Künstliche Intelligenz

Das sagen Remscheids Schulleiter zu ChatGPT

Nützlich auch bei Tests und Klausuren: Das Programm lässt sich auch mit dem Handy öffnen.
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Nützlich auch bei Tests und Klausuren: Das Programm lässt sich auch mit dem Handy öffnen.
  • Axel Richter
    VonAxel Richter
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Künstliche Intelligenz erledigt Aufsätze - Ist der Unterricht in Gefahr? Werden Schülerinnen und Schüler fauler?

Remscheid. Hausaufgaben, Facharbeiten, Aufsätze über Leibniz: Das alles macht ChatGPT. Das Computerprogramm kann nicht nur viele Fragen beantworten, warum der große Philosoph zum Beispiel als Universalgelehrter seiner Zeit galt. Auf Wunsch formuliert die Künstliche Intelligenz auch gleich eine Abhandlung über Leben und Wirken des frühen Aufklärers. Und das in erstaunlich guter Qualität. Welchen Wert hat so etwas dann noch für die Schulen? Ist der Unterricht in Gefahr? Werden Remscheids Schüler immer fauler, weil sie schreiben lassen, statt selbst zu schreiben?

Dr. Thomas Giebisch zeigt sich gelassen.

„Ich bin da wahrscheinlich gelassener als viele andere“, sagt Dr. Thomas Giebisch, Leiter des Gymnasiums, das den großen Philosophen, Mathematiker und Juristen im Namen trägt. Er hat das Programm selbst ausprobiert. Ergebnis: „Ich glaube, schnell erkennen zu kennen, ob ein Roboter den Text geschrieben hat. Oder ob jemand das Thema, über das er geschrieben hat, auch wirklich versteht.“

Um die Eigenleistung der Jugendlichen einschätzen zu können, dürfte das Mündliche in Zukunft eine größere Rolle spielen als heute. „Dort zeigt sich, ob sich die Schülerin oder der Schüler tatsächlich mit dem Stoff beschäftigt und auseinandergesetzt hat oder nicht“, sagt Michael Pötters, Leiter der Sophie-Scholl-Gesamtschule. Zumal, warnt der Lehrer für Sport, Biologie und Naturwissenschaften: „Es stimmt nicht alles, was da steht.“

„Wir sind ja nicht doof.“

Rainer Schulz, Leiter des Emma-Herwegh-Gymnasiums

Auch der Künstlichen Intelligenz unterlaufen nämlich Fehler. Und, das ist vielleicht die gravierendste Schwäche des Chatbots: ChatGPT macht keine Quellenangaben. Woher stammen die Informationen? Handelt es sich um eine Primär- oder eine Sekundärquelle, auf die sich der Aufsatz bezieht? ChatGPT zieht seine Informationen zur Textgenerierung aus allem, womit das Programm zuvor gefüttert wurde. Nur woher diese Informationen stammen, weiß die Künstliche Intelligenz nicht. Den Text macht das nahezu wertlos. „Die Literaturangabe ist für uns unabdingbar“, sagt Pötters. Auch er hat das Programm mit seinen Oberstufenschülerinnen und -schülern deshalb ausprobiert. „Schließlich stellen sich damit auch Fragen nach dem Urheberrecht.“

Michael Pötters will das Mündliche stärker bewerten.

Doch das ist ein Begriff, der längst für einige Schülergenerationen zum Fremdwort geworden ist – seit sie mit Suchmaschinen wie etwa Google auf das geistige Eigentum anderer zugreifen können. Per Copy and Paste werden ganze Passagen in andere Texte eingefügt. Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige.

Doch auch für die Zeit davor gilt: „Abgeschrieben wurde schon immer“, hält Rainer Schulz, Leiter des Emma-Herwegh-Gymnasium, lakonisch fest. Ob vom Banknachbarn oder aus dem Internet. Und schon immer kamen Lehrerin und Lehrer den Schummlern auf die Schliche. Allerdings half ihnen Anti-Schummel-Software, wenn Textpassagen aus dem Internet geklaut wurden. Bei einer Chatbox funktioniert das nicht.

Rainer Schulz weiß: „Abgeschrieben wurde schon immer.“

Also muss die Schule sich neu aufstellen, um zum Beispiel die Leistungen angehender Abiturientinnen und Abiturienten bewerten zu können. Schulz ist sicher, dass ihr das gelingt. „Wir sind ja nicht doof“, sagt er. Zur Not müsse das Schreiben unter Aufsicht in die Schulen geholt werden.

Abseits aller Bedenken bietet die Künstliche Intelligenz zudem Chancen. „Das ist natürlich ein hervorragendes Recherchetool“, sagt Leibniz-Chef Dr. Thomas Giebisch und zeigt sich sicher: „Leibniz war allem Neuen stets zugewandt. Mit Sicherheit hätte er ChatGPT selbst ausprobiert.“ Vielleicht hätte der Namensgeber die Künstliche Intelligenz sogar für seine eigenen philosophischen Texte benutzt.

ChatGPT

ChatGPT ist ein so genannter Chatbot. Das Programm wurde mit dem Inhalt von Datenbanken gefüttert, schreibt selbstständig Texte. Und zwar so, wie der Nutzer sie gern hätte. Ob ernst und seriös oder launig und humorvoll. Das Programm erstellt Einladungsschreiben ebenso wie Gedichte oder Ausarbeitungen für Schule und Universität. Die Nutzung von ChatGPT ist gegenwärtig kostenlos möglich. Weitere Chat-Programme dürften in Kürze erscheinen.

Standpunkt von Axel Richter: Überfällig

axel.richter@rga.de

Schon als die Taschenrechner im Mathematikunterricht Einzug hielten, sah manch einer das Ende der abendländischen Kulturnation heraufziehen. Wie wir heute wissen, blieb uns der Weltuntergang deshalb erspart. Denn die Schulen wussten, die neue Technik gut zu integrieren. Und nur das ergibt Sinn. Anders als die Amerikaner, die die Nutzung der Künstlichen Intelligenz in Form von ChatGPT bereits aus den Schulen verbannten, sollen bei uns die Programme im Unterricht genutzt werden. Natürlich schließt das Missbrauch nicht aus.

Die Erfahrung zeigt allerdings auch, dass sich Neuerungen nicht verhindern lassen, indem man versucht, sie von den Menschen fernzuhalten. Vielmehr müssen sie lernen, sie sinnstiftend zu nutzen. Dazu braucht es Schulen, die sich kritisch mit den Entwicklungen auseinandersetzen.

Medienkompetenz ist im 21. Jahrhundert als Unterrichtsfach überfällig und sollte endlich weniger lebenspraktische Inhalte aus dem Lehrplan verdrängen.

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