"Glückskind" - trotz Down-Syndrom
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Christian Thiel führt eigentlich ein ganz normales Leben. Aber Außenstehende sehen sofort, dass er anders ist. Christian Thiel verlässt jeden Morgen um 7.30 Uhr das Haus und fährt mit dem Bus zur Arbeit, wo er unter anderem Teile für Lastwagen zusammenbaut. Der 30-Jährige freute sich auf den Feierabend, denn seine Freizeit ist ausgefüllt mit vielen Aktivitäten.
Fitnessstudio und Judo sind nur zwei davon, und der junge Mann engagiert sich schon seit seinem 14. Lebensjahr im Technischen Hilfswerk (THW), wo er dem Jugendbetreuer zur Seite steht.
Hobbys: Schwimmen, Laufen, Fitness, THW und Judo-Training
Alles ganz normal also, wie bei vielen Gleichaltrigen. Doch Christian Thiel hat das Down-Syndrom. Das macht ihn für Außenstehende auf den ersten Blick anders. Doch für alle, die ihn kennen, ist er der freundliche, sympathische Christian. Der junge Mann lebt das vor, was Inklusion erreichen soll. Sein Vater, Ralf Thiel, macht das an einem Beispiel deutlich: "Wenn wir die Wiehagener Straße entlanggehen, wechselt niemand auf die andere Straßenseite. Im Gegenteil. Wer ihn kennt, kommt rüber und begrüßt ihn."
Dass Christian Thiel ein weitgehend "normales" Leben führen kann, hat er sich selbst und vielen anderen zu verdanken. Die Eltern hielten sich nicht lange mit Fragen auf, die ohnehin nicht zu beantworten sind, als ein Kölner Arzt ihnen eröffnete, dass ihr Sohn das Down-Syndrom hat. "Wir erhielten von Anfang an Hilfe und viel Unterstützung", erinnert sich Brigitte Thiel.
Doch zunächst mussten die Eltern selbst viel lernen. Wie kann Christian gefördert werden? Was kann er, was kann er nicht?
Die Frühförderung der Lebenshilfe, die damals noch im Aufbau war, hat viel Positives für Christian Thiels Leben bewirkt. "Es tat gut, sich mit anderen auszutauschen", sagt Ralph Thiel. Er hat noch etwas erfahren: "Man erfährt viel Hilfe, man muss aber den ersten Schritt tun, dann öffnen sich die Menschen."
Christian Thiel besuchte die Anne-Frank-Schule in Wipperfürth, die weniger klassische Lerninhalte vermittelt, sondern vielmehr die besonderen Fähigkeiten der Schüler fördert. Christian lernte, den Alltag alleine zu bewältigen.
Als kleiner Junge wollte Christian Feuerwehrmann werden wie sein Vater. Doch der Eintritt in die Jugendfeuerwehr war aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Beim THW konnte Christian jedoch in der Jugendgruppe mithelfen. "Das macht mir Spaß", sagt der 30-Jährige, wenn er auf das THW angesprochen wird. Mit 18 Jahren wechselt man beim THW normalerweise in den aktiven Dienst. Das war bei Christian nicht möglich. Deshalb unterstützt er jetzt den Jugendbetreuer. "Das THW war ein Glücksgriff", sagt Brigitte Thiel und ergänzt: "Für beide Seiten."
Mindestens so wichtig wie das THW ist die Basis Sport für ihn - auch weil Christian Thiel seit seinem zwölften Lebensjahr Diabetes hat und genau auf seinen Blutzuckerspiegel achten muss. Regelmäßig besucht er das Fitnessstudio und ist auch in der Sauna gerne gesehener Gast, denn er hilft "den Mädels" oft beim Aufräumen. Begleitung braucht er nicht. Vieles macht Christian ohne seine Eltern. Zum Beispiel reisen. Seit seinem achten Lebensjahr ist er ohne Eltern mit Jugendgruppen in Freizeiten unterwegs. "Er kennt ganz Europa", sagen seine Eltern lachend und Christian fügt hinzu: "Und Malle."
Christian Thiel läuft gerne, nimmt an Volksläufen teil "und freut sich, wenn er kurz vor dem Ziel noch andere Läufer überholen kann", berichtet sein Vater. Fünf Kilometer läuft er in 30 bis 35 Minuten. Zudem schwimmt Christian in der Gruppe der Rehabilitations- und Behindertensportgemeinschaft (RBS).
"Inklusion hat bei uns schon vor 30 Jahrenangefangen."
Ralph Thiel
Als der Behindertensportverband Nordrhein-Westfalen noch Lehrgänge im Ski nordisch anbot, nahm er gerne an Langlaufwettbewerben teil. Der 30-Jährige ist geschickter Judoka. Samstags fährt ihn der Familienunterstützende Dienst der Lebenshilfe zum Judotraining nach Leverkusen. Was er dort gelernt hat, zeigt er anschließend anderen Kindern in der Judogruppe des RBS. Die weiß-gelbe Gürtelprüfung hat er hinter sich, jetzt ist der braune Gurt sein Ziel.
"Inklusion hat bei uns schon vor 30 Jahren angefangen", erinnert sich Ralf Thiel. "Er ist wie selbstverständlich mit drei nichtbehinderten Nachbarskindern aufgewachsen. Christian gehörte schon als Kind in der Wiehagener Straße dazu." Seine Eltern macht das glücklich und auch Christian fühlt sich offensichtlich wohl, denn einer seiner Lieblingssätze ist: "Ich bin ein Glückskind."
SERIE
ANDERS IST NORMAL Menschen mit Behinderung sind in ihrem Leben eingeschränkt - die einen mehr, die anderen weniger. Nicht jede Behinderung ist für Außenstehende sofort erkennbar. Das sorgt oft für Unverständnis und Missverständnisse. In loser Serie stellen wir Menschen mit Behinderung vor und wie sie ihr Leben in Hückeswagen meistern. Gerne hören wir uns auch Ihre Geschichte an. Kontakt: Tel. 4021.