Abschied

Iris Kausemann kehrt „BGV“ den Rücken

Iris Kausemann vor dem Archiv der Bergischen Zeitgeschichte (BZG) an der Islandstraße. Auch den Vorsitz in dem Verein will sie aus Gründen niederlegen, wohl aber weiter Mitglied bleiben.
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Iris Kausemann vor dem Archiv der Bergischen Zeitgeschichte (BZG) an der Islandstraße. Auch den Vorsitz in dem Verein will sie aus Gründen niederlegen, wohl aber weiter Mitglied bleiben.

Die örtliche Abteilung muss sich einen neuen Vorsitzenden suchen, denn die bisherige Amtsinhaberin hat ihr Amt niedergelegt.

Von Stephan Büllesbach

Hückeswagen. Iris Kausemann hat eine schwere Zeit hinter sich. Vier Monate war sie krankgeschrieben, erst seit November ist sie wieder in der Lage, ihrem Beruf als Stadtarchivarin von Radevormwald nachzugehen. „Über den Jahreswechsel bin ich dann in mich gegangen“, erzählt die Wipperfürtherin, die in Hämmern lebt. Dabei ist ihr klar geworden, dass sie sich jetzt erst einmal um ihre Gesundheit kümmern muss. Iris Kausemann hat daher beschlossen, die Vorsitze beider Geschichtsvereine – Bergisches Zeitgeschichte (BZG) und Bergischer Geschichtsverein Abt. Hückeswagen (BGV) – niederzulegen.

Doch während sie der BZG als Mitglied treu bleiben will, hat sie dem BGV komplett den Rücken gekehrt. Vereinsintern sei „etwas passiert“, über das sie Stillschweigen bewahrt.

Auslöser war das Gerichtsverfahren gegen sie, dass der Hückeswagener AfD-Vorsitzende gegen sie angestrengt hatte. Weil Kausemann ihn in einem Zeitungsartikel als „bildungsfern“ bezeichnet hatte, musste sie sich Anfang Juni 2022 einer Zivilklage am Amtsgericht Wipperfürth stellen. Ursprung war ein Antrag der FDP-Fraktion im April 2021 im Bauausschuss. Die Henry-Ford-Straße im Gewerbegebiet West sei nach einem „bekennenden Antisemiten“ benannt, weshalb er „kein würdiger Namensgeber für eine Straße in Hückeswagen“ sei. Als Alternative hatten sie den Hückeswagener Unternehmer, Konstrukteur und GBS-Mitgründer Hans Bêché vorgeschlagen. Das gefiel den Rechtspopulisten von der AfD nicht. Ihr Vorsitzender behauptete, Bêché habe von 1944 bis 1945 ein polnisches Kriegsgefangenenlager betrieben.

Iris Kausemann zeigte damals großes Unverständnis über die Reaktion des AfD-Fraktionsvorsitzenden und hatte gesagt: „Ich bin entsetzt und sprachlos darüber, dass solch eine bildungsferne Person die Geschicke unseres Hückeswagens mitbestimmen kann.“ Später erläutert sie: „Nach Ende des Kriegs gab es ein Lager auf dem Gelände der Firma Bêché & Grohs, in dem ehemals polnische Zwangsarbeiter untergebracht waren, die zurück in ihre Heimat geschickt werden sollten.“ Nebenan bei Klingelnberg habe es ein ähnliches Lager für ehemalige sowjetische Zwangsarbeiter gegeben. Um jemanden eine NS-Vergangenheit anzulasten, müssten ganz andere Quellen zurate gezogen werden. Der AfD-Vorsitzende habe bei Bêché ein „polnisches Kriegsgefangenenlager“ gemacht, was sich historisch nicht belegen ließe. Das, was er vor zwei Jahren über Hans Bêché gesagt habe, „erfüllt den Straftatbestand der Verleumdung des Andenkens Verstorbener“. Sie und dessen Tochter Hedy Bêché hatten dagegen gerichtlich vorgehen wollen. „Wir wussten damals aber nicht, dass man nur drei Monate Zeit hat, um einen solchen Strafantrag zu stellen. Wir waren eine Woche zu spät.“

Keine Fristen gibt es dagegen im Zivilrecht. Und so flatterte Iris Kausemann im Februar 2022 das Schreiben des Rechtsanwalts des AfD-Vorsitzenden ins Haus, in dem sie aufgefordert wurde, 1000 Euro als Wiedergutmachung für die „begangene Beleidigung“ zu zahlen. Das tat die Wipperfürtherin nicht, folglich kam es Anfang Juni zu einer 15-minütigen Verhandlung vorm Wipperfürther Amtsgericht. An deren Ende teilte der Richter mit, er werde nun abwägen, ob eine Schmähkritik vorliegt beziehungsweise, ob die Aussage Iris Kausemanns durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist oder ob dadurch das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingeschränkt wurde. Drei Wochen später wies der Richter die Klage ab, seine Begründung: Eine Schmähkritik liege nicht vor und als Politiker müsse der Kläger die Bezeichnung „bildungsfern“ aushalten.

Danach folgten weiter Anfeindungen von Rechtspopulisten und Sympathisanten. Auch ging der Rechtsanwalt des Klägers in Berufung – zu einem Prozess vor dem Landgericht kam es jedoch nicht, weil der Anwalt der Wipperfürtherin, der in den NSU-Prozessen mitgewirkt hatte, der Gegenseite offenbar die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens vor Augen geführt hatte. Zudem setzte bei Iris Kausemann eine große Enttäuschung ein. Vor dem Termin am Amtsgericht hatte sie unter anderem über die sozialen Medien dazu aufgefordert, sie bei der Verhandlung zu unterstützen: „Gekommen waren meine Freundin, Hedy Bêché und zwei Mitglieder von ,Die Partei‘. Niemand aus der Politik und niemand von den Geschichtsvereinen“, erinnert sie sich. „Das hat mich am meisten getroffen.“

Am 4. Juli klappte Iris Kausemann an ihrer Arbeitsstelle zusammen, als ihrem Arbeitgeber eine zweite Dienstaufsichtsbeschwerde des Rechtsanwalts der Gegenpartei zugestellt wurde. „Ich hatte meine Kräfte überschätzt“, konstatiert die 54-Jährige. Vier Monate war sie nicht arbeitsfähig, dazu kam der finanzielle Schaden durch den Verdienstausfall. Als sie zum Jahreswechsel über die Geschehnisse aus dem Sommer nachdachte, kam auch die Enttäuschung wieder hoch: „Ich war immer für die Politiker da, habe jedem Ratsmitglied sofort geantwortet und Quellen zur Verfügung gestellt“, sagt Iris Kausemann. Aber bei dem Prozess habe sich bis auf die beiden „Die Partei“-Mitglieder niemand blicken und auch danach niemand etwas von sich hören lassen.

Um sich vorrangig ihrer Gesundheit zu widmen, legte sie Anfang Februar den BGV-Vorsitz nieder und trat mit sofortiger Wirkung auch aus. Wie der ehemalige BGV-Vorsitzende Fredi K. Roß bestätigt, will sich die Hückeswagener Abteilung auf der Jahresversammlung, die voraussichtlich Ende März stattfindet, neu aufstellen. Dann werde es auch einen neuen Vorstand samt neuen Vorsitzenden geben. Auch den Vorsitz der BZG, den sie seit Mai 2014 innehat, wird sie niederlegen. Dem Verein bleibt sie allerdings treu.

BGV Hückeswagen

Gründung: Die Hückeswagener Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins (BGV) gründete sich erst am 17. Dezember 1960. Zu dem Zeitpunkt bestand der Hauptverein bereits seit 97 Jahren.

Vorstand: Den ersten Vorstand bildeten unter anderem Arno Paffrath (Vorsitzender), Dr. Peter Bode (stellvertretender Vorsitzender), Carola Lepping (Bibliothekarin), Joachim von Seewitz (Kulturreferent) und Willi Wörsdörfer (Redakteur „Leiw Heukeshoven“).

Vorsitzende der vergangenen 29 Jahre: Karl Reiner Illgen (ab 1994), Siegfried Berg (ab 2009), Dr. Jürgen Simon (ab 2012), Fredi K. Roß (ab 2013), Iris Kausemann (ab 2016).

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