Zielscheiben für Kriminelle

Debatte über gesprengte Geldautomaten: Wer sorgt für Schutz?

Wurde im Oktober 2021 zur Zielscheibe einer Sprengung: der Sparkassenautomat in Lüttringhausen Am Schützenplatz.
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Wurde im Oktober 2021 zur Zielscheibe einer Sprengung: der Sparkassenautomat in Lüttringhausen Am Schützenplatz.
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Stadtsparkasse hat viele Maßnahmen ergriffen - wie diese greifen.

Von Andreas Weber

Remscheid. Mit 496 Sprengungen von Geldautomaten registrierte die Polizei 2022 einen historischen Höchststand in Deutschland, der um 27 Prozent höher lag als im Vorjahr.

Remscheid blieb verschont. Die Stadtsparkasse, im Herbst 2021 letztmalig von brutalen Beutezügen in Hackenberg und Lüttringhausen betroffen, hatte nach neun Angriffen in sechs Jahren Konsequenzen gezogen, die offensichtlich greifen. Geldautomaten am Hohenhagen, in Bergisch Born, Vömix und Hackenberg wurden abgebaut oder nicht wieder in Betrieb genommen, Öffnungszeiten auf 22 Uhr begrenzt, zusätzliche Gitter installiert.

„Unbestritten ist, dass wir unseren Beitrag leisten müssen, um diese Gewaltwelle der organisierten Kriminalität einzudämmen“, erklärt Michael Wellershaus. Der Sparkassen-Vorstand wehrt sich aber dagegen, dass die Kreditinstitute von Bund und Ländern in die Pflicht genommen werden sollen. Die Innenminister drohen mit Vorschriften, wollen den Geldinstituten besseren Schutz von Automaten diktieren.

Wellershaus teilt die Meinung seiner Dachorganisation, des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). DSGV-Medienchef Christian Achilles hatte heftig protestiert, dass mit dieser Forderung die Geschädigten zu Tätern gemacht werden.

Die Diskussion hat eine Dimension erreicht, die nicht mehr vertretbar ist.

Michael Wellershaus, Sparkasse

Wellershaus pflichtet bei: „Die Diskussion hat eine Dimension erreicht, die nicht mehr vertretbar ist. Denn wir bieten mit den Geldautomaten einen Service für die Bürger an. Eigentlich sollte der Staat uns schützen und das Problem nicht auf die Banken abwälzen.“

Der Gesetzgeber legt der Kreditwirtschaft unter anderem nahe, Verklebe- und Färbetechniken zu nutzen, um Überfälle für die meist aus den Niederlanden herausoperierenden Kommandos unattraktiv zu machen.

Schützen eingefärbte Banknoten vor Automatensprengern?

Eingefärbte Noten können jedoch von Profis gewaschen werden, insbesondere in Fernost, mit Verlusten zwar, die Scheine lassen sich aber wieder herstellen. „Färbungen verhindern die Taten nicht“, meint Michael Wellershaus.

Die Verklebetechnik habe den entscheidenden Haken, dass es für sie noch keine Rechtsgrundlage gäbe. „Wenn Banknoten vernichtet werden, bekommen wir keinen Ersatz.“ Ebenso hält Wellershaus die Vernebelung zwar für einen Ansatz, aber nicht für der Weisheit letzter Schluss. „Sie ist gut, um es den Tätern schwieriger zu machen. Es kostet sie wertvolle Zeit, aber eben auch nur ein bisschen.“

Zeit ist zwar der entscheidende Faktor für die Gangster, die meist keine drei Minuten benötigen, um verkehrsgünstig gelegene Automaten in die Luft zu jagen und dann mit der Beute im halsbrecherischen Tempo über Landstraßen und Autobahn zu fliehen.

Banden seien jedoch darauf vorbereitet, dass Nebelschwaden ihre Arbeit erschweren, kämen mit Absauggeräten, seien vielfach trainiert, mehr oder weniger blind ihre Operationen in Windeseile nachts durchzuziehen.

In den Niederlanden wird weniger gesprengt als in Deutschland - ein guter Vergleich also?

Welche Maßnahmen auch immer ergriffen werden: „Es bleibt ein Hase- und Igel-Spiel“, befürchtet Wellershaus. Mehr Sicherheit macht auch die Kriminellen erfinderischer. Wenn auf die Niederlande als gutes Beispiel bei der Eindämmung dieses skrupellosen Vorgehens verwiesen werde, müsse man vorsichtig sein. „Der Vergleich hinkt“, warnt Michael Wellershaus.

Denn im Nachbarland sei der bargeldlose Zahlungsverkehr deutlich ausgeprägter als bei uns, die Zahl der Geldautomaten sei drastisch abgebaut worden und die niederländischen Banken seien auch nicht mehr Betreiber der Automaten.

Bei der Bekämpfung spricht Wellershaus von einem Gesamtkonstrukt, das nicht nur die Banken zum Handeln auffordere. „Eine große Lösung kann es nur in Zusammenarbeit zwischen Polizei, Politik und Banken geben“, betonte auch Christian Fried, Vorstand der Volksbank im Bergischen Land, jüngst im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung.

Zehn Standorte

Erster Angriff: Seit dem ersten Angriff auf den Geldautomaten in der Oststraße/Vömix 2016 war die Stadtsparkasse Remscheid neun Mal Ziel einer Sprengung. Automaten, die nah an Wohnungen liegen, Personen zu Schaden kommen könnten, wurden abgebaut.

Heute: 24 Automaten an zehn Standorten unterhält die Sparkasse in Remscheid noch. Dass es Schließungszeiten nach 22 Uhr gibt, wäre keine Leistungseinschränkung, sagt Vorstand Michael Wellershaus, weil es in den Nachtstunden kaum Kundenfrequenz gäbe.

Standpunkt von Andreas Weber: Konsequent reagiert

andreas.weber@rga.de

Überfälle mit Waffen in Schalterhallen gibt es so gut wie nicht mehr. Heute rauben rücksichtslose Banden ihr Geld aus den Automaten. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Sprengungen in Deutschland mehr als verzehnfacht. Gerade NRW ist betroffen. Bei einem Täterkreis, der vielfach aus den Niederlanden einfällt, kein Wunder. Auch die Remscheider Banken mussten darauf reagieren, vorneweg die Sparkasse mit ihrem dichten Netz. Sie hat dies konsequent getan, reduziert, wo es die Nutzungsfrequenz ohnehin zuließ, wo die Sicherheitslage und Nähe zu Wohnbebauungen es erforderte.

Dass die Sparkasse jetzt über 17 Monate Ruhe hatte vor Angriffen, kann ein Zeichen sein, dass sie mit ihren Maßnahmen den richtigen Weg gewählt hat. Weiterer Schutz, wie von Bund und Ländern wegen der alarmierenden Sprengungszahlen gefordert, ist richtig, darf aber nicht einseitig zulasten der Geldinstitute gehen.

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