Katastrophe in Syrien und in der Türkei

Späte Erdbebenhilfe in Syrien: „Politik behindert die Menschlichkeit“

Im syrischen Idlib werden die ersten Opfer begraben.
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Im syrischen Idlib werden die ersten Opfer begraben.

Nach dem Erdbeben: Syrien erhält weniger Hilfe als die Türkei, beklagt die kurdische Gemeinde Piroz. Syrer in Remscheid berichten von der Lage im Erdbebengebiet.

Von Peter Klohs

Remscheid. Nach dem Erdbeben mit Zehntausenden Toten ist Hilfe unterwegs. Während immer mehr Spenden, Hilfsgüter und Helfer die Türkei erreichen, sieht es in Nordsyrien noch ganz anders aus. Erst am Wochenende sei erste Hilfe eingetroffen, berichtet Tasneem Alghoubary von der kurdischen Gemeinde Piroz in Remscheid.

„Leider spielt die Politik eine immer wichtigere Rolle“, sagt Alghoubary. „Die Politik behindert die Menschlichkeit.“ Der syrische Machthaber Assad verschließe die Augen vor der Katastrophe im Norden des Landes, der von Kurden bewohnt wird und daher als Rebellengebiet gilt.

Der Verein Piroz würde sehr gerne den Landsleuten helfen, ist aber ratlos, auf welche Weise dies geschehen könnte. „Es ist sehr fraglich, ob der Versand von Hilfsgütern diejenigen erreicht, die sie brauchen“, sagt Adnan Suleman. „Flugzeuge, die in Damaskus landen, werden entleert, aber wohin gehen dann die gesendeten Hilfsgüter? Sicher nicht in den Norden zu den Kurden, nicht nach Afrin, Aleppo oder Idlib. Sehen Sie, die Lage ist so: Im Allgemeinen hilft bei solchen Katastrophen die halbe Welt. Aber uns hilft niemand“, meint Adnan Suleman.

Wollen in der Region Idlib helfen (v. l.): Nureddin und Tasneem Algoubary, Amina Hannan sowie Adnan Suleman.

Nureddin Alghoubary gibt ein Beispiel: Die die Region um die Stadt Dschinderes, zwanzig Kilometer nordwestlich der Millionenstadt Aleppo gelegen, sei stark betroffen. „Erst gestern habe ich Nachricht aus der Region bekommen“, sagt der Kurde. „Es gibt keine guten Nachrichten: Mehr als 1000 Tote sind in der Stadt zu beklagen. Und noch mehr werden unter den eingestürzten Häusern vermutet.“ Insgesamt geht man von fünf Millionen Obdachlosen in Folge des Erdbebens im Norden Syriens aus.

Große Unsicherheit: Werden die Spenden überhaupt ankommen?

Die Syrer benötigen hauptsächlich Kleidung, Zelte, Medizin und Milch für die Babys. Für Rollstühle, Gehilfen und Fahrräder gibt es eine Sammelstelle in Neuss. Aber auf welche Weise solche Güter die Region erreichen, ist unklar. „Und selbst wenn man die Waren anliefern wollte“, sagt Amina Hannan, „muss man bedenken, dass durch das Erdbeben sehr viele Straßen zerstört sind. Der Transport wäre gefährlich, vielleicht auch unmöglich.“

Dennoch wollen die Männer und Frauen von Piroz sich davon nicht abhalten lassen. So sprachen sie am Dienstag mit Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz und Erden Ankay-Nachtwein, der Vorsitzenden des Integrationsrates über mögliche Hilfslieferungen aus Remscheid in den Norden Syriens. Und auch an Geldspenden denken die Piroz-Mitglieder. Doch: „Das ist genau so“, antwortet Nureddin Alghoubary. „Eine gute Sache, aber auch unsicher.“ Denn niemand weiß, ob das Geld wirklich bei den Betroffenen ankommt. Ankay-Nachtwein empfiehlt daher Spenden an „Deutschland hilft“.

Ruhig, gefasst, aber erschüttert schildert Adnan Suleman die Situation der Kurden. „Wir wollen ja nicht viel“, erklärt er. „Wir möchten nur in Ruhe leben. Es ist nicht unser Fehler, dass die internationale Politik für die Probleme in Syrien keine Lösung hat.“

Und jede Familie habe dazu noch ihre eigenen Probleme. So wie Nureddin und Tasneem Alghoubary. Er ist Apotheker, sie Bauingenieurin. Er hat in Deutschland noch keine Arbeit gefunden, sie arbeitet als Pflegehelferin.

Dennoch geht es ihnen jetzt vor allem um die Familie, Verwandte und die Landsleute im Erdbebengebiet. „In Syrien braucht man Hilfe“, schließt Sulemann. „Und wir sind bereit.“

Hintergrund

Die Remscheiderin Kerstin Wellenbeck lernte Adnan Suleman an der Leergutabgabe eines Supermarktes kennen. Schnell kam man ins Gespräch und traf sich auf einen Kaffee. Zum Treffen brachte Adnan zwei weitere Kurden mit, die über das Leid im Norden Syriens anschaulich berichteten. Kerstin Wellenbeck wandte sich anschließend an den RGA. Der Verein Piroz sucht indes noch Räume für Sitzungen und einige bereitgestellte Hilfsgüter.

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