Wilde Tiere
Familie findet Waschbär vor der Dusche
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Weil ihnen dort wenig Gefahr droht: Schweine, Füchse, Rehe und andere Wildtiere erobern die Innenstädte.
Von Simone Theyßen-Speich und Axel Richter
Familie Adams ist tierlieb. Immer schon. Kater Merlin und Katze Uschi gehören seit 15 Jahren zur Familie. Der neue Mitbewohner ist den Adams´ allerdings nicht willkommen, dabei führt er sich ganz so auf, als sei er bei ihnen zu Hause. Ein Waschbär hat das Haus der Solinger für sich entdeckt. Jüngst trafen sie ihn im Gäste-WC vor der Dusche. Ganz so als wolle das Pelztier seinem Namen alle Ehre machen. „Angst hatte ich keine“, sagt Reiner Adams. „Aber doch Respekt.“
Waschbären, eigentlich in Nordamerika zu Hause, sind im Bergischen keine Seltenheit mehr. Sein Fell galt einst als begehrte Jagdbeute. Später wurden die katzengroßen Tiere in Pelztierfarmen gezüchtet, aus denen einzelne Tiere entwischten. In den Wäldern fanden die Allesfresser reiche Beute. Eigene Fressfeinde hat der Waschbär dagegen keine und in jedem Jahr bringt eine Bärin zwei bis fünf Junge zur Welt.
Heute gilt der Einwanderer als invasive Art, der heimische Vögel, Amphibien und andere Kleintiere auszurotten droht. Waschbären dürfen deshalb weder gehalten noch gezüchtet und erst recht nicht freigesetzt werden. Darum sind sie grundsätzlich für die Jäger zum Abschuss freigegeben. Doch das ist leichter gesagt als getan. „Wir bringen nur wenige im Jahr zur Strecke“, berichtet Prof. Dr. Hans-Willi Kling, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Remscheid. Am Ende ist es nur ein Bruchteil der tatsächlichen Population.
Das gilt nicht weniger für andere Wildtierarten, die sich mehr und mehr zu Kulturfolgern entwickeln, mit anderen Worten: den Menschen auf die Pelle rücken. Während Anfang Dezember 30 Jäger bei einer groß angelegten Drückjagd des Remscheider Stadtforstamtes im Revier Küppelstein sechs Rehe, aber kein einziges Schwein zur Strecke brachten, grub eine Rotte in Honsberg den Nachbarn den Garten um. Sie riefen die Polizei, doch die ist ebenso machtlos wie der örtliche Waidmann: Zwischen Häusern und Gärten ist das Jagen und Schießen aus guten Gründen verboten.
So merkwürdig es klingt, aber das wissen auch die Tiere. „Waschbären, Wildschweine, auch Füchse sind gelehrig“, sagt Hans-Willi Kling. „Sie machen die Erfahrung und merken sich, dass ihnen innerhalb städtischer Bebauung keine Gefahr droht.“ Zudem ist der Tisch dort oft reichlich gedeckt. „So ein Komposthaufen mit Regenwürmern und Engerlingen ist für Sauen was Erlesenes“, sagt Kling. „Und so einen Pott Katzenfutter auf der Terrasse ist auch für Waschbären und Füchse ein gefundenes Fressen.“
Verstorbener Markus Wolff forderte bereits vor zwei Jahren ein anderes Bewusstsein gegenüber Wildtieren
Der verstorbene Remscheider Forstamtsleiter Markus Wolff forderte im RGA-Gespräch deshalb bereits vor zwei Jahren, ein anderes Bewusstsein gegenüber den näher rückenden Wildtierarten zu entwickeln. Dass Wildschweine, Rehe, Marder und andere Wildtiere bis in die Innenstädte vorrücken, könne auch „ein Signal dafür sein, dass der Wald für sie genauso voll und unbequem ist wie die Stadt“.
Wolff forderte deshalb, die Bejagung zu verschärfen. Auch mit Blick auf die Bemühungen der Förster, den Remscheider Wald an die veränderten Klimabedingungen anzupassen. Rehe, die die gerade gepflanzten Bäumchen anfressen und ihr Geweih daran reiben, bis die Rinde in Fetzen hängt, sind dabei wenig förderlich.
Tiere tot zu schießen ist allerdings wenig populär. Schon gar nicht, wenn es um die putzigen Kleinbären mit der Gesichtsmaske geht. Auch dazu kann Jäger Kling eine Geschichte erzählen. Ein Wuppertaler war genervt vom Waschbären, der sich auf seinem Dachboden einquartiert hatte. Kling konnte das Tier in eine Falle locken, doch sollte Maskenträger nicht als Fellmütze endet, sondern an anderer Stelle im Wald wieder ausgesetzt wird. Kling tat wie geheißen. Mit der Folge, dass der Waschbär nach drei Tagen wieder auf dem Dachboden weilte.
Was ist also zu tun? Den Tieren das Leben so unvorteilhaft wie möglich machen. Familie Adams wird deshalb jetzt Fallrohre und Dachrinne mit Tauben-Stachelbändern sichern, damit der Waschbär nicht unter ihrem Dach einzieht. Und die Katzenklappe mit Sensoren ausrüsten, damit die sich tatsächlich nur noch für Kater Merlin und Katze Uschi öffnet. Über diesen Weg nämlich war der Waschbär ins Haus gekommen.
Wölfe
Der Wolf ist weit entfernt davon, wie Waschbär, Fuchs und Co. zum Kulturfolger zu werden. Doch: Die einzelnen Exemplare, die jüngst in Radevormwald und dann in Wermelskirchen gesichtet und nachgewiesen wurden, haben sich bereits in Menschennähe vorgewagt. Auch sie lernen, dass zum Beispiel Schafe auf einer Weide leichter zu erbeuten sind als das Reh im Wald. Bei wachsender Population wird der Platz für sie zudem geringer. Experten gehen deshalb davon aus, dass es künftig auch im Bergischen Land zu häufigeren Begegnungen zwischen Mensch und Wolf kommen wird.