Bildung
Schließung des Weiterbildungskollegs? Schulleiter warnt: „Ein Rettungsnetz wird zerschnitten“
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
- VonAndreas Weberschließen
Das Weiterbildungskolleg soll geschlossen werden. Doch der Schulleiter warnt vor Folgen.
Von Andreas Weber
Remscheid. Der Tagesordnungspunkt 11 im Schulausschuss kommenden Mittwoch (17 Uhr, Ratssaal) wird für höchst kritische Nachfragen sorgen. Denn das Weiterbildungskolleg an der Bökerhöhe soll zum 31. Januar 2024 geschlossen werden. Die Bezirksregierung sieht keine Perspektive mehr, weil die Zahl der Studierenden unter die vorgegebene Mindestgrenze von 160 gefallen ist.
Das Kolleg, das als Abendrealschule eine lange Tradition in Remscheid aufweist, fängt junge Erwachsene auf, die oft eine gebrochene Vita aufweisen, sich als Flüchtlinge integrieren und keinen Schulabschluss haben. Schulleiter Stefan Tolksdorf ist bestürzt: „Hier wird ein Rettungsnetz zerschnitten. Jeder Cent, der so eingespart wird, führt zu hohen Folgekosten. Es wird weitere Bürgergeld-Empfänger geben.“ Tolksdorf und sein achtköpfiges Kollegium schütteln über diesen Widersinn den Kopf. „Wir sind nicht KAOA, sondern stehen für: Kein Abschluss, aber Hoffnung.“
Diese Hoffnung werde auf ein Minimum schwinden, wenn die Kollegteilnehmer – wie angedacht – nach Wuppertal zum Bergischen Kolleg fahren müssen. Die Pädagogen wissen, dass ihre betreuungsintensive Klientel standortnahe Bildung benötigt. Hintergrund des landesweit geplanten Kahlschlags sei die Strategie der Bezirks- und Landesregierung hin zu Zentralisierung und größeren Systemen, ist sich Die Linke sicher.
„Dies ist nicht im Sinne der Studierenden, die es im Leben bisher schon nicht leicht hatten“, warnt die Ratsfraktion. Fraktionschefin Brigitte Neff-Wetzel schlägt vor: „Wir plädieren dafür, die Idee einer Dependance-Lösung mit Wuppertal als Zentrale erneut in Betracht zu ziehen.“ Die Idee eines Teilstandortes war bei den Entscheidern verworfen worden, weil Remscheid „zu klein“ sei.
Für Stefan Tolksdorf ist diese Begründung nicht schlüssig. „Letzten Endes geht es rein um Kostenersparnis. Dem Landesrechnungshof ist der 2. Bildungsweg zu teuer geworden. Bei den Kollegs soll es eine Verschlankung geben, nur die Großen werden überleben.“
Als Tolksdorf 2011 als Konrektor am Gustav-Michel-Weg begann, gab es noch 320 Studierende. Angemeldet für 2022/23 waren 124, vor dem Schließungsbeschluss waren es 110, aktuell 80. Die Zahl ist auf ein Minimum gesunken, weil der Internationale Vorkurs schon nicht mehr stattfindet. Im Sommer wird auch kein normaler Vorkurs mehr angeboten. Drei Gründe für den Rückgang sieht der 63-jährige Schulleiter: Zum einen im demografischen Wandel und dass Unternehmen auf dem leergefegten Arbeitsmarkt in ihrer Not Menschen ohne Schulabschluss einstellen.
In der JVA Lüttringhausen wird es keinen Unterricht mehr geben
Tolksdorf nennt auch die Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen zum Weiterbildungskolleg. Erforderlich ist nämlich eine sechsmonatige Berufstätigkeit. Weniger Anmeldungen heißt aber nicht, dass das Weiterbildungskolleg überflüssig wird, mahnt Tolksdorf. „Wir müssen in unserer Gesellschaft mehr denn je um jeden Jugendlichen kämpfen“, fordert Tolksdorf. Dies geschieht im Übrigen auch seit 50 Jahren in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lüttringhausen.
Dort unterrichtet das Kollegium seit Februar 1973 – damals war die Abendrealschule im Lenneper Kreishaus untergebracht – und führt Gefangene zu einem ersten Schulabschluss. „Wir sind ein Instrument auf dem Weg zur Resozialisierung“, sagt Tolksdorf. Mit oft ausgezeichneten, motivierten Schülern, wie der Erwachsenenpädagoge hinzufügt. Bei der JVA-Leitung sei die angekündigte Schulschließung mit Fassungslosigkeit aufgenommen werden. Tolksdorf schlägt vor, Remscheid als Teilstandort zu behalten, dort den Internationalen Vorkurs, Vorkurs und das 1./2. Semester anzubieten, dass den 1. Schulabschluss (9er) und erweiterten 1. Schulabschluss (10er) ermöglicht.
Standortwechsel
Eine Möglichkeit wäre, wie von der Stadt mal erwogen, dass Weiterbildungskolleg im Berufskolleg Technik unterzubringen. Weil nicht mehr so viele Räume benötigt werden, bräuchte es dafür keinen Anbau an der Neuenkamper Straße.