„Erst das Fressen, dann die Moral“
Friedenskirche: Wie Freundschaft uns immun macht
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„Erst das Fressen, dann die Moral“: Hartmuth Müller spricht beim Neujahrsempfang der Friedenskirche über Toleranz. „Denn die innere Gefahr liegt an uns“, ist einer seiner nachdenkenswerten Sätze.
Von Sabine Naber
Remscheid. Mit dem temperamentvoll gespielten Lied „The Typewriter“ des Komponisten Leroy Anderson – Pianist Jochen Wriske setzte eine echte Hotelglocke ein – begann Samstagabend der Neujahrsempfang in der Friedenskirche an der Schützenstraße.
Diakonin Melanie Bergerhoff begrüßte die Gäste und freute sich, dass neben Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz auch Vertreter unterschiedlicher Religionsgemeinschaften gekommen waren. Gemeindeleiter Dr. Hartmuth Müller, der sich in seinem Vortrag mit dem Thema „Freundschaft – das Immunsystem unserer Gesellschaft“ auseinander setzte, bezeichnete den Neujahrsempfang, zu dem in der Remscheider Friedenskirche traditionell am 28. Januar eingeladen wird, als einen festen Bestandteil der Stadtgemeinschaft.
Die Bedeutung von Demokratie stand im Mittelpunkt
„In der Kirche befassen wir uns mit Religion. Unmittelbar aber auch mit der Gesellschaft“, betonte er. Und erinnerte mit Blick auf den Sturm aufs Kapitol in Washington und korrupte Politiker in Katar daran, dass auch uns Deutschen der Wunsch nach einem Führer, der Ordnung in den Laden bringt, nicht ganz fremd ist.
„Die Demokratie ist die menschenwürdigste Staatsform. Regeln wie Wahlen, Rechtsordnungen, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, Gewaltentrennung und Freiheit gehören dazu, wenn wir eine offene, tolerante, bunte Gesellschaft haben möchten.“
Das Immunsystem, die körpereigene Abwehr, verteidige uns gegen Krankheiten. „Aber auch die Demokratie ist Gefahren ausgesetzt.“ Gleiche Grundrechte und Gesetze für alle müssten von Staat und Bürgern gleichermaßen eingehalten werden. „Eine Gefährdung der äußeren Sicherheit hatten wir lange nicht mehr. Bis Putin die Situation veränderte, innen autoritär und nach außen aggressiv handelt.“
Größte Gefahr für Müller: Fake News und Blasen
Hartmuth Müller ist überzeugt, dass die größten Gefahren von Halbwahrheiten, den Fake News ausgehen. Dabei sei man in den Echo-Kammern, manche würden sie auch Blase nennen, in denen man nur höre, was man selber spricht. Da sei es schwer, sich einen eigenen Standpunkt zu erarbeiten.
„In der Dreigroschenoper heißt es: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Das kann man beispielsweise auch auf die Gas-Krise ummünzen. Denn die innere Gefahr liegt an uns. Was sind wir bereit, dafür aufzugeben. Auch ein Rechtssystem kann den Fortbestand einer Gesellschaft nicht allein erreichen“, schlug Müller den Bogen zur Freundschaft, die unerlässlich sei.