Hilfe bei Schule, Beruf und Wohnung

Café Spurwechsel ist ein Paradies für verlorene Schäfchen

In Zusammenarbeit mit der Jugendberufsagentur hat der soziale Dienstleister GSM im Café Spurwechsel in der Mandtstraße 3 eine tägliche, gemütliche Wohlfühlatmosphäre geschaffen: Junge Remscheider, die durch Schulabbruch, persönliche Krisen, psychische Probleme eine schwere Last tragen, finden hier eine zweite Heimat.
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In Zusammenarbeit mit der Jugendberufsagentur hat der soziale Dienstleister GSM im Café Spurwechsel in der Mandtstraße 3 eine tägliche, gemütliche Wohlfühlatmosphäre geschaffen: Junge Remscheider, die durch Schulabbruch, persönliche Krisen, psychische Probleme eine schwere Last tragen, finden hier eine zweite Heimat.
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Café Spurwechsel weist jungen Menschen einen Weg aus der Krise.

Von Andreas Weber

Remscheid. Im März beginnt Johanna eine einjährige Ausbildung zur Pflegeassistentin im Tannenhof. Die Lehre könnte das Leben der 19-Jährigen zum Besseren wenden. Ihre Eltern sind gestorben, das Verhältnis zur Stiefmutter ist zerrüttet. Sie zog aus, war als wohnungslos gemeldet, fand bei Freunden ein Dach über dem Kopf. Mit dem 9er-Hauptschulabschluss endete Johannas Schulausbildung. Nun geht es nach einer Phase der Orientierungslosigkeit bergauf.

Im Februar bezieht Johanna eine 33-Quadratmeter-Wohnung an der Alleestraße. „Die ganze Bürokratie hat mich völlig überfordert“, sagt sie. Halt fand sie im Café Spurwechsel, wo Fachkräfte mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Es ist die beste Maßnahme, die ich kennengelernt habe. Egal, welches Päckchen man trägt, hier wird es akzeptiert“, lobt Johanna das vierköpfige Team der GSM GmbH, dem Träger des Treffpunktes in der Innenstadt.

„Tolle, fröhliche Persönlichkeiten haben sich hier gefunden.“

Stephanie Rogalski, Coach

Stephanie Rogalski ist Sozialpädagogin und Coach im Café. „Wir betreuen die verlorenen Schäfchen der Gesellschaft. Für viele sind wir eine zweite Heimat“, sagt Rogalski. Das Angebot läuft über die Jugendberufsagentur. Die schickt maximal zwölf junge, gestrandete Menschen in den 3. Stock der Mandtstraße 3. Die meisten der regelmäßigen Besucher sind durch fehlende Familie ins Straucheln geraten, gestürzt und rappeln sich unter Gleichaltrigen mit ähnlichen Schicksalen auf. „Tolle, fröhliche Persönlichkeiten haben sich hier gefunden“, beobachtet Rogalski. Spurwechsel ist ein Zufluchtsort und für viele ein Elixier. „Wir treffen uns auch untereinander, viele sind ein Herz und eine Seele geworden“, ist Pascal (23) begeistert.

Er zählt zu den vier Stammbesuchern, die gerade unweit entfernt bei der VHS ihren Realschulabschluss nachholen und danach überlegen, welche Richtung sie einschlagen, um nicht Dauerkunden beim Jobcenter zu werden. Pascal möchte Erzieher werden.

Täglich von 11 bis 17 Uhr sind die Räume geöffnet. Das Café bietet viel Platz, Dachterrasse und vielfältige Möglichkeiten. Neben einem großen Gruppentisch hat es eine Küche, Sitzecke, Kicker, Dartboard, Fernseher mit Playstation, oben unter dem Dach Tischtennisplatte und Boxsack. Wer sich duschen möchte, findet eine Nasszelle, Wäsche waschen und trocknen ist im Café möglich. Es gibt Snacks, Obst und Getränke.

Die 16- bis 25-Jährigen, die in keiner Statistik des Jobcenters auftauchen, schätzen die zwanglose Atmosphäre. Alles geht, nichts muss im Spurwechsel. Gerade dieser fehlende Druck sorgt dafür, dass am Ende der bis zu zwölfmonatigen Maßnahme viele gestärkt rausgehen. Melina (20) schätzt die kompetente Anleitung: „Wir bekommen sehr viel Unterstützung in jedem Bereich.“ Bei Liebeskummer bis zur Wohnungssuche. Die Coaches und Psychologe Holger Nitsche vermitteln „Hilfe zur Selbsthilfe“ in allen Lebenslagen. Das kommt an.

Auch Melina wechselt gerade die Spur. Die AES-Gesamtschule hatte sie nach der 10 verlassen. Eine einjährige Ausbildung als Kinderpflegerin entpuppte sich nicht als das Richtige, gerne möchte sie etwas Handwerkliches machen. Nach ihrem Realschulabschluss bei der VHS strebt Melina erst ein Praktikum, danach im Sommer eine Ausbildung als Malerin und Lackiererin an. Interessierte Betriebe werden gesucht. GSM vermittelt. „Wir helfen, die persönlichen Baustellen aufzuräumen“, meint Stephanie Rogalski. Wohnen ist ein leidiges Thema: „Wir suchen dringend Vermieter, die jungen Menschen eine Chance geben. Denn die Klientel in Notunterkünften ist nicht unbedingt ein Umgang für sie.“ Das GSM-Team gibt Impulse beim Schreiben von Bewerbungen, rät, wie man sich bei Wohnungsbesichtigungen verhält oder greift den Bürgergeld-Beziehern beim Ausfüllen von Anträgen unter die Arme.

Leonora (22) möchte eine Ausbildung im sozialen Bereich. Café-Mutter Stephanie Rogalski glaubt, dass Leonora vorab in einem Freiwilligen Sozialen Jahr testet, ob dies etwas für sie sein könnte. Fabian (21) nennt Schauspieler als Traumberuf. Über viele Jahre litt er an einer multiplen Persönlichkeitsstörung, hatte drei Identitäten in seinem Kopf. Seit der Hobby-Magier im Spurwechsel ein- und ausgeht, ist es deutlich besser geworden. „Mir gefällt, dass mich trotz meiner psychischen Störung niemand blöd angeguckt hat.“ Das Café Spurwechsel ist freilich keine therapeutische Einrichtung. „Wir können nicht die ganze Welt retten“, äußert Rogalski im RGA-Gespräch. „Meine Welt habt ihr aber gerettet“, widerspricht Fabian und lässt keinen Zweifel, wo er sein kleines Paradies gefunden hat.

Hintergrund

Das offene Jugendcafé Spurwechsel öffnet montags bis freitags, 11 bis 17 Uhr, in der Mandtstraße 3. Seit 2021 läuft das Café, verbunden mit Einzel-Coachings in Regie der GSM Training & Integration GmbH - als Nachfolger des räumlich beengteren FiveSeven an der Nordstraße. Gefördert werden schwer erreichbare Jugendliche. Die GSM ist ein zertifizierter Träger mit Sitz in Kiel, hat 300 Standorte, 1300 Mitarbeiter und betreut bundesweit 6000 junge Menschen. Der Vertrag läuft bis 2024, danach wird neu ausgeschrieben.

Kontakt über Tel. 4 62 46 44 oder E-Mail: stephanie.rogalski@mein-gsm.de

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