Neubau vom Tisch
Wartburghaus bleibt vorerst doch stehen
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Weil die Baukosten stark gestiegen sind, ist der Neubau vom Tisch – Gemeinde ist „irritiert“ über Verzögerung
Von Stefan Gilsbach
Radevornwald. Das Ende des Wartburghauses, dem einstigen Gemeindezentrum der lutherischen Kirchengemeinde, war eigentlich schon vor Jahren besiegelt. Das Gebäude wartete im Grunde nur auf den Abriss, anschließend wollte die Gemeinde einen Neubau auf dem Grundstück neben dem Parc de Châteaubriant errichten.
Die Situation stellt sich nun ganz anders dar. Das Wartburghaus steht, der Neubau wird nicht kommen – vorerst nicht. Im jüngsten Gemeindebrief hatte Christian Schoppe, Finanzkirchmeister der Gemeinde, mitgeteilt, dass die Pläne nicht durchführbar sind.
„Wir sind relativ ratlos“, räumt Pfarrerin Manuela Melzer ein. Die Kosten für Bauprojekte sind in die Höhe geschossen, man habe daher das Vorhaben noch einmal durchgerechnet und sei zu dem Schluss gekommen, dass die ursprüngliche Planung nicht umsetzbar ist. Eigentlich sollte auf dem Grundstück auf einer Fläche von 1200 Quadratmetern ein neues dreigeschossiges Gebäude entstehen, unter anderem für barrierefreies Wohnen, weitere 500 Quadratmeter wären der Gemeinde als Bedarfsfläche geblieben.
Nun also wird das Wartburghaus erst einmal stehen bleiben. „Das ist für viele Gemeindemitglieder wie eine offene Wunde“, sagt die Pfarrerin. „Es tut den Menschen in der Seele weh, dass dieses Gebäude, mit dem so viele Erinnerungen verbunden ist, jetzt vor sich hin rottet.“
Immerhin konnte das leerstehende Gemeindezentrum in den vergangenen Jahren dann und wann sinnvoll genutzt werden, unter anderem als Impfzentrum und als Übungsort für die Feuerwehr, die dort bereits mehrmals Einsätze in Gebäuden geprobt hat. Melzer erklärt, dass man in der Gemeinde schon „etwas irritiert“ darüber sei, dass die Rechtsgültigkeit des Bebauungsplans erst vor rund drei Monaten vorgelegen habe. Das Zeitfenster, um die Baupläne zu verwirklichen, hatte sich da wegen der neuen Entwicklungen schon geschlossen.
Über den Bebauungsplan wurde lange debattiert
Burkhard Klein, Leiter des Bauverwaltungsamtes, erklärt: „Die Kirchengemeinde hätte durchaus schon das Gebäude abreißen können.“ Man habe den Verantwortlichen aus dem Rathaus vorher signalisiert, dass es möglich sei, die Bauanträge schon zu stellen. „Aber aus Sicht der Kirchengemeinde war das Risiko offenbar zu groß“, vermutet Klein. Aktuell sei die Zeit für größere Bauvorhaben tatsächlich nicht gut, räumt er ein. Aber was hat den Zeitplan so in die Länge gezogen? Laut dem Amtsleiter war ein wesentlicher Grund die Debatte über andere Aspekte des Bebauungsplans: „Es gab ja die Idee, den neuen Jugendfreizeitplatz in der Nähe des ,life-ness‘ anzulegen.“ Das berührte den gesamten „Lupenraum Nord“, zu dem auch die Fläche des Wartburghauses gehört. Die politische Debatte war kontrovers, unter anderem hatte die Fraktion der Alternativen Liste (AL) kritisiert, dass die Fläche am Bad nicht ausreichend für einen Jugendfreizeitplatz sei, dass Bäume dafür fallen müssten und dass es Probleme mit Anwohnern wegen der Lärmbelastung geben könne.
Um sicherzugehen, dass der Platz nicht zu Schwierigkeiten führen würde, hatte die Verwaltung Gutachten in Auftrag geben, auch das habe seine Zeit gedauert, schaut Burkhard Klein zurück. „Inzwischen ist die Verwaltung zu dem Schluss gekommen, dass es auf der Fläche ,Am Kreuz‘ bessere Bedingungen für einen Jugendfreizeitplatz gibt.“ Dort sollen bekanntlich auch die Katholische Schule Lindenbaum und eine neue Kita errichtet werden, Wohnbebauung ist ebenfalls angedacht.
Was künftig aus dem Wartburghaus und der Fläche werden soll, ist aktuell unklar. Das Grundstück, mitten in der Stadt und neben dem Park gelegen, hätte zweifellos rasch einen Käufer gefunden, doch Pfarrerin Melzer versichert, dass eine Veräußerung nicht geplant ist. In den kommenden Jahren, gibt sie zu bedenken, werden die evangelischen Kirchengemeinden in der Stadt weiter zusammenrücken. Dann könnten sich neue Ideen für die Nutzung des Areals ergeben. Vorerst wird das Wartburghaus also stehen bleiben.
Hintergrund
Das Wartburghaus wurde bereits Ende 2020 verlassen, das Gemeindeamt zog an die Krankenhausstraße, die Diakonie fand in unmittelbarer Nähe, im Bereich „Knippings Eck“, ein neues Domizil. Der offizielle Abschied von dem einstigen Gemeindezentrum wurde im Juni 2021 mit einer Feier und einer Ausstellung vollzogen. Zuvor hatten die Räume vorübergehend als Corona-Testzentrum gedient.