Am Weiterbildungskolleg legte er die Grundlagen
Geflüchteter Afghane schaffte es mit viel Fleiß bis in die Meisterschule
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Im Weiterbildungskolleg begann für den Afghanen Ahmad Omar Pirzad eine erstaunliche Berufslaufbahn.
Remscheid. Ohne das Weiterbildungskolleg wäre Ahmad Omar Pirzad nicht auf der Meisterschule. Der afghanische Flüchtling absolvierte an der Bökerhöhe einen Schulabschluss, der ihm die Tür für eine Ausbildung aufstieß. Als Geselle der Kfz-Mechatronik ist er mitten in Remscheid angekommen. Seine Geschichte ist tragisch, aber auch geprägt von glücklichen Umständen, von Fleiß und unbändigem Durchhaltewillen.
Der Realschulabschluss mit Qualifikation ist einer dieser Lichtblicke. Auch Schulleiter Stefan Tolksdorf erfüllt mit Stolz, dass sein Schulsystem solche Früchte abwirft. In einer Phase, in der ihn das Heimweh plagte, hatte sein Kollegium Ahmad Omar Pirzad immer wieder ermuntert, in Deutschland zu bleiben.
Sechsköpfige Familie floh über den Iran und die Türkei
Im Nachhinein war dies ein Segen. Denn vor den Repressionen der Taliban, die auch in der Ära der Schutzmacht USA nie ganz verschwunden waren, war er mit seiner Familie 2015 aus Zentralafghanistan südwestlich von Kabul geflohen. Die Flucht nach Europa führte Ahmad Omar, seine drei Brüder, die Schwester und Mutter über den Iran und die Türkei – im Auto und zu Fuß – bis ans Mittelmeer.
In einer dreistündigen Schlauchbootfahrt mit 40 weiteren Flüchtlingen gelangten sie nach Griechenland und Athen. Die Pirzads gehörten mit zu den Letzten, denen die Deutsche Botschaft damals weiterhalf. „Alle Grenzen waren auf und über Österreich kamen wir mit Bus und Bahn nach Deutschland.“ Es war der 19. Dezember 2015. Eine Flüchtlingseinrichtung in Bielefeld gab ihnen ihre erste neue Heimat. Nach einem Jahr ging es nach Remscheid – für fast zwei Jahre in die Unterkunft Oberhölterfelder Straße. Am Hasten blieb die Familie auch, nachdem ihr Flüchtlingsantrag anerkannt worden war. Seit 2019 lebt die Familie in ihrer eigenen Wohnung.
Der heute 27-Jährige, der zunächst nur einjährige Aufenthaltstitel erhalten hatte, besitzt mittlerweile einen deutschen Pass. Als er 2017 von weiteren Afghanen hörte, dass das Weiterbildungskolleg nicht nur Deutschen auf ihrem zweiten Bildungsweg hilft, sondern auch Migranten beim Spracherwerb und Schulabschlüssen, klopfte Ahmad Omar Pirzad im Kolleg an. Im internationalen Vorkurs erwarb er an der Seite von DAZ-Lehrern (Deutsch als Zielsprache) die Grundvoraussetzungen für die Beschulung. Weil er es verpasst hatte, sich rechtzeitig für eine Weiterbildung an einem Berufskolleg zu bewerben, schlug Ahmad Omar, um nicht ein Jahr zu verlieren, Bewerbungen für eine Lehrstelle vor.
Bei Audi in Lennep, damals Scheider, heute Tiemeyer, erhielt er einen Lehrlingsvertrag als Kfz-Mechatroniker. Dreieinhalb Jahre später schloss er mit guten Noten ab. Er entschied sich gegen die Schrauberei, weiter für die Schulbank. Nach der einjährigen Meisterschule in Düsseldorf, stünden ihm mehrere Optionen offen: Kfz-Gutachter werden, mit dem Meisterbrief ein Studium beginnen oder als Selbstständiger eine Werkstatt betreiben.
Auch Mutter Shaima besuchte den internationalen Vorkurs
Mit seiner Entschlossenheit ist Ahmad Omar nicht alleine in der Familie. Sein älterer Bruder Shakib (28) ist selbstständig mit einer Pizzeria in Lennep, Sediq (23) macht eine Ausbildung als Mechaniker bei Vaillant, studiert zusätzlich abends am Berufskolleg Technik, Osman (21) will Fahrlehrlehrer werden, ist dabei, seinen Lkw-Führerschein zu machen. Auch die Jüngste, Marwa (19), tritt am Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung in die Fußstapfen ihrer Brüder. Auch Mutter Shaima (54) würde gerne das machen, was ihr in Afghanistan verwehrt blieb: Arbeiten. Dazu müsste sie ihr Deutsch verbessern. Auf dem Weg dazu war sie im Weiterbildungskolleg, wo sie – wie Ahmad Omar – einen internationalen Vorkurs besuchte. Den gibt es jedoch nicht mehr. Das Land NRW will das Kolleg 2024 schließen. „Wir suchen weiter einen Deutschkurs für sie“, versprechen ihre Söhne.
Weiterbildung
Das Weiterbildungskolleg Remscheid im Gustav-Michael-Weg an der Bökerhöhe hat – einst beginnend als Abendrealschule – eine über 50 Jahre währende Tradition. Drei Abschlüsse waren dort bislang möglich: Hauptschulabschluss nach Klasse 9 (nach dem 2. Semester); Hauptschulabschluss nach Klasse 10 (nach dem 3. Semester); Mittlerer Schulabschluss (FOR) – auch mit Qualifikationsvermerk (FOR-Q).