Bildatlas
NS-Zeit: „Last seen“ klärt über Schicksale auf
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Mit der Hilfe von Filtern oder einer interaktiven Karte lässt sich nach spezifischen Städten suchen – und über die Schicksale von verfolgten Juden, Sinti und Roma forschen.
Von Lucas Hackenberg
Remscheid. Remscheid, am 3. März 1943. Über 200 Sinti und Roma aus der Region werden vom Bahnhof aus in Richtung Auschwitz deportiert. 87 davon alleine aus Remscheid. Wie wir heute wissen, wurden fast alle verschleppten Männer, Frauen und Kinder im Konzentrationslager ermordet. Geschichten wie diese verdeutlichen die Gräueltaten der Nationalsozialisten während ihrer Herrschaft in Deutschland überdeutlich. Fotoaufnahmen von den Deportationen, die den Beginn des Leides der Menschen und das Herausreißen aus der Gesellschaft zeigen, sind aber bis heute sehr selten.
Um dem Vergessen entgegenzuwirken, stellt die Initiative „Last seen“ seit Dienstag ein neues Angebot ins Netz. In Zusammenarbeit mit den Arolsen-Archives, einem internationalen Zentrum zur Dokumentation von NS-Verfolgung, und fünf weiteren namhaften Institutionen aus Deutschland und den USA, sammelte und digitalisierte man über 100 Bilder und bereitete sie auf. 1700 öffentliche und private Archive wurden dazu kontaktiert. Nach 18 Monaten intensiver Recherche kann man nun einen Bildatlas präsentieren, der neben den Fotos auch bekannte Hintergrundinformationen zu den Aufnahmen bereitstellt. Mit der Hilfe von Filtern oder einer interaktiven Karte lässt sich nach spezifischen Städten suchen – und über die Schicksale von verfolgten Juden, Sinti und Roma forschen.
Ganz deutlich wird dabei der Bildungsauftrag, welchen „Last seen“ durch die Foto-Dokumentation gestärkt sieht. „Man muss Fotos lesen und interpretieren lernen“, sagt Dr. Alina Bothe, Projektleiterin der Initiative. Die meisten der über 100 Fotos seien aus Täterperspektive, beispielsweise von der Polizei, aufgenommen worden. „Die Einordnung der Bilder in ihren historischen Kontext ist deshalb von entscheidender Bedeutung“, führt sie aus. Erstmalig lägen die Bilder nun in gesammelter Form, digital und fachlich erschlossen, vor.
Remscheider Geschichte wird in einem Lernspiel thematisiert
Die Interaktivität des Bildatlasses nahmen die Partner als Anlass, dem Projekt noch eine weitere Komponente hinzuzufügen. Zusammen mit der Agentur „&why“ wurde ein Lernspiel entwickelt, welches sich speziell an Schüler und Schülerinnen richtet – und von ihnen mitentwickelt wurde. Man findet sich als Bloggerin auf einem Dachboden wieder und muss durch Klicks auf verschiedene Dokumente die Bilder für sich selbst erschließen. Mit jedem untersuchten Foto steigt der Spielfortschritt.
Das Spiel, welches bisher nur in der Beta-Version vorhanden ist und noch weiterentwickelt wird, basiert auf drei Bildserien aus Eisenach, München und Remscheid. In Remscheid werden dabei vor allem die verschleppten Sinti und Roma in den Fokus gerückt, welche mit knapp 500 000 Ermordeten die zweitgrößte Opfergruppe der verfolgten Minderheiten im Dritten Reich darstellen. Hans Heinz Schumacher, Vorsitzender der Gedenk- und Bildungsstätte Pferdestall Remscheid e.V., sieht großes Potenzial in dem Spiel. „Es bildet eine lebendige Ergänzung zum Geschichtsbuch. Die Schulen werden davon in jedem Fall profitieren“, meint Schumacher.
„Last seen“
Der neue Bildatlas der Initiative „Last seen“ fasst auf über 100 digital bereitgestellten Fotos Schicksale von deportierten Juden, Sinti und Roma zwischen 1938 und 1945 zusammen. Auch Remscheid ist mit vier Fotos im Bildatlas vertreten. Der Atlas und das parallel entwickelte Lernspiel sind seit Dienstag auf der Website von „Last seen“ zu finden: www.lastseen.org