Wildtier
Oberberg ist Wolfserwartungsland
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Experte Dietmar Birkhahn erläutert, warum die Region durchaus für einen Wolf oder gar ein Rudel interessant sei.
Von Stephan Büllesbach
Oberberg. Ist das Tier, das Janet Dürhager Mitte Januar auf einer Wiese bei Herweg fotografiert hat, ein großer Hund – oder handelt es sich um einen Wolf? Die Antwort steht noch aus. „Eine Bewertung der Aufnahme findet durch das Mehraugenprinzip statt“, erläutert Dietmar Birkhahn, Wolfsbotschafter des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) für Oberberg.
Nachdem er das Foto erhalten hatte, leitete er es an die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBWW) weiter. Dessen Spezialisten sollen nun prüfen, ob das Tier tatsächlich ein Wolf ist, „um eine gerichtsfeste Beurteilung zu erhalten“. Bislang hat er noch keine Rückmeldung erhalten.
Ortsfest angesiedelt habe sich der Wolf hier noch nicht
Es gibt laut Birkhahn keinerlei Hinweise darauf, dass sich aktuell ein Wolf oder mehrere Tiere in der Region niedergelassen haben. „Festzustellen ist aber, dass der Bereich Wermelskirchen, Hückeswagen, Wipperfürth, Marienheide und Meinerzhagen jedes Jahr von Herbst bis Frühling von Wanderwölfen durchzogen wird. Das ist mittlerweile die Regel“, stellt er klar. So war am 2. Dezember in einem Waldgebiet bei Radevormwald ein Tier von einer Wildkamera erfasst worden, das vom LANUV als Wolf identifiziert wurde. „Zumindest kann ich die Aussage treffen, dass es sich bei den in Radevormwald und in Hückeswagen fotografierten Individuen um unterschiedliche handelt“, versichert der Wolfsbotschafter.
Bekannt ist für Hückeswagen ein Fall: In der Nacht zum 20. November 2018 hatte eine Wölfin in Altenholte ein Schaf gerissen. Das hatten die Untersuchung der DNS, die das Tier an dem Schaf hinterlassen hatte, durch das Frankfurter Senckenberg-Institut ergeben. „Beim Bürger ist der Eindruck entstanden, dass sich Wölfe ortsfest angesiedelt haben – dem ist aktuell nicht so“, betont Birkhahn. Langfristig sei dies allerdings nicht auszuschließen. „Der Wolf entscheidet selbst, wo er sich niederlässt. Da hat der Mensch keinen Einfluss drauf.“ Generell sei das Oberbergische als Wolfserwartungsland zu betrachten, sagt der Experte.
Die Dichte der Wildtiere ist seit Jahren auf einem Höchststand. „Nahrung finden Wölfe also genügend“, sagt Birkhahn. Allerdings würden sie es nicht schaffen, diesen Bestand zu minimieren. Sie brauchen eine ruhige Stelle im Wald, wo sie ungestört ihren Nachwuchs aufziehen können sowie freie Wiesen- und Ackerflächen zur Jagd – von beidem gibt es hier ausreichend.
Manfred Schröter ist der betroffene Züchter, dessen Schaf vor vier Jahren gerissen worden war. Seitdem ist es aber bei seiner Herde ruhig geblieben. Dafür hat der Hückeswagener auch investiert – in neue Zäune und spezielle Geräte, die bis zu 8000 Volt durch die Drähte jagen. „Der Strom ist ein probates Mittel, um den Wolf abzuwehren“, ist sich Schröter sicher, der in Altenholte Milchschafe züchtet. 60 Muttertiere hat er, von denen das erste Drittel bereits gelammt hat. In den nächsten Tagen sollen 80 bis 90 Lämmer auf den Wiesen stehen.
Er kritisiert, dass die Region nicht zum Verdachts- oder gar Wolfsgebiet ernannt wird. Denn dadurch müssen die Züchter ihre Abwehrmaßnahmen aus eigener Tasche bezahlen. „Die Netze sind so teuer, dass es sich bald gar nicht mehr rentiert zu dem, was die Schafe einbringen“, sagt Schröter. Er ist nach den vielen möglichen Sichtungen sicher, dass es einen Wolf gibt, „der hier seine Runden zieht“.
Anders als Schröter hält Marco Schäfer aus Oberburghof wenig von den Schafzäunen mit einer Mindesthöhe von 90 Zentimetern: „Da springt mein Dackel drüber“, sagt der Hückeswagener, der mit seinem Bruder Nicolai Schäfer das vom Aussterben bedrohte Ostfriesische Milchschaf züchtet. „Wir haben natürlich Zäune, auf denen sind auch 8000 Volt drauf. Aber 90 Zentimeter sind nicht viel.“ Und die Kosten für das Hobby sind beträchtlich: 50 Meter Zaun kosten 150 Euro – die beiden Brüder haben auf verschiedenen Wiesen insgesamt 3000 Meter stehen.
Für sie stellt sich daher nun die Frage, was sie im Sommer mit ihren vier, fünf kleinen Herden machen. Normalerweise bringen sie ihre Tiere auf Wiesen an Waldrändern und schauen morgens und abends nach dem Rechten. Doch Marco Schäfer hat Angst um seine Tiere. „Ich kann sie aber nicht morgens mit dem Pickup auf die Wiese fahren und abends wieder zurück in den Stall holen.“ Auch Schäfer sagt: „Durch die Sichtungen haben wir damit gerechnet, dass wir hier Wolfsgebiet werden und dann Zuschüsse vom Land erhalten.“
Hintergrund
Scheues Tier: „Aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte kann festgestellt werden, dass Angriffe von gesunden freilebenden Wölfen auf Menschen in Deutschland nicht dokumentiert sind“, heißt es auf der Internetseite des Landesamts für Natur Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV). Wölfe gelten als extrem scheu. Es ist daher selten, dass Spaziergänger einen Wolf aus der Nähe zu Gesicht bekommen.
Verhaltensregeln: Falls der Mensch doch auf einen Wolf treffen sollte, sollte er sich an folgende Regeln halten: Nicht versuchen, Wölfe anzufassen oder gar zu füttern. Nicht weglaufen! Am besten stehen bleiben und abwarten, bis sich der Wolf zurückzieht. Langsam zurückziehen, wenn man den Abstand vergrößern will.
Man kann einen Wolf vertreiben, indem man ihn laut anspricht, in die Hände klatscht und mit den Armen winkt.
www.lanuv.nrw.de