Interview
„Fotos spielen für uns keine Rolle“
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Till Weber vom Personalbereich der Firma Gira erklärt, worauf es bei Bewerbungen heute ankommt
Von Stefan Gilsbach
Herr Weber, wie finden heute Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen? Ist die Bewerbung mit tabellarischem Lebenslauf noch Stand der Dinge?
Till Weber: Der Lebenslauf spielt immer noch eine Rolle. Uns fällt aber auf, dass Bewerbungen heute knapper ausfallen als früher. Dass Interessenten ein umfangreiches Konzept oder ausführliches Anschreiben einsenden, kommt immer seltener vor. Viele Bewerbungen erreichen uns heute über Portale wie Xing oder Linkedin. Generell laufen Bewerbungen nur noch online – zumeist über unser Bewerbungsportal.
Welche Rolle spielt die äußere Form einer Bewerbung – etwa das Foto oder die Rechtschreibung ?
Weber: Natürlich gibt die Form einen ersten Eindruck, ist sozusagen eine Visitenkarte der Bewerberin und des Bewerbers. Kleinere Fehler sind nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium, wenn ansonsten der Gesamteindruck stimmt. Fotos werden heute oft nicht mehr mitgesandt, spielen für uns aber auch keine Rolle.
Wie steht es mit der berüchtigten „Lücke im Lebenslauf“, vor der früher bei Bewerbungstrainings gewarnt wurde ?
Weber: Ein unkonventioneller Lebenslauf kann sogar neugierig machen und zeigen, dass jemand gelernt hat, mit Herausforderungen umzugehen.
Ist es sinnvoll, bei einer Bewerbung persönliche Details wie Interessen und Hobbys anzugeben ?
Weber: Auf jeden Fall. Das bietet Anknüpfungspunkte für die Bewerbungsgespräche und trägt dazu bei, ein Bild von der Person hinter der Bewerbung zu bekommen. Uns ist daran gelegen, dass es nicht nur fachlich, sondern auch persönlich passt.
In welcher Form finden Bewerbungsgespräche heute statt ?
Weber: Das erste Gespräch läuft online. Diese Vorgehensweise hat sich seit Corona etabliert. Im zweiten Gespräch wollen wir das potenzielle Mitglied im Gira-Team dann aber doch persönlich vor Ort kennenlernen.
Wie gut sind nach Ihrer Erfahrung die Bewerber heute vorbereitet ?
Weber: Der Markt für Arbeitskräfte ist größer geworden – nicht zuletzt durch die Möglichkeit, remote, also ortsungebunden zu arbeiten. Das bringt es mit sich, dass das Wissen der Bewerberinnen und Bewerber über das Unternehmen zum Teil nicht sehr tief ist. Aber angesichts des Wettbewerbs bei der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften können Firmen heute nicht mehr davon ausgehen, dass Kandidatinnen und Kandidaten sich exklusiv auf einen potenziellen Arbeitgeber konzentrieren.
Kommt der überwiegende Teil der Bewerber noch immer aus der Nähe ?
Weber: Viele Bewerbungen erreichen uns auch aus Düsseldorf, Köln und dem Ruhrgebiet. Die Digitalisierung ermöglicht, auch remote zu arbeiten, so dass es bei Gira mittlerweile auch Beschäftigte gibt, die etwa in Süddeutschland leben und von dort aus arbeiten.
Gibt es Fehler, vor denen sich Bewerber besonders hüten sollten ?
Weber: Ich möchte es lieber positiv formulieren: Was trägt zum Erfolg einer Bewerbung bei ? Da ist es wichtig, sich im Klaren über die eigenen Vorstellungen und Ziele zu sein und sich zu fragen: In welchem Arbeitsumfeld möchte ich tätig sein? Was treibt mich an?
Gibt es Besonderheiten bei der Bewerbung älterer Arbeitnehmer?
Weber: Nein. Wir stellen nur fest, dass doch noch nicht alle sicher im Umgang mit Videointerviews sind und daher das persönliche Gespräch bevorzugen. Das liegt eher an fehlender Routine mit entsprechenden Videotools, aber nicht am Alter.
Wird ein Blick auf die Profile von Bewerbern in sozialen Medien geworfen ?
Weber: Nein, das ist nicht üblich. Natürlich gibt es Verhaltensweisen oder Einstellungen, die im Firmenalltag nicht akzeptabel sind. Aber wir stöbern nicht in der Privatsphäre von Bewerberinnen und Bewerbern herum.
Welche Möglichkeiten zum „Reinschnuppern“ gibt es für Bewerber bei Gira ?
Weber: Wir bieten zum einen Praktika an. Außerdem können sich Studierende nach dem Abschluss auf Trainee-Stellen bewerben. Das ist eine Form der Festanstellung, die vor allem für jene interessant ist, die sich nach dem Studium in der Arbeitswelt eines Unternehmens orientieren möchten: ein „Training on the Job“, bei dem auch das Unternehmen feststellen kann, wo sich der Trainee später ideal einsetzen lässt. Generell bieten wir Interessierten gerne die Möglichkeit, bei uns mal hinter die Kulissen zu schauen.
Allgemein beklagen viele Firmen, dass es schwerer geworden sei, gute Bewerber zu finden.
Weber: Es ist sicherlich anspruchsvoller geworden, sich im Wettbewerb um Talente und qualifizierte Mitarbeitende zu behaupten. Die eine oder andere Position zu besetzen, kann tatsächlich eine Herausforderung darstellen. Das macht es spannend und führt zu der zentralen Frage, was uns als Arbeitgeber attraktiv macht.
Gira
Gira ist ein Komplettanbieter für Systemlösungen für die elektrotechnische und vernetzte digitale Gebäudesteuerung. Mit seinen Entwicklungen prägt das Familienunternehmen seit 1905 die Welt der Elektroinstallation und Gebäudesteuerung. Schalter, Steuerungs-, Kommunikations- und Sicherheitssysteme finden in 40 Ländern Anwendung. Zur Gira-Gruppe gehören die Tochtergesellschaft Stettler Kunststofftechnik in Burgwindheim sowie Beteiligungen Insta Elektro in Lüdenscheid, das Softwareunternehmen ISE in Oldenburg und Firma Senic in Berlin. 2022 wurde die britische Firma Wandsworth übernommen.