Rundgang
So sieht es in Remscheids Bunkern aus
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Beim Bunkerwart liegen noch Schallplatten: Drei Schutzräume sollten 5236 Menschen vor dem Atomtod schützen. Heute sind die Anlagen weitgehend sich selbst überlassen.
Remscheid. Vorhänge aus grauem Plastik hängen von der Betondecke und schirmen die Notbetten mehr schlecht als recht ab. In den beiden Rettungsräumen hätten jeweils neun Verletzte Platz gefunden. Daneben liegen die Toiletten für die 1707 Remscheiderinnen und Remscheider, die im Fall eines Krieges mit konventionellen oder atomaren Waffen in dem Bunker Schutz gefunden hätten.
Luftfilter sollten die Atemluft reinigen, ein Tiefbrunnen sollte für Trinkwasser sorgen und zwei brüllend laute Schiffsturbinen für den benötigten Strom.
Schallplatten liegen noch beim Bunkerwart
Sogar für leichte Unterhaltung war gesorgt. Beim Bunkerwart liegt noch eine Schallplatte auf dem Plattenspieler. Der Teller dreht sich, die Nadel kratzt, und aus den Lautsprechern klingen die „Hits der 60er“ durch die menschenleeren Gänge. Der Bunker am Steinweg in Alt-Remscheid ist gespenstisch und faszinierend zugleich.
Drei solcher Schutzräume aus der Zeit des Kalten Krieges gibt es in Remscheid. Sascha Ploch, der bei der Berufsfeuerwehr für den Zivil- und Katastrophenschutz seiner Heimatstadt zuständig ist, hat den RGA mit in diese verborgene Welt genommen. Regelmäßig schaut er in den Bunkern nach dem Rechten. „Leichenverwaltung“, nennt er die Aufgabe spöttisch.
Gepflegt und gewartet wurde die Technik zuletzt in den 90er Jahren. Geld für Instandsetzungen gibt es spätestens seit 2007 nicht mehr. Nach einem allgemeinen Baustopp beschloss der Bund das endgültige Aus des Schutzraumprogramms. Seither sind die Bunker in Deutschland sich selbst überlassen.
Remscheid: Schutz für 4,5 Prozent der Bevölkerung
Wäre die Konfrontation zwischen den Militärblöcken eskaliert, sollten sich die Menschen unter die Meter dicken Betondecken flüchten. Für alle hätte der Platz dort freilich nicht gereicht. 5236 Remscheider hätten in den drei Bunkern Schutz gefunden. Das entsprach einem Versorgungsgrad von 4,5 Prozent. Das ist mehr als im Landesvergleich. Bis zum Ende des Baus von Bunkeranlagen im Jahr 1990 hätten lediglich 2,38 Prozent der Bevölkerung Platz in einem Bunker gefunden.
Rundgang durch Remscheids Bunker




Wer es hineingeschafft hätte, wäre dem Tod freilich nur für kurze Zeit entronnen. Ein atomarer Schlagabtausch der Supermächte hätte Europa in eine nukleare Wüste verwandelt. Das heißt, wer im Bunker der Hitze- und Druckwelle der Bombe entronnen war, wäre einen qualvollen Strahlentod gestorben.
Bunker sind auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen
Bis zu zwei Wochen hätten sich die Bunkerinsassen hinter den dicken Mauern und unter der Erde vor dem atomaren Fallout verstecken können. Zum Beispiel unter dem Theodor-Heuss-Platz. Dort liegt neben dem Bunker am Steinweg am Markt eine weitere Schutzanlage, die in den Jahren 1969 und 1970 in Remscheid erbaut wurde. Dabei ist sie auf den ersten Blick gar nicht als Bunker erkennbar.
„Ich bin sicher, dass der Bau solcher Schutzanlagen wieder auf die Tagesordnung kommt.“
Der Schutzraum liegt in einem etwas tiefer gelegenen Teil der Parkgarage der Stadtsparkasse Remscheid. Gebaut wurde der Bunker als so genannte Mehrzweckanlage, das heißt: Dort, wo sich im Kriegsfall bis zu 1655 Menschen aufhalten sollten, parken in Friedenszeiten Autos. Nur die Türen an den Wänden deuten noch auf eine andere Verwendung hin. Und die riesigen Stahltore, mit denen die unterirdische Anlage abgeriegelt werden kann.
Noch gut zu erkennen ist eine der Schleusen. Wer in den Bunker möchte, hätte sie passieren müssen. Schwere Stahltüren schirmen das Bunkerinnere von der Außenwelt ab. Durch ein Bleiglasfenster hätte die Wachmannschaft jeden Neuling betrachtet und durch eine Gegensprechanlage zum Ablegen der Kleidung und zur Dekontamination aufgefordert. Eine Dusche mit Wanne stand dazu bereit.
Viele Einrichtungsgegenstände sind mittlerweile aus den Bunkerräumen verschwunden. Ein Zahnarztstuhl zum Beispiel und chirurgisches Besteck, alles aus den 60er Jahren.
Bunker sollte direkten Zugang zum OP im Klinikum bekommen
Der kurioseste Bunker in Remscheid ist der an der Burger Straße. Von dort ist er allerdings kaum zu sehen. Der riesige Betonklotz wurde unmittelbar neben dem Sana-Klinikum errichtet und sollte die Remscheider im Südbezirk ursprünglich vor den Bomben der Alliierten im Zweiten Weltkrieg schützen. Dazu kam es nicht mehr. Die Baufirma konnte den dreistöckigen Hochbunker erst nach Kriegsende im August 1945 fertigstellen.
Es ist die größte Anlage, die in der Hochphase des Kalten Krieges nach 1965 modernisiert wurde. Ende der 80er Jahre erhielt der Bunker eine Lüftungsanlage und wurde danach Teil des Zivilschutzes in Remscheid. 1874 Menschen hätten darin einen Atomschlag auf die umliegenden Großstädte überleben können.
Die Gänge auf den drei Etagen scheinen beinahe endlos. Wer sich nicht auskennt, kann sich leicht darin verlaufen. Links und rechts zweigen Räume ab. In Doppelbetten hätten darin jeweils vier Menschen schlafen können. Am Ende der Flure steht Toilettenschüssel an Toilettenschüssel. Im Kriegsfall hätten nur Vorhänge dazwischen gehangen, erklärt Sascha Ploch: „Um Selbstmorde zu verhindern.“
Zwar wurde der Weltkriegsbunker an der Burger Straße im November 1945 ordnungsgemäß abgerechnet. Fertig wurde das Betonmonster jedoch nie. Manche Treppen führen buchstäblich ins Nichts. Ein Tunnel, der den Bunker einst mit einem Operationssaal des Krankenhauses verband, ist unterbrochen. Ursprünglich hatten die Patienten durch den Tunnel bei einem Angriff in Sicherheit gebracht werden sollen.
Abriss der Bunker hätte Millionen gekostet
Nur einmal hat der Rat der Stadt Remscheid überlegt, das Relikt eines heißen und eines kalten Krieges in Gänze abreißen zu lassen. Die Rechnung, die damit auf die Stadt zugekommen wäre, ließ Politik und Verwaltung rasch davon Abstand nehmen. 21 Millionen D-Mark sollte der Abriss seinerzeit kosten.
Deshalb blieb der graue Klotz. Und steht mit den anderen beiden Bunkern am Markt und am Rathaus möglicherweise sogar vor der Wiederbelebung. „Ich bin sicher, dass der Bau solcher Schutzanlagen wieder auf die Tagesordnung kommt“, sagt Sascha Ploch. Angesichts des neuen Ost-West-Konflikts als Folge des Krieges gegen die Ukraine werde es zu einer neuen Diskussion über den Bevölkerungsschutz kommen.
Können die Bunker reaktiviert werden?
Wäre eine Wiederinstandsetzung der Kriegsbauten in Remscheid denn überhaupt denkbar? Wer in den Bunker am Steinweg vordringt, wird den Kopf schütteln. Notbetten und Stühle sind noch in Massen vorhanden, dazu Decken, Kopfstützen und Werkzeuge.
Doch unter Pumpen und Kesseln zur Wasseraufbereitung und unter den Generatoren zur Stromerzeugung haben sich Lachen rostigen Wassers ausgebreitet. Hier unten überlebt niemand, der länger von der Außenwelt abgeschnitten ist. Eine Sanierung wäre möglich, schätzt Sascha Ploch. „Der Aufwand wäre allerdings gigantisch.“
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