Industrie

Wie in Lüttringhausen bundesweite Maßstäbe gesetzt werden sollen

Boris Saric will seine Firma wieder aufbauen – als erste Öko-Härterei Deutschlands.
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Boris Saric will seine Firma wieder aufbauen – als erste Öko-Härterei Deutschlands.

Im Sommer brannte die Härterei Lohe ab. Statt aufzugeben, entwickelte man dort eine Vision: die erste Öko-Härterei. Was das bedeutet - und wie dadurch ein gesamtes Industriegebiet grün werden könnte.

Von Sven Schlickowey

Remscheid. Es war die größtmögliche Katastrophe für den Lüttringhauser Betrieb – aber jetzt soll daraus ein großer Schritt Richtung Zukunft werden. Nachdem die Spezialhärterei Lohe im Sommer vergangenen Jahres bei einem Feuer komplett zerstört wurde, ist die Firma inzwischen wieder bei rund 80 Prozent ihrer ursprünglichen Produktionskapazität angelangt.

Vor allem aber verfolge man weiterhin den Plan, Deutschlands erste Öko-Härterei zu werden, berichtet Geschäftsführer Boris Saric im Gespräch mit dem RGA: „Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde das Ding schon stehen.“

Kurzfristiges Ziel sei es nun, einen Ersatz für die damals abgebrannte Halle zu schaffen und darin Vakuum-Härteöfen zu betreiben. Der dafür notwendige Strom soll von einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach kommen.

Zudem soll die beim Abschrecken entweichende Energie – beim Vakuumhärten werden die Werkstücke auf bis zu 1300 Grad erhitzt und anschließend auf 20 Grad abgekühlt – durch Wärmerückgewinnung aufgefangen werden. „Wir müssten dann keine Energie mehr aus dem Netz entnehmen.“

Traum vom Härteofen, der mit Wasserstoff betrieben wird

Später könne zudem ein mit Wasserstoff betriebener Härteofen dazukommen, sagt Saric. Das energiereiche Element möchte der Geschäftsführer vor Ort selber gewinnen: „Wir planen, eine Wasserstofferzeugungsanlage auf dem Betriebsgelände zu errichten.“

Das habe auch logistische Vorteile. „Wenn man den Wasserstoff direkt verwendet, braucht man keine Lagertanks“, sagt Saric. Das vereinfache das Genehmigungsverfahren.

Die Wasserstoffanlage sei aber noch Zukunftsmusik, räumt der Geschäftsführer ein. „Leider muss ja auch die Technik mitspielen.“ Zudem gebe es derzeit noch zu wenige Förderprogramme in diesem Bereich. „Ich hoffe, dass das in zwei, drei Jahren anders aussieht.“

Was ist im Juli 2022 im Industriegebiet Großhülsberg passiert?

Rückblick: Am frühen Morgen des 30. Juli 2022 war in dem Betrieb im Industriegebiet Großhülsberg ein Feuer ausgebrochen, mit bis zu 150 Einsatzkräften war die Feuerwehr zeitweise vor Ort, um den Brand zu löschen, der Einsatz dauerte viele Stunden. Zurück blieb eine Ruine. Und ein Millionenschaden.

Nach dem Brand habe sein Unternehmen aber ohne nennenswerte Unterbrechung weiter arbeiten können, berichtet Saric: „Bei der Versicherung waren sie auch überrascht, die Betriebsunterbrechung war ja versichert.“

Zu verdanken sei das insbesondere Kooperationen mit Nachbarn und Mitbewerbern gewesen. Ein Teil der Aufträge habe man an eine andere Härterei weitergereicht, was dort den mit Erdgas betriebenen Ofen besser auslaste. „Da haben wir also alle etwas von.“

Für den Rest sei man auf das Grundstück einer benachbarten Firma ausgewichen. „Die hatten einen Härteofen, haben den aber nur in einer Schicht genutzt.“ Also belegte Lohe die restlichen 16 Stunden und errichtete einen zweiten Ofen. Vor kurzem sei noch ein dritter geliefert worden, so Saric.

Wird das Gewerbegebiet bald komplett mit Wasserstoff versorgt?

Diesen Kooperationsgedanken wolle man nun weiterführen, sagt Saric. Wenn man in naher Zukunft vor Ort Wasserstoff produziere, könne man damit das ganze Gewerbegebiet versorgen, unter anderem, um damit Lkw zu betanken, nennt er ein Beispiel.

Auch die nahe Freiformschmiede Dirostahl habe sich bereits nach einer möglichen Zusammenarbeit erkundigt.

Welche Ideen gibt es noch für ein grünes Industriegebiet Großhülsberg?

Denkbar sei auch, so nah an der Autobahn, eine Schnellladestation für E-Autos zu betreiben – gerne in Kombination mit einer Bäckereifiliale. „An Ideen fehlt es nicht“, sagt der Geschäftsführer.

Und auch die Kooperation mit dem Nachbarbetrieb, bei dem seine Firma untergekommen ist, wolle man vertiefen, so Saric. Der Lohe Spezialhärterei fehle nämlich ein Nachfolger, deswegen sei es denkbar, dass beide Firmen nach und nach verschmelzen.

Hintergrund

Unternehmen: Die 1997 gegründete Firma Lohe hat etwa 30 Mitarbeiter und härtet unter anderem Teile für Tesla, BMW oder auch Gasturbinen. Bis zum Brand wurde dafür auch Erdgas eingesetzt, etwa fünf Millionen Kilowattstunden pro Jahr.

Verfahren: Beim sogenannten Härten werden Eisenwerkstoffe meist hoch erhitzt und anschließend abgeschreckt. Damit wird die Mikrostruktur des Materials gezielt so verändert, dass sich die mechanische Widerstandsfähigkeit erhöht.

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