Statt Papierrezept

Nachfrage noch gering: E-Rezept braucht Anlaufzeit

Henning Denkler von der Regenbogen-Apotheke in Remscheid präsentiert das neue E-Rezept.
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Henning Denkler von der Regenbogen-Apotheke in Remscheid präsentiert das neue E-Rezept.

Ausgedient hat das altbekannte, rosafarbene Papierrezept zwar noch nicht, jedoch steht die Konkurrenz bereits in den Startlöchern.

Von Lucas Hackenberg

Remscheid. Seit September 2022 können die Remscheider in den Apotheken ihre Rezepte auch in elektronischer Form einreichen. Das geht im Grunde ganz einfach. Für die Medikamente werden in den Arztpraxen QR-Codes erstellt, die bei den Apotheken in ausgedruckter Form oder in Zukunft auch mit Hilfe einer Smartphone-App vorgelegt werden können. Die Kunden müssen dabei nicht viel Neues beachten. Die Abgabe des ausgedruckten QR-Codes erfolgt auf gleichem Weg wie beim Vorgänger. Einzig die Nachfrage nach der Neuerung ist bisher kaum gegeben.

Die Praxis von Dr. Bettina Stiel-Reifenrath kommt bisher noch weitgehend ohne die Ausstellung von E-Rezepten aus. „Die Zeit der E-Rezepte wird sicher kommen, noch hat sich aber nicht alles gefunden“, sagt die Vorsitzende der Kreisstelle Remscheid in der KV Nordrhein. Die Nachfrage der Kunden sei bisher kaum da, auch, weil die Veränderung in der breiten Gesellschaft erst einmal ankommen müsse. Daher sei es verfrüht, dem E-Rezept eine vernichtende Bilanz auszustellen. „Wir müssen dem Ganzen erst einmal Anlaufzeit geben. Eine gewisse Skepsis ist bei allem Neuen erst mal normal“, führt Stiel-Reifenrath aus. Mit fortschreitender Zeit würde sich durch die Neuerung eine Zeitersparnis für alle Beteiligten einstellen.

„Eine gewisse Skepsis ist bei allem Neuen erst mal normal.“

Dr. Bettina Stiel-Reifenrath, Vorsitzende der KV Remscheid

Die Vorteile des E-Rezeptes liegen dabei auf der Hand. Wie beim herkömmlichen Rezept können bis zu drei Medikamente auf einmal ausgestellt werden. Neu ist, dass wenn eine Arznei in einer Apotheke gerade nicht verfügbar ist, die verbleibenden QR-Codes auch in einer anderen Apotheke eingelöst werden können. Die Daten gehen dann direkt ins System, ohne dass sie noch einmal extra erfasst werden müssen. Ein anderer Vorteil stockt derzeit in der Umsetzung. In Zukunft soll es durch eine App auf dem Smartphone möglich sein, Bestellungen von Medikamenten unabhängig von Zeit und Ort an die Apotheken zu übermitteln. Trotz Ankündigung für letztes Jahr existiert diese aber noch nicht.

„Die App sollte eigentlich schon längst verfügbar sein, aber in der Realität ergibt sich ein anderes Bild“, sagt der Apothekensprecher in Remscheid, Henning Denkler. Generell sieht er das Konzept des E-Rezeptes als nicht ausgereift an. „Die nötige Software für das Auslesen von E-Rezepten steckt noch in den Kinderschuhen. Es braucht daher noch Eingewöhnungszeit“, so Denkler. Ein Mehrwert in Sachen Schnelligkeit und Unkompliziertheit könne es erst geben, wenn die zahlreichen, technischen Schwierigkeiten, die es nach wie vor gäbe, behoben sind. Die meisten Apotheken seien von der Ausstattung her zwar schon seit dem vergangenen Jahr bereit fürs E-Rezept, jedoch sei die Nachfrage noch sehr gering. „E-Rezepte sehen wir bei weit unter zehn Prozent unserer Kunden“, führt Henning Denkler aus.

In vielen europäischen Ländern ist das E-Rezept dagegen bereits deutlich beliebter als hier. In Portugal oder in Schweden besteht die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung schon seit mehreren Jahren. Seitdem Deutschland im letzten Jahr nachziehen sollte, berichten die Ärzte und Apotheken in Remscheid allerdings zum großen Teil von Schwierigkeiten mit dem Nachfolger des rosafarbenen Rezeptes.

Die nötige Ausstattung ist in Apotheken und Arztpraxen größtenteils gegeben. Der Nutzen von E-Rezepten wird in deren jetziger Form allerdings von Seiten der Ärzte, wie auch von Apothekern, kritisch gesehen. Auch deshalb ist die Nachfrage zum jetzigen Zeitpunkt wohl noch gering. Potenzielle Vorteile stünden noch nicht im Verhältnis zur praktischen Umsetzung.   | Standpunkt

Hintergrund

EU-Richtlinie: 2011 wurde eine EU-Richtlinie erlassen, die unter anderem durch die Einführung des E-Rezeptes die länderübergreifende Behandlung von Patienten innerhalb der EU vereinfachen sollte.

Krankenkasse: Für das E-Rezept wird eine Krankenkassenkarte mit NFC Code benötigt. „Die Mehrzahl der Bürger besitzt eine solche aber bereits“, so Oliver Schwardtmann von der Barmer in Remscheid.

Standpunkt von Lucas Hackenberg: Mal wieder hinten dran

lucas.hackenberg@rga.de

Digitalisierung ist noch immer ein leidiges Thema in Deutschland. Die stockende Einführung des E-Rezeptes fügt sich hier als weiteres Beispiel ein. Nach langer Verzögerungszeit ist eine elektronische Einreichung der Medikamente nun immerhin möglich. Sicherlich gibt es noch immer technische Schwierigkeiten, die dringend optimiert werden müssen. Vor allem die für 2022 versprochene Smartphone-App, auf welche es noch immer zu warten gilt, steht sinnbildlich für den langsamen Fortschritt im Bereich Digitalisierung.

Dennoch spielt eine Abwehrhaltung gegenüber Neuerungen eine genauso große Rolle. Die Chance, einen Schritt voranzugehen, ist durch das E-Rezept gegeben. Anstelle von Skepsis muss dafür aber ein Fortschrittsoptimismus treten, um nicht wieder hinten dran zu sein. Zahlreiche europäische Nachbarn sind den Schritt bereits gegangen. Jetzt gilt es auch hier - dem notwendigen Fortschritt zuliebe.

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