Hohe Dunkelziffer

Behörden haben Reichsbürger im Visier

Im Polizeipräsidium Wuppertal wurden 2016 Waffen von Reichsbürgern nach einer Razzia gezeigt.
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Im Polizeipräsidium Wuppertal wurden 2016 Waffen von Reichsbürgern nach einer Razzia gezeigt.

Im bergischen Städtedreieck liegt die Zahl laut Polizei im oberen zweistelligen Bereich. Staatsschutz und Stadt kooperieren.

Von Manuel Böhnke

Sie lehnen die Bundesrepublik Deutschland samt ihres Rechtssystems ab und haben ihre eigenen Gesetze – die Rede ist von Reichsbürgern. Auch wenn es um diese Bewegung in jüngster Vergangenheit ruhiger geworden ist, beschäftigen ihre Anhänger die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden weiterhin.

„Das ist nach wie vor ein Thema bei uns“, bestätigt Ordnungsdezernentin Barbara Reul-Nocke (CDU). Aktuellen Zahlen des Landesamtes für Verfassungsschutz zufolge leben derzeit rund 3200 Reichsbürger in Nordrhein-Westfalen. Wie viele es in Remscheid sind, verrät die Behörde nicht. Insbesondere in ländlicheren Gebieten könne ansonsten eventuell auf einzelne Personen geschlossen werden, erläutert eine Sprecherin.

„Wir gehen im bergischen Städtedreieck von einer Zahl im hohen zweistelligen Bereich aus, wobei alle drei Städte betroffen sind.“

Jörn Kosanetzky, Pressesprecher

Genaue Zahlen gibt auch die Polizei nicht preis. „Wir gehen im bergischen Städtedreieck von einer Zahl im hohen zweistelligen Bereich aus, wobei alle drei Städte betroffen sind“, erklärt Jörn Kosanetzky. Die Zahlen seien konstant. Laut den Aussagen des Polizei-Pressesprechers gebe es in der Region keine signifikante Überschneidung zwischen Reichsbürgern und der rechten Szene. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht deutschlandweit von rund 19 000 Reichsbürger aus, darunter seien etwa 950 Rechtsextremisten.

Manche fordern ein Dokument, um es dann anzufechten

Kosanetzky betont, dass die Polizei alles tue, „um die Szene zu erhellen“. Ziel sei es, dazugehörige Personen zu identifizieren und Gefahren, die möglicherweise von ihnen ausgehen, zu minimieren.

Auch im Rathaus hat man einen strikten Kurs im Umgang mit Reichsbürger gewählt. Zwei Schulungen zu diesem Thema habe es für die städtischen Mitarbeiter gegeben, erläutert Reul-Nocke. Sieht sich ein Fachdienst mit Auffälligkeiten konfrontiert, werden diese unmittelbar dem Rechtsamt gemeldet. Von dort aus geht der Hinweis zum Staatsschutz, der seine Ermittlungen aufnimmt.

Standpunkt von Manuel Böhnke

Reul-Nocke vermutet eine hohe Dunkelziffer. Das Wichtigste seien deshalb klare Verfahrensregeln – und Zuarbeit für den Staatsschutz. „Auffällig sind beispielsweise immer wieder absurde Forderungen, die bei Behörden gestellt werden“, sagt Reul-Nocke. So fordern manche Bürger von der Stadt eine sogenannte Staatsbürgererklärung, die sie dann vor Gericht anfechten wollen, weil die Bundesrepublik Deutschland in ihren Augen gar nicht existiert. „Es ist teilweise vollkommen skurril.“

Reul-Nocke betont, dass die Sicherheit der Verwaltungsmitarbeiter an erster Stelle stehe. „Bei den Reichsbürger handelt es sich um ein Klientel, das häufig eine hohe Affinität zu Waffen hat.“ Deshalb war auch der richtige persönliche Umgang mit dieser Gruppe Teil der Mitarbeiterschulung.

REICHSBÜRGER

DEFINITION Laut Verfassungsschutz lehnen Reichsbürger die Existenz der BRD und deren Rechtssystem ab, sprechen den gewählten Repräsentanten die Legitimation ab oder definieren sich als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Deshalb gibt es die Sorge, „dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen“.

Grundsätzlich gelte, Reichsbürger zunächst wie jeden anderen Remscheider zu behandeln. Das bedeutet: Zahlt eine Person etwa Strafen oder Gebühren nicht, weil sie das Rechtssystem ablehnt, geht alles seinen gewohnten Gang: von der Mahnung bis zur Vollstreckung. Und wer einen Reichsbürger in seiner Amtsstube sitzen hat, solle sich nicht auf Diskussionen über Existenz und Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland einlassen. „Das bringt einfach nichts. Man wird damit niemals einen Reichsbürger überzeugen. Das kostet nur Zeit, die wir nicht haben“, sagt Reul-Nocke. 

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