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Durchgebissen! Neuer Meister auf der Matte
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Björn Heissig (46) hat als einer der wenigen im ID-Judo die Prüfung zum Schwarzen Gurt bestanden.
Von Heike Karsten
Hückeswagen. Seit 25 Jahren ist Björn Heissig im Judosport aktiv - zunächst bei der Rehabilitations- und Behindertensportgemeinschaft (RBS) Hückeswagen, seit 2001 beim JC Mifune. Jetzt wurde seine Disziplin beim Training belohnt: Der 46-Jährige, der mit dem Down-Syndrom lebt, hat die Prüfung zum Schwarzgurt 1. Dan bestanden. Eine Auszeichnung, die nur wenige Sportler im Behinderten-Sektor erreichen.
Trainer Edmund Tscheschlog ist über den Erfolg ebenso stolz wie Björn Heissigs Mutter. „Er hat sich durchgebissen und es geschafft“, berichtet Elke Windgassen-Heissig hocherfreut.
Einen Plan mit den Übungen hatte er im Zimmer hängen
Schon 2019 begann der Weg zum Schwarzgurt, der im G-Judo aus drei Modulen besteht: Bodentechnik, Standtechniken und in der dritten Phase der schwierigste Teil, die Kata. Die ersten beiden Prüfungen hatte der 46-jährige Judoka bereits in der Tasche – dann kam die Corona-Pandemie, in der kein Kontaktsport mehr möglich war.
Björn Heissig hatte nach der Wiederaufnahme des Trainings zudem mit Schulterproblemen zu kämpfen. Doch er gab nicht auf und trainierte in den sechs Wochen vor der dritten Prüfung an jedem Donnerstag und Freitag die geforderten Wurftechniken. „Da muss alles genau stimmen, von der Begrüßung über die Anzahl der Schritte bis zur Wurftechnik“, erläutert seine Mutter. Um die Bewegungsabläufe zu verinnerlichen, hatte der Hückeswagener sogar einen Plan mit den Übungen in seinem Zimmer hängen.
Die Kata auf der Matte vor dem Prüferkomitee vorzuführen, erfordert höchste Konzentration.
Jetzt ging es für drei Tage zur Prüfungsabnahme nach Dülmen, wohin ihn sein Trainer begleitete. „Björn hatte großes Glück, dass er mit Chris Garnetidis einen guten Trainingspartner hatte, der ihn über Monate begleitete, damit er die Kata auf der Matte dem Prüferkomitee vorführen konnte. Das erfordert höchste Konzentration“, betont Edmund Tscheschlog.
Zum Verständnis: Im Kampfsport führt der Tori (in dem Fall Björn Heissig) als Angreifer die Würfe aus, während der Uke (Garnetedis) sie als Verteidiger unterstützt. Die drei Prüfer aus NRW kamen zu dem Ergebnis, dass die beiden Mifune-Sportler eine gute Vorführung und Leistung gezeigt hatten, was mit einer Urkunde für Björn Heissig und dem Schwarzgurt vom Verein belohnt wurde.
Bei der Heimkehr ins Elternhaus hatte Tscheschlog zum Spaß eine ernste Miene aufgesetzt. „Er meinte, es sei schlecht gelaufen. Doch als Björns Trainingspartner anfing zu lachen, wusste ich, dass sie mich nur veräppeln wollten“, erzählt Elke Windgassen-Heissig und lacht. Sie hatte ein Video von dem Kampf gesehen und war erstaunt, wie komplex die Abläufe sind. „Ich hätte nie gedacht, dass das so schwierig ist“, sagt sie.
In der Vergangenheit hat der Mifune-Judosportler schon viele Preise, Auszeichnungen und Medaillen ergattern können. Dass er mit seinen 46 Jahren nicht mehr auf dem Höhepunkt seiner sportlichen Leistungen ist, mag man nach der bestandenen Schwarzgurt-Prüfung kaum glauben. Doch die ID-Judokas werden bei Wettkämpfen nicht nach Alter, sondern nach Gewicht und Behinderung eingeteilt.
„Judo ist seine große Leidenschaft, und wir haben das ein Leben lang gefördert“, betont seine Mutter. Sollte er den Sport aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausführen können, würde er ihm sehr fehlen, ist sie überzeugt
Ausruhen auf seinem Erfolg will sich Björn Heissig nicht. Der nächste Wettkampf steht bereits auf dem Kalender. Entspannen kann sich der Fußball- und FC-Bayern-Fan, der in einer Behindertenwerkstatt in Wermelskirchen arbeitet, im anstehenden Sommerurlaub auf Kreta. Waren es früher betreute Busreisen, so bevorzugt der 46-Jährige heute Flugreisen zu den verschiedensten Ferieninseln im Mittelmeer – eine weitere Leidenschaft neben dem Sport.
ID-Judo
Bezeichnung: Bis 2018 wurde der Begriff G-Judo in Deutschland verwendet. Der internationale Begriff „ID“ steht für „intellectual disability“. Die freie Übersetzung wird oft mit „Judo mit einem Handicap“ oder auch „Gehandicapt Judo“ benannt. In Deutschland wird ID-Judo seit Ende der 1970er-Jahre praktiziert.
Prüfungen: Für alle Judoka, die den Anforderungen einer allgemeinen Judo-Prüfung aufgrund ihrer Behinderung nicht genügen können, wurden spezielle Prüfungsordnungen für Kyu- und Dan-Grade entwickelt, die auf Art und Schwere der Behinderung Rücksicht nehmen. Die Prüfungsordnungen des Deutschen Judo-Bundes ermöglichen so auch Sportlern mit einem Handicap, hohe Judograde zu erwerben.