Interview der Woche

Herr Schäfer, was haben Sie bisher für Remscheid erreicht?

Ingo Schäfer (SPD) vertritt seit 2021 Remscheid, Solingen und Teile Wuppertals im Bundestag. Der 57-Jährige lebt in Solingen, ist verheiratet und hat eine Tochter.
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Ingo Schäfer (SPD) vertritt seit 2021 Remscheid, Solingen und Teile Wuppertals im Bundestag. Der 57-Jährige lebt in Solingen, ist verheiratet und hat eine Tochter.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ingo Schäfer zieht Bilanz über sein bisheriges Wirken für das Bergische Land.

Von Frank Michalczak

Herr Schäfer, nun naht in Berlin die Sommerpause. Und dann ist auch schon die Hälfte der Legislaturperiode vorbei. Wie fällt denn Ihre Halbzeitbilanz aus?

Ingo Schäfer: Zunächst einmal: Abgeordneter zu sein, ist für mich eine fantastische Aufgabe. Und nach wie vor gehe ich voller Demut und auch mit Stolz ins Parlament, um meinen Wahlkreis zu vertreten. Rückblickend hätte ich mir mehr Zeit gewünscht, um mir im Bundestag einen Überblick verschaffen zu können. Denn die Aufgaben sind sehr umfangreich. Unter anderem wirke ich im Innenausschuss mit, wobei mein Schwerpunkt auf dem Katastrophen- und Bevölkerungsschutz liegt.

Kaum hatte ich hier mit meiner Arbeit begonnen, kam es zur Zeitenwende – zum Angriffskrieg auf die Ukraine. Zwanzig Jahre lang ist der Bevölkerungs- und Zivilschutz quasi auf null gefahren worden. Da gibt es einen großen Nachholbedarf. Unter anderem habe ich mich für zehn mobile Labore eingesetzt, in denen bis zu 50.000 Menschen 365 Tage untergebracht und versorgt werden können. Die Unterkünfte bieten Raum für Arztpraxen, halten Trinkwasserversorgung und auch Abwasseranlagen vor. 2021 waren Teile dieser mobilen Betreuungsmodule nach der Flut im Ahrtal im Einsatz und 2022 in Berlin-Tegel zur Unterbringung von Menschen aus der Ukraine.

Und was konnten Sie für Remscheid, Solingen und Wuppertal konkret bewirken?

Schäfer: Eine Hauptaufgabe ist es, so viel Fördermittel des Bundes ins Städtedreieck zu holen. Das ist mir unter anderem für den Umbau der Freibäder Ittertal in Solingen und Eschbachtal in Remscheid gelungen. Dazu war eine Vielzahl an Gesprächen nötig. Für beide Projekte fließen 11,4 Millionen Euro vom Bund ins Bergische. Insgesamt 476 Millionen Euro umfasst das entsprechende Förderprogramm. Dies entspricht 1,16 Millionen Euro pro Wahlkreis.

Es war eine Kraftanstrengung, dass dieser Betrag für Remscheid und Solingen deutlich übertroffen wurde. Ein weiterer Erfolg war die finanzielle Unterstützung des Bundes in Höhe von 600.000 Euro für den Umbau der Alten Feuerwache in Lüttringhausen. Hier findet nicht nur die Stadtteilbibliothek ihren Platz, hier entsteht ein Begegnungszentrum.

Wenige Monat, nachdem Sie Ihr Mandat angetreten haben, begann der Angriffskrieg in der Ukraine. Die Menschen in Deutschland leiden seither unter der hohen Inflation. Steigende Zinsen und drohende Energie-Engpässe belasten Wirtschaft und Verbraucher zusätzlich. Wie beurteilen Sie die Lage? Haben wir das Schlimmste überstanden?

Schäfer: Diese Antwort sollte der Aggressor aus Russland geben. Zunächst einmal wäre es wichtig, dass es zu einem Waffenstillstand kommt, damit es zu offiziellen diplomatischen Verhandlungen kommt. Es war für Deutschland ein Kraftakt, 20 Prozent der Energie einzusparen. Daraus wurden sogar fast 25 Prozent. Dabei half natürlich der relativ milde Winter. Es hatte aber auch etwas damit zu tun, dass Energie kaum bezahlbar wurde.

Den Austritt aus der Atomkraft halte ich für richtig. Um bei der Versorgung unabhängig zu werden, müssen wir auf erneuerbare Energie setzen und darin investieren. Auch die Entlastungspakete, die von der Bundesregierung beschlossen wurden, waren richtig und wichtig, um die Krise meistern zu können.

Wie finden Sie denn die Wärmepumpen-Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck?

Schäfer: Das ist bislang ja noch konzeptlos und hat zu großen Ängsten in der Bevölkerung geführt. Es ist natürlich folgerichtig, dass der Krieg zu einer Beschleunigung beim Thema Energieversorgung geführt hat. Es muss aber vernünftige Übergangszeiten geben. Und es muss klar sein, dass sich nicht jedes Haus in Wärmedämmung einpacken lässt. Wichtig ist zudem Energieberatung, bei der individuelle Lösungen für Gebäude aufgezeigt werden.

Und: Es ist ja bei einem Ersatz bestehender Gas- oder Ölheizungen von einer „immens hohen“ Förderung die Rede. Die Frage aber stellt sich, was in diesem Zusammenhang „immens“ ist. Das gilt es zu verhandeln und zu klären.

Mittlerweile gibt es in der Bundesrepublik eine Mehrheit für ein Tempolimit auf den Autobahnen. Würden Sie das auch begrüßen – oder hat die FDP recht, die dies nach wie vor verhindert?

Schäfer: Ich würde es sehr begrüßen, wenn ein Tempolimit eingeführt würde – zum Beispiel auf 130 Stundenkilometer, was sicherlich zu weniger Gefahren auf den Autobahnen führt. Außerdem würde das zum Emissionsschutz und zur Energieeinsparung beitragen. Aber wir haben nun einmal einen Koalitionsvertrag beschlossen, der naturgemäß aus Kompromissen besteht. So wie die SPD wollen auch die Grünen und die FDP, dass sich darin etwas für ihre jeweilige Wählerklientel wiederfindet. Wer sozialdemokratische Positionen wählen will, muss SPD wählen.

Remscheid steht mit rund 600 Millionen Euro in der Kreide. Zusätzlich muss es die Kosten für die Corona-Pandemie und für die Folgen des Ukraine-Kriegs stemmen. Wie sollte die Bundesregierung den Städten helfen? Was halten Sie denn von einem Altschuldenfonds?

Schäfer: Es muss ihn geben, und noch in diesem Jahr will Finanzminister Christian Lindner einen Gesetzentwurf vorlegen. 80 bis 85 Prozent der kommunalen Probleme würden dadurch gelöst. Finanzschwache Städte wären wieder in der Lage, ureigenste Aufgaben erfüllen zu können – Stadtteil- und Sozialarbeit, Streetworker, Jugendangebote und Schulsanierung. Und natürlich auch die Instandsetzung kaputter Straßen. Es darf außerdem nicht sein, dass Menschen monatelang auf einen Termin warten müssen, um einen neuen Pass zu beantragen. Wir brauchen die Mittel auch, um ausreichend Personal einzustellen.

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Ein Schuldenfonds würde die Städte zumindest von der enormen Zinslast befreien. Dafür ist aber auch die Zustimmung aus dem Bundesrat nötig. Und gerade südliche Bundesländer zeigen wenig Bereitschaft, strukturschwachen Regionen zu helfen.

Schäfer: Zumindest schließt Finanzminister Lindner aus, dass es für sie eine Kompensation gibt, indem Städte, die es nicht nötig haben, die eine oder andere Million bekommen würden. Es ist ein Gebot der Solidarität, dass überall in Deutschland die gleichen Lebensbedingungen ermöglicht werden. Es muss daher dringend ein Beschluss her, ansonsten sehe ich für die Städte ab Sommer 2024 schwarz. Dabei ist bereits eine historische Chance verpasst worden. Denn in der Niedrigzinsphase hätte der Bund mit der Übernahme der kommunalen Schulden sogar Geld verdient.

Sie sind in der SPD-Fraktion, wie bereits beschrieben, für den Katastrophenschutz zuständig. Flächendeckend gilt es, nach dem Angriff auf die Ukraine das Alarmsystem zu optimieren. Werden auch hierfür die Kommunen die Zeche zahlen?

Schäfer: Die Bundesländer sind gesetzlich verpflichtet, die Kosten für den Katastrophenschutz zu übernehmen. Die Bundesregierung hat im Haushalt ein Förderprogramm in Höhe von 80 Millionen Euro beschlossen, das die Länder erhalten. Es ist aber zu befürchten, dass ein Teil der Kosten an den Kommunen hängenbleibt. So gilt es auch bei diesem Thema: Bund und Länder müssen an einem Strang ziehen, um den Städten zu helfen.

Vor Ihrer politischen Karriere haben Sie viele Jahre bei der Berufsfeuerwehr in Solingen gearbeitet. Gewalt gegen Rettungskräfte wurde zuletzt immer wieder zum Thema – ein besonders extremes Beispiel war vor kürzlich der Vorfall in Ratingen. Welche Konsequenzen muss der Gesetzgeber daraus ziehen. Helfen härtere Strafen?

Schäfer: Was in Ratingen geschehen ist, hat mich zutiefst entsetzt, mein Mitgefühl gilt den Einsatzkräften, die auch langfristig Hilfe benötigen. In meinem Beruf habe ich ein paar Hundert Türöffnungen vorgenommen. Dass jemand, der hinter der Tür steht, etwas so Böses vorhat, ist schockierend. Insgesamt muss sich die Gesellschaft noch stärker mit dem Phänomen Gewalt gegen Rettungskräfte auseinandersetzen.

Und da sind wir auch wieder bei dem Thema Finanzen. Wir müssen uns fragen, welche Angebote wir jungen Menschen machen, ob wir ihnen die Möglichkeit zur Teilhabe bieten und ob genug Geld für Sozialarbeit bereitsteht. Was die begangenen Taten angeht, müssen sie zumindest verfolgt werden. Ein Einstellen der Verfahren nach Zahlung irgendeiner Geldbuße darf nicht infrage kommen.

In Remscheid ist die Diskussion neu entflammt, ob Lennep ein Outlet-Center erhalten soll. Es gibt mit Philipp Dommermuth einen neuen Investor. Wie beurteilen Sie denn dieses Großprojekt?

Schäfer: Aus meiner Sicht sind die Chancen größer als die Risiken. Zumindest eröffnet das Outlet-Center die Perspektive, dass deutlich mehr Menschen nach Remscheid kommen und auch die touristischen Angebote nutzen. Und da hat das Bergische ja viel zu bieten – unter anderem den Besuch der Lenneper Altstadt. Sie müsste eigentlich in jedem NRW-Reiseführer stehen.

Pflegen Sie eigentlich bei diesem Thema oder anderen Aspekten mit den bergischen Oberbürgermeistern einen regelmäßig Austausch? Welche Themen stehen da im Vordergrund?

Schäfer: Das sind natürlich vertrauliche Gespräche. Aber es ist kein Geheimnis, dass der Altschuldenfonds ganz sicher zu den Topthemen gehört. Wir stehen im regelmäßigen Austausch, bei dem es auch um lokale Themen und die Frage nach aktuellen Förderprogrammen geht, die für Remscheid, Solingen und Wuppertal interessant sind.

Und zuletzt: Was haben Sie sich denn für die nächsten zwei Jahre in Berlin noch vorgenommen?

Schäfer: Neben dem Einsatz für weitere Fördermittel liegt es mir am Herzen, das Bergische Land sichtbar zu machen. Dazu zählt es auch, Spitzenpolitiker in das Städtedreieck einzuladen – wie zuletzt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Es ist aber auch wichtig, ein offenes Ohr für die Anliegen von Unternehmern zu haben – und ihr Anliegen weiterzutragen bis in die EU-Ebene. Nicht in jedem Fall kann ich danach Antworten geben, die Ratsuchenden gefallen. Zumindest gebe ich aber Antworten und lasse sie mit ihren Problemen nicht allein.

Zur Person: Ingo Schäfer

Ingo Schäfer (SPD) bezeichnet seinen Hauptberuf als Feuerwehrmann. Nachdem er 2018 seinem CDU-Mitbewerber Jürgen Hardt unterlegen war, sammelte er bei der letzten Bundestagswahl die meisten Erststimmen in Solingen, Remscheid sowie Cronenberg und Ronsdorf: 32,6 Prozent votierten für ihn, 27,6 für Hardt, der später über die Liste seiner Partei einen Sitz im Parlament erhielt.

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