Ausstellung
Foto-Künstler rückt Schrott ins rechte Licht
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Gerd Mittendorf stellt in der Zentralbibliothek aus.
Von Melissa Wienzek
Die Mitarbeiter der Firma Dirostahl gucken mittlerweile nicht mehr komisch, wenn ein Mann mit Fuji-Digitalkamera zwischen den dicken Stahl-Abfällen auf dem Werksgelände wandelt. Denn Foto-Künstler Gerd Mittendorf (83) gehört seit zehn Jahren „zum Inventar“. Der Schrott hat es dem Remscheider, der in Radevormwald lebt, angetan. Bei Dirostahl an der Luckhauser Straße gibt es diesen zuhauf - aber immer nur für eine gewisse Zeit. Denn schon bald wird er abgeholt, wird eingeschmolzen. „Dann taucht er als Stuhl oder Gabel wieder auf“, sagt Mittendorf. Eben ein wertvolles Wirtschaftsgut, aber auch ein vergänglicher Moment der Schönheit – und das hat es dem Fotografen, der seine Technik an der Technischen Hochschule der Bundeswehr in den 50ern verfeinert hat, angetan.
Denn wenn die feinen Bleche, dicken Stahlkörper oder Ringe draußen im bergischen Wetter lagern, passiert etwas – sie fangen an zu leben. Das Metall setzt eine rostbraune Patina an, aus einem vasenförmigen Stück wächst plötzlich Stroh, es entstehen berauschende Farbringe, die an tranceartige Zustände erinnern. „Ich pendle dann stundenlang dort rum, stelle auch schon mal etwas um“, erklärt der Künstler. „Ich lasse mir immer etwas einfallen. Es muss stimmen.“ Auch die Lichtverhältnisse sind extrem entscheidend. Wann ist das beste Licht? „Nachdem es geregnet hat“, findet er. Die spannenden Prozesse der Schrott-Unikate hält er mit der Fuji fest.
Auch vom Spiel mit Licht und Schatten erzählen die Fotografien, die Mittendorf nicht bearbeitet, wie er sagt. Wohl wählt er aber Ausschnitte - und erzeugt dadurch nicht nur Tiefe, sondern auch Spannung. Seine Philosophie: „ Loslösung aus der Oberflächlichkeit und Subtilität.“
Alle Fotografien sind käuflich erwerblich
33 Fotografien stellt Gerd Mittendorf bis 4. März in Foyer und Treppenhaus der Zentralbibliothek unter dem Titel „Schrottkunst – vergängliche Beobachtungen“ aus. 95 Prozent davon sind bei Dirostahl entstanden. Für den Betrachter werden die Fotos zum wahren Fantasie-Spielraum: Ist dieses Stück Schrott ein Schwan? Kläfft hier ein Hund? Was war das mal? Ein Objekt, das im Treppenhaus zu sehen ist, könnte gar von Tony Cragg sein. „Daher werde ich auch nie Titel vergeben“, sagt Mittendorf. Wohl aber sind alle Werke käuflich erhältlich.
„Schrottkunst - Vergängliche Beobachtungen“ ist bis 4. März in der Zentralbibliothek während der Öffnungszeiten zu sehen.
Der Künstler
Der Remscheider Gerd Mittendorf (83) erhielt mit elf Jahren eine Bilora-Blitzbox. Die Grundlagen der Fotochemie erlernte er im Fotolabor des Vaters. Er arbeitete als Bildjournalist und zuletzt in der Pressestelle der Stadt Schwelm. Auf seine Initiative hin wurde die dortige Rathaus-Galerie eingerichtet. Mehrere Ausstellungen, zuletzt auch in der Henrichshütte Hattingen. Mittendorf lebt in Radevormwald und fotografiert digital.