Bildung
„Schule der Underdogs“ wird aufgelöst
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Dem Weiterbildungskolleg an der Bökerhöhe fehlen die Schüler. Darum ist am 31. Januar 2024 ist nach 58 Jahren Schluss.
Remscheid. Das Weiterbildungskolleg der Stadt wird geschlossen. 58 Jahre nach der Eröffnung der Abendrealschule macht das daraus erwachsene Kolleg am 31. Januar 2024 dicht. Weil die Schülerzahlen nicht mehr stimmen, wird der Standort Bökerhöhe im Gustav-Michel-Weg aufgegeben. Die „Schule der Underdogs“, wie sie Schulleiter Stefan Tolksdorf mal bezeichnet hat, unterrichtet aktuell 124 Studierende.
Zu wenig, um den Landesvorgaben zu entsprechen. Laut Schulgesetz muss ein Weiterbildungskolleg mindestens 240 Teilnehmer haben, bestehende Einrichtungen sind auch mit 160 existenzfähig. Seit 2018 geht es aber an der Bökerhöhe stetig bergab. Ein Trend, der nicht allein Remscheid trifft, sondern landesweit zu beobachten ist, wie es in einer Vorlage für den Schulausschuss am 22. Februar (17 Uhr, Rathaus) heißt. In Spitzenzeiten waren es 340, die im Kolleg als junge Erwachsene ihren Haupt- oder Realschulabschluss nachholen konnten.
„Wir haben einen starken integrativen Charakter und fangen Schüler mit großem Erfolg auf, die anderswo durchs Netz gefallen sind“, sagt Tolksdorf über die Ausrichtung. Das Kolleg gibt jungen Menschen von 18 bis 25 Jahren mit gebrochenen Biografien, Lernschwächen und psychischen Problemen eine zweite Chance. Ein Standbein waren auch Menschen mit Migrationshintergrund. Viele Flüchtlinge sorgten in den vergangenen Jahren dafür, dass die 18 Unterrichtsräume im Komplex der ehemaligen Hauptschule Bökerhöhe gefüllt waren.
„Wir sind durch die Talsohle durch“, hatte sich der Schulleiter 2017 noch optimistisch gezeigt. Auch ein Kooperationsvertrag mit dem Jugendmigrationsdienst vergangenen Sommer, der einen Beratungsraum in der Schule erhielt, nährte die Hoffnung, auf eine Zukunft.
Künftige Schüler müssen ins Bergische Kolleg in Wuppertal
Nun werden die Reste aufgeteilt. Nach Gesprächen mit der Bezirksregierung Düsseldorf war angedacht, Remscheid als Teilstandort des Wuppertaler Weiterbildungskollegs anzudocken. Die Idee wurde verworfen, weil Remscheid zu klein geworden ist. Schrittweise läuft stattdessen die Auflösung. Zum 1. Februar wurden keine Neuen mehr aufgenommen. Der Vorkurs für internationale Flüchtlinge ist schon gestrichen, nach den Sommerferien wird auch kein weiterer Vorkurs mehr begonnen. Aktuelle Teilnehmer können freilich bis Anfang 2024 Abschlüsse ablegen. Die Klientel, die an der Bökerhöhe eine Perspektive findet, soll sich an das Weiterbildungskolleg in Wuppertal wenden, das in der Pfalzgrafenstraße untergebracht ist.
In dem Umstrukturierungsprozess, kleinere Weiterbildungskollegs zu opfern und in größere zu integrieren, ist noch vieles unklar. Die verbliebenen Lehrer, insgesamt acht, wissen nicht, wie es für sie persönlich weitergeht. Als Pädagogen des zweiten Bildungsweges sollten sie eigentlich weiter in der Erwachsenenbildung eingesetzt werden.
Im Zuge der zahlreichen Schulsanierungen, die in Remscheid anstehen, hatte das Gebäudemanagement erwogen, die benachbarte Grundschule Ost zwischenzeitlich ins Weiterbildungskolleg auszulagern und dieses wiederum in einen An- und Aufbau zum Berufskolleg Technik nach Neuenkamp zu verlegen.
Diese Rotation kann sich die Stadt nun sparen, gleichwohl wird das Gebäude, das als Hauptschule Bökerhöhe am 4. Dezember 1966 eröffnet wurde, ab Februar 2024 nicht nahtlos weitergenutzt. Die Immobilie mit dem Charme eines DDR-Plattenbaus und zahlreichen Mängeln drinnen, muss mit einem siebenstelligen Aufwand flott gemacht werden, um Nachfolger darin zu unterrichten.
Zur Geschichte
47 Jahre war die Schule am Ende des Gustav-Michel-Weges ein Hauptschulstandort. Im Zuge rückläufiger Anmeldungen wurde die Bökerhöhe für Hauptschüler 2013 aufgegeben und erhielt eine andere Bestimmung. Seit 2015 befindet sich dort das Weiterbildungskolleg der Stadt, die frühere Abendrealschule.
Standpunkt von Andreas Weber: Wuppertal schreckt ab
Das Weiterbildungskolleg ist eine Schule, die in Remscheid seit jeher unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit fliegt. Die jungen Erwachsenen, die dort landen, sind abgestürzt oder müssen sich an eine ihnen fremde Gesellschaft herantasten. In jedem Fall benötigen sie spezielle Unterstützung für einen Schulabschluss. Diesen werden sie bald nur noch an der Volkshochschule erlangen können. In Kollegform sollen sie nach der Schließung Bökerhöhe in Wuppertal aufgefangen werden.
Dass dies eine Alternative sein wird, ist unwahrscheinlich. Denn für die sensible Klientel sind standortnahe Lösungen wichtig, weite Anreisen eher abschreckend. Der Verlegung nach Wuppertal werden viele nicht mehr folgen.
Aus ökonomischen Gründen mag die Entscheidung des Landes, das Remscheider Kolleg aufzulösen, vertretbar sein. Aber Bildung darf keine Frage des Geldes sein. Mehr denn je ist es heute wichtig, dass jeder Spätzünder seine Chance auf eine berufliche Perspektive erhält.