlich bis zu fünf Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr. Mit der neuen Anlage, die ebenfalls in einem Betonbauwerk unter der Erde installiert wurde, könnten also bereits heute sechs Millionen Kilowattstunden erzeugt werden – genug für 1700 Haushalte.
Der Aufbau war im wahrsten Sinne Millimeterarbeit. Stahlträger, Turbine, Rohre und vor allem der Hightech-Generator mussten durch ein kaum zwei mal zwei Meter großes Loch in der Betondecke gehoben werden. „Dabei habe ich noch ein paar meiner bereits spärlich vorhandenen Haare verloren“, erzählt Olaf Semrau mit einem Schmunzeln.
„Dabei habe ich noch ein paar Haare mehr verloren.“
Der Leiter des Instandhaltungsbetriebs des Wupperverbandes hat den RGA mitgenommen in den unterirdischen Betonbau, der ein bisschen an einen Bunker erinnert. Ein blaues Stahlrohr ragt dort aus der Wand.
Im Durchmesser hat es drei Meter. Es verbindet den Turbinenraum mit dem Windwerkshaus, das von der Wupperbrücke am oberen Talsperrendamm zu sehen ist. Von dort rauscht das Wupperwasser durch den Damm abwärts in Richtung der Turbine mit einem Schluckvermögen (heißt wirklich so) von bis zu 2,5 Kubikmeter pro Sekunde. Zum Vergleich: Das entspricht dem Inhalt von zwölf Badewannen.
An einem Schaltschrank nimmt Olaf Semrau die Anlage in Betrieb. Ein Schieber bewegt sich in die Waagerechte und lässt das Wasser auf die Schaufeln der Turbine strömen. Die Anlage fährt hoch. Der Lärm, der jetzt zu hören ist, lässt die Besucher Kopfhörer aufsetzen. Die rotierenden Schaufeln bringen den Generator auf 1000 Umdrehungen in der Minute und lässt die Temperaturen bei längerem Betrieb rapide steigen. Um nicht Schaden zu nehmen, muss die Anlage gekühlt werden. Der Wupperverband nutzt dafür als Medium – was sonst? – das Talsperrenwasser.
1,9 Millionen Euro hat der Wupperverband in die neue Wasserkraftanlage investiert. „Sie ergänzt die alte Anlage von 1987 optimal“, sagt Verbandssprecherin Susanne Fischer. Denn die funktioniert einerseits bei geringem Wasserabfluss. Und kann andererseits bei großen Wassermengen hinzugeschaltet werden.
„Das macht die regenerative Energie auch in Zeiten des Klimawandels mit sehr wechselnden Wasserressourcen zukunftsfähig“, sagt Susanne Fischer: „Der Wupperverband fördert durch das Projekt die Reduzierung von CO2 und leistet so einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende.“
Wenn sie denn bald ans Netz gehen kann. Bereits 2016 begann der Wupperverband mit den Planungen. 2020 wurde der Auftrag vergeben, 2021 der Bau begonnen und 2022 abgeschlossen. Kostensteigerungen sorgten für Verzögerungen. Und Auflagen der EU. „Jetzt ist alles fertig“, sagt Olaf Semrau. Und die Anlage könnte Strom produzieren. Eigentlich. Denn noch fehlt jenes Anlagenzertifikat, ohne das es in Deutschland nicht geht. Auch nicht in der Energiekrise. Im Frühling soll es soweit sein, hofft der Wupperverband. Wenn diejenigen, die ein solches Zertifikat ausstellen, bis dahin Zeit gefunden haben, ins Bergische Land zu kommen.
Größte Anlage im Verbandsgebiet
Die beiden Wasserkraftanlagen an der Wuppertalsperre sind die größten im Gebiet des Wupperverbandes. Weitere solcher Kraftwerke, die die Kraft des Wassers in grünen Strom verwandeln, befinden sich unter anderem an der Bever-, der Großen Dhünn-Talsperre, an der Ronsdorfer Talsperre oder auch an der Kläranlage Buchenhofen. Der Wupperverband nutzt den Strom für den eigenen Betrieb und speist ihn in das Stromnetz der Region ein.
Standpunkt von Axel Richter: Bürokratiemonster
Spätestens seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine ist klar: Deutschland braucht mehr Ökostrom. Viele Unternehmen und Bürger sind zu entsprechenden Investitionen bereit. Für unser Land ist das eine gute Nachricht. Das Problem: Die Bürokratie bremst die guten Initiativen aus.
Die Wasserkraftanlage an der Wuppertalsperre ist dafür nur ein Beispiel. Wer als Hausbesitzer seine Mieter mit eigenem Sonnenstrom versorgen will, wird quasi zum Stromanbieter mit allen Pflichten. Das Hauptzollamt fragt nach steuerrechtlichen Angaben, und die Bundesnetzagentur will wissen, wer wie viele Kilowattstunden aus dem öffentlichen Netz und wer wie viele Kilowattstunden aus der PV-Anlage bezieht. Alles muss dokumentiert und versteuert werden. Ohne Steuerberater blickt niemand mehr durch. Das Ergebnis: Die Anlagen fallen kleiner aus als möglich. Oder es wird, obgleich möglicht, erst gar keine aufs Dach gebaut.
Entschuldigung, spricht da noch wer von Energiewende?