Neubauten sollen volle Abdeckung bringen
Remscheiderin sucht verzweifelt einen Kita-Platz für ihren Sohn
Aktualisiert:
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Sarah Hagedorn sucht verzweifelt einen Platz für ihren Sohn. Stadt strebt mit Neubauten volle Abdeckung an.
Von Timo Lemmer
Remscheid. Die Odyssee von Sarah Hagedorn hat vor zwei Jahren begonnen. Dabei geht es der Remscheiderin lediglich darum, ihren im Sommer dreijährigen Sohn endlich in einem Kindergarten unterzubringen. Geklappt hat das bisher nicht. Als nun die Stadt die ersten Eltern informiert hat, die ab Sommer definitiv berücksichtigt werden können, war Hagedorn erneut nicht dabei. Bei weitem kein Einzelfall, wie die Stadt bestätigt: Für das im Sommer beginnende Kindergartenjahr 2022/23 fehlen aktuell 627 Kita-Plätze. Auch in den Vorjahren lag die Unterdeckung regelmäßig bei über 500.
Allerdings werde diese Zahl noch deutlich schrumpfen, erklärt Peter Nowack vom Jugendamt. So gebe es Eltern mit zwei oder drei Zusagen aus der ersten Vergabewelle, die sich nun bald final für eine Einrichtung entscheiden müssten – so dass Nachrücker zum Zug kommen. Dennoch wird die Zahl derer, die leerausgehen werden, hoch sein. „Unser Ziel ist es, die Zahl über die Neubauten auf null zu bringen. Dieses Jahr wird das noch nicht funktionieren“, sagt Nowack, der auf 2023 hofft.
Als der Kleine von Sarah Hagedorn ein halbes Jahr alt war, nahm die alleinerziehende Mutter ihre Suche auf – anderthalb Jahre vor dem angestrebten Eintrittsdatum in eine Kita. Dort sollte der Sohn mit zwei untergebracht werden. „Eine Kita-Leiterin hat zu mir gesagt: Da bist du aber spät dran mit eineinhalb Jahren Vorlauf“, erzählt Hagedorn.
Heute wisse sie, dass man sich am besten quasi direkt nach der Geburt um einen Betreuungsplatz kümmert. „Das wusste ich damals aber nicht und habe dann entschieden, noch ein Jahr länger Elternzeit zu nehmen“, sagt sie.
Kinder brauchen zahlreiche soziale Kontakte
Im kommenden Sommer ist sie dann fast vier Jahre aus ihrem Job raus. Da sie als Heilerziehungspflegerin mit verhaltensauffälligen Klienten gearbeitet hat, musste sie aus Vorsichtsgründen schon mit Schwangerschaftsbeginn ausscheiden. Einen Kita-Platz aber hat sie auch jetzt noch nicht, in der ersten Priorisierungsrunde der Zuweisung von Betreuungsplätzen ist sie erneut durchs Raster gefallen. Das schlägt ihr enorm aufs Gemüt.
Dabei wäre eine gewährleistete Betreuung für ihren Sohn in Hagedorns Fall doppelt wichtig, findet die Mutter. Zum einen will Sarah Hagedorn endlich wieder arbeiten, was auch finanziell von hoher Wichtigkeit sei. Ein Jobangebot für 30 Stunden haben sie nun schon ausschlagen müssen, da die Betreuung ihres Sohnes nicht sichergestellt ist. Auf der anderen Seite pocht die Mutter auch darauf, dass ihr Sohn endlich mehr soziale Kontakte aufbauen kann als zu den gewohnten Spielfreunden.
Mehr als 5000 Kinder müssen untergebracht werden - Es gibt aber nur rund 4500 Plätze
Die Stadt wickelt Betreuungsanfragen von Eltern über das Online-Portal Little Bird ab. Dort können Eltern eine passende Kita suchen und dort Betreuungsanfragen stellen. „Aus dem Anmeldesystem Little Bird ergeben sich 5163 Vormerkungen“, teil die Stadt mit. So viele Kinder müssten also untergebracht werden.
Aber, so die städtische Pressestelle weiter: „Für das Kindergartenjahr stehen 4536 Plätze zur Verfügung.“ Kitas könnten womöglich auch überbelegt werden. Ferner empfiehlt die Stadt: „Eltern von U3-Kindern können versuchen, einen Platz bei einer Kindertagespflegeperson zu erhalten.“
Mit dem Remscheider Jugendamt hat Hagedorn bereits telefoniert. Man habe auch ihr gesagt, dass rund 600 Plätze fehlen würden. Sie stehe auf der Warteliste. „Ich soll jetzt erstmal wieder Kindergärten abtelefonieren“, sagt sie. Einen Anspruch auf einen Kita-Platz gibt es längst. Offen ist, ob Sarah Hagedorn einen finden – sie sucht parallel nach einer Tagesmutter.
Hintergrund
Ausblick 2022: Die Stadt versucht, der Lage mit neuen Kitas Herr zu werden. Bis Ende 2022 sollen drei hinzukommen: Tannenhof II mit 110 Plätzen, ISS-Sedanstraße (80) sowie Grillardor (80).
Ausblick 2023: Im folgenden Jahr sind vier weitere, neue Kitas angedacht: an der Rosenstraße sowie eine Awo-Kita an der Burger Straße. Darüber hinaus soll es je einen neuen Kita-Standort in Lennep und Remscheid-West geben.
Standpunkt: Neubauten sind überfällig
Kommentar von Timo Lemmer
Es mag nicht jede dieser Geschichten so aufwühlend sein wie die von Sarah Hagedorn, die nach über drei Jahren endlich wieder arbeiten will – und einen bald dreijährigen Sohn hat, der es einfach seinen Gleichaltrigen gleichtun und in den Kindergarten gehen will. Und doch stecken hinter der Zahl 627 jede Menge Kinder und sicherlich noch das ein oder andere mitreißende Schicksal. 627, so viele Kita-Plätze fehlen dieses Jahr in Remscheid, über 500 sind es auch schon in den Vorjahren gewesen. Wenngleich nun erst einmal der dynamische Prozess in Gang kommt, an dessen Ende noch viele Nachrücker stehen werden, die sich dann über einen Kita- oder Tagespflegeplatz freuen dürfen. Darauf haben die Menschen schlicht einen Anspruch. Wie viele Nachrücker es aber realistisch werden, dazu wollte das Jugendamt lieber keine Schätzung abgeben. Falsche Hoffnungen sollen nicht geweckt werden, das Thema ist sensibel. Messen lassen muss sich die Stadt dann aber in den kommenden Jahren: Dann nämlich soll das Angebot an Kita-Plätzen genau die Nachfrage abdecken. Das sollen die Neubauten regeln. Den Eltern wäre es zu gönnen – und allen voran den Kindern.