RGA-Wohltätigkeitsaktion
Die Tafel-Ausgabe ist wie ein kleiner Markt
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Ehrenamtler sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Der RGA unterstützt den Verein mit Helft uns helfen.
Von Melissa Wienzek
Remscheid. Knackige Salate, viele Klößchen-Tüten und saftige Tomaten trägt Benjamin Rühmann an den wartenden Augen vorbei ins Gebäude. „Heute ist viel“, freut sich Betriebsleiter Ingo Wessel. Um den Transporter hat sich schon eine kleine Menschentraube gebildet. Drinnen fliegen die Hände derweil im Akkord: Da werden Brötchen von Weckmännern getrennt, faule Mandarinen aus dem Netz gefischt und Kisten wie an einer Perlenschnur nacheinander auf Tischen aufgereiht, denn alles hat seinen Platz.
Hier, in der Wülfingstraße 1 in Lennep, richten die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler der Tafel Remscheid systematisch den „kleinen Laden“ ein, der die bedürftigen Remscheiderinnen und Remscheider mit den lebenswichtigsten Dingen versorgt. Wir haben die Ausgabe begleitet - und unterstützen die Tafel dieses Jahr als eines der beiden Helft-uns-helfen-Projekte.
10.15 Uhr: Es ist wie ein kleiner Walzer auf Zeit: Hier wird im Takt gefüllt, aussortiert, schnell noch der Boden gewischt, einer hilft dem anderen. „Heike, ich brauche noch eine Kiste!“, ruft Monika Sondern – und packt viele weitere Kartoffeln ein. Die gibt es heute zuhauf. Teamleiterin Britta Kohls hat alles im Blick. Das Team von acht Freiwilligen arbeitet Hand in Hand. Es wird viel gelacht.
10.30 Uhr: Jeder mit orangefarbener Schürze und Gummihandschuhen hat nun „seinen“ Stand aufgebaut, für den er verantwortlich ist und aus dem er die Waren ausgibt – wie auf einem kleinen Markt. Nur, dass diejenigen, die hier einkaufen, vermutlich niemals auf den Wochenmarkt gehen. Die Kunden, die zur Tafel kommen, haben höchstens 1200 Euro im Monat zur Verfügung: Seniorinnen mit kleiner Rente, alleinerziehende Mütter, Flüchtlinge, Geringverdiener.
Damit sie wenigstens für einige Tage über die wichtigsten Grundnahrungsmittel verfügen, dafür sorgt die Tafel - an acht Ausgabestellen jeden Tag die Woche, das ganze Jahr. Brot, Gemüse, Obst und Frischware reihen sich aneinander, heute ist auch ein kleiner Krammarkt mit Kleidung und Büchern aufgebaut. Und eine SB-Ecke mit Salat. Woher weiß man, wo die Zitronen und wo die Paprika zu liegen haben? „Aus Erfahrung. Weil wir das schon seit zehn Jahren machen“, sagt Angela Pistorius. Sie koordiniert den Einsatz der Ehrenamtlichen.
10.40 Uhr: Britta Kaschewski muss Krabben und Lachs aussortieren – abgelaufen. Das wäre zu heikel. Die Lenneperin musste selbst schon das eine oder andere verkraften und hilft nun hier mit. „Viele andere gehen Kaffee trinken, aber ich möchte etwas Sinnvolles tun. Dass es so etwas wie die Tafel gibt, ist einfach wichtig für unsere Gesellschaft.“
10.50 Uhr:Der Vorraum ist bereits gefüllt, auch draußen warten Kunden, Gezeter gibt es jedoch nicht. Ein-Euro-Jobber Benjamin Rühmann lässt nummerierte Münzen im Beutel rumgehen – die Kunden ziehen eine, damit das Los die Reihenfolge des Eintritts entscheidet. So bleibt es fair.
11 Uhr: Die erste Kundin darf in den Saal, eine ältere Dame mit Rollator. Ursula Freihoff und Monika Sondern packen ihre Tasche voll mit Tomaten, Rosenkohl, Kartoffeln – teilweise sogar in Bio-Qualität. „Wir geben auch manchmal Rezepttipps“, sagt Britta Kohls. Denn Rosenkohl oder Spargel kennen viele Geflüchtete zum Beispiel nicht. „Paprika, Tomaten, Gurken, davon können wir hingegen gar nicht genug haben.“ Und schon kommt die nächste Kundin rein, an der Hand hält sie ein kleines Mädchen mit Pudelmütze. „Was darf’s denn sein?“, fragt Sonder, und die Kleine dreht mit dem Schokololli, den sie von Ulrich Dettmar bekommt, glücklich ihre Runden.
11.10 Uhr: „Wie viele Kinder hast du?“, fragt Dettmar den Mann mit der Trainingsjacke ein paar Körbe weiter. „Drei“, antwortet er, und Dettmar packt für jeden einen Proteinriegel in den Beutel. Der Ehrenamtler, der auch im Vorstand mitarbeitet, ist nun voll in seinem Element. „Wollen Sie backen? Ich habe noch Hefe.“ Glück hat er: Auch Sahne ist noch da.
11.20 Uhr: Nebenan geht das Brot aus den Händen von Hannelore König weg wie warme Semmeln: Weckmänner sind der Hit, gefolgt von fertig belegten Brötchen. „Ein Spender aus Hückeswagen, der uns regelmäßig unterstützt, hat die frischen Brote heute Morgen in einer Bäckerei aufgekauft und sie uns gespendet“, freut sich Dettmar. Für die Rentnerin Hannelore König bedeutet es zwar körperliche Arbeit, aber für sie kann es nichts Schöneres geben, als zu helfen. Gerade den Kindern.
11.30 Uhr: Vor dem Büro sitzen einige Männer und warten, dass Ursula Freihoff ihnen einen Ausweis ausstellt. Nur der berechtigt zum „Einkauf“. Freihoff benötigt zur Überprüfung den ALG-Bescheid und den Personalausweis. Auf dem TafelAusweis wird vermerkt, wie viele Kinder und wie viele Erwachsene versorgt werden. Für eine Ausgabe zahlt ein Erwachsener 3 Euro, Kinder sind frei.
11.45 Uhr: „Noch 7!“, ruft Rühmann, und die Ehrenamtler an den Ausgabekörben nicken. Bedeutet: So viele Kunden müssen noch versorgt werden. Und es sind schon 39 Münzen weg. Es ist eine tägliche Jonglage: Wie viele Lebensmittel sind da? Und wer kommt?
12 Uhr: Die Ausgabe ist beendet, alle sind versorgt, die Ehrenamtler sind glücklich. „Was übrig ist, wandert ins Kühlhaus und wird morgen bei der nächsten Ausgabe verteilt“, erklärt Dettmar. Dann wird die Tafel wieder gedeckt.
Die Spender
Sie haben dazu beigetragen, dass bereits über 27.000 Euro gespendet wurden, wofür wir sehr danken: Peter Schulten, Jürgen Walter Ackermann, Brigitte Riemath, Margarete Chatterjee, Martina Mischel, Elke Muenz, Friedrich Wilhelm Selve e.K., Dr. Ralf Flügge, Ingird von Boguszewski, Christa Lehnartz, Michael und Angelika Kriwett, Hubert Benzheim, Karin Pillmayer, Ursula Burghoff.